Vortrag:Anwalt für den kleinen Mann

Peter Maicher vom Historischen Verein erinnert an den Moosacher Abgeordneten Anton von Hofstetten

Von viktoria spinrad

Eigentlich war Anton von Hofstetten gerade erst eindrucksvoll wiedergewählt worden. Als ihn der bayrische König 1825 aus dem ersten bayrischen Landtag ausschloss, da blieb der Mann aus dem heutigen Moosach dennoch diplomatisch. Besonnen schrieb der Abgeordnete in einer Pressenotiz, dass er "seinem bairischen Vaterlande und seinen lieben Mitbürgern" im Parlament leider nicht mehr von Nutzen sein könne - und bat, "ihn von allen bereits wieder begonnenen Zusendungen von Akten, Büchern, Beschwerden gütigst zu verschonen."

Eröffnung der ersten Bayerischen Ständeversammlung am 4. Februar 1819 in einem Stich Domenico Quaglios. Mit dabei: der Falkenberger Abgeordnete Anton von Hofstetten. (Wikimedia Commons)

Im Ständehaus an der Münchner Prannerstraße saß Hofstetten in der ersten Reihe rechts - gleich gegenüber einem weiteren aus dem Landkreis: Anton Grandauer.

(Foto: Veranstalter/OH)

Was war geschehen? "Bei der Regierung war Hofstetten in Misskredit geraten", sagte der Zornedinger Peter Maicher in seinem Lichtbildervortrag über den vergessenen Abgeordneten am Dienstag im Grafinger Museum. Mal bedächtig, mal betont referierte der ehemalige Direktor des Bayrischen Landtags über die Arbeit des Reformers in der Geburtsstunde des modernen Parlamentarismus in Bayern. Ein Engagement, von dem eine Urenkelin Hofstettens, die Maicher getroffen hatte, selber nichts wusste. "So rasch versickert Erinnerung", resümierte Maicher vor den etwa 50 Gästen, die die Ergebnisse seiner jahrelangen Recherchen im schummrigen Projektorlicht verfolgten. Für den Historischen Verein des Landkreises sprach Maicher über einen Mann, der nach seinen Reden, die in den Protokollen der Sitzungen vermerkt sind, Vorreiter für zahlreiche Reformen war.

Vortrag: Peter Maicher (73) war von 1998 bis 2009 Direktor des Bayerischen Landtags. 2009 zog er von Moosach nach Zorneding. Unter anderem wirkte er am Moosacher Heimatbuch mit.

Peter Maicher (73) war von 1998 bis 2009 Direktor des Bayerischen Landtags. 2009 zog er von Moosach nach Zorneding. Unter anderem wirkte er am Moosacher Heimatbuch mit.

(Foto: Christian Endt)

In einer Zeit, in der politischen Fraktionen durch das Auslosen des Sitzplatzes aktiv vorgebeugt wurde, stieß Hofstetten immer wieder an die Grenzen der Parlamentsarbeit. Zusammen mit den anderen 114 vom Volk gewählten Abgeordneten handelte er sich regelmäßig den Widerstand der ersten der beiden Kammern ein: der vom König ernannten hochadeligen Reichsräte. Eine Eskalation zwischen den beiden Kammern verhinderte Hofstetten aber bereits mit seiner ersten Ansprache. Nachdem die Reichsräte die Abgeordneten "umstürzlerischer Absichten" bezichtigt hatten, entgegnete er dem mit einer "meisterlichen Rede", so Maicher. Versöhnlich erinnerte Hofstetten daran, dass die beiden Kammern doch "Schwestern" seien und die Reichsräte ihren Verdacht deshalb doch so nicht gemeint haben könnten. Ein diplomatisches Kunststück, war man für Beschlüsse schließlich von der oberen Kammer abhängig. "Ob es damals Sondierungsgespräche gab, weiß ich nicht", merkte Maicher an und brachte die Gäste zum Schmunzeln.

Familienwappen Hofstetten mit einer Palme als biblisches Symbol der Gerechtigkeit. Der Abgeordnete Anton von Hofstetten setzte sich im ersten Landtag 1819 unerschrocken für mehr Gerechtigkeit gerade für die kleinen Leute ein.

"Der Gerechte wird wie eine Palme blühen", stand auf dem Familienwappen der Hofstettens.

(Foto: Christian Endt)

Von da an kämpfte Hofstetten in seinen sechs Jahren als Landtagsabgeordneter gegen die Willkür einer ausufernden Bürokratie, für eine Justizreform, ein friedliches Zusammenleben der Konfessionen, für eine Gleichstellung der Juden und vor allem für die kleinen Leute - notfalls auch gegen seine eigenen Interessen. So forderte er, die Bauern von den Zwängen der Grundherrschaft zu befreien. "Will man der Nation bloß schöne Worte vormachen?", soll der Abgeordnete geschimpft haben, obwohl er als Herr der Hofmark Falkenberg selber Grundherr war.

Auch forderte er eine bessere Bezahlung für Justizbeamte, Lehrer und Landpfarrer. Letztere müssten "darben, die anderen können schwelgen. Skandal!", wetterte Hofstetten - und betonte, dass Lehrer auf öffentlichen Veranstaltungen als Musiker und Unterhalter "den Hanswurst" machen müssten. Eine Umschreibung, die besonders unter den rund 15 Kirchseeoner Gymnasiasten für Erheiterung sorgte. Für eine Ausstellung im Landtag zum 200. Jubiläum der bayerischen Verfassung im kommenden Jahr wollen die Schüler den Lebensweg Hofstettens künstlerisch umsetzen. Dieser hatte sich als Richter auch eine Neuordnung der Justiz vorgeknöpft. Er kannte das Spiel von gekauften Zeugen, die die Gesuche einfacher Menschen vor Gericht häufig zunichte machten. Man müsse die kleinen Leute vor solchem "Lumpen-Gesindel" schützen, zitierte Maicher den Reformer vor den Gästen. Dessen Forderungen - Öffentlichkeit und Mündigkeit im Strafverfahren, die Trennung von Verwaltung und Justiz und die Vereinheitlichung des Zivilrechts - sollten erst 1848, 1861 und 1900 eingeführt werden. Im sechsten Jahr als Abgeordneter warnte Hofstetten in der Kammer, dessen Vorsitzender der Generalfeldmarschall höchstpersönlich war, vor Aufrüstung und einer Aufstockung des Militäretats. Nach einem halben Jahrhundert schlimmer Kriegsnöte brauche es vielmehr die "Freundschaft der Nachbarn" und "auswärtigen Schutz". Bayern lebe in Frieden, nirgends sei ein Feind zu sehen. Pazifistische Töne, die seiner Karriere inmitten des frühen Konstitutionalismus zum Verhängnis werden sollten.

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