Vortrag:Antike Seifenoper

Beim Baldhamer Frauenfrühstück referiert Anja Dollinger über Amor und Psyche in der Kunst

Von Sandra Langmann, Vaterstetten

Von der Seele heißt es, dass sie dem Menschen Persönlichkeit verleiht und dem Körper Leben einhaucht. Dem Begriff kommen aufgrund mythischer, religiöser, philosophischer und psychologischer Traditionen und Lehren eine Vielzahl an Bedeutungen zu. Das Synonym Psyche wurde in der bildenden Kunst auf verschiedene Arten dargestellt. Welche Meisterwerke in der Zeit von etwa 1500 bis 1900 zum Thema entstanden, zeigte die Kunsthistorikerin Anja Dollinger beim Baldhamer Frauenfrühstück in der Petri-Gemeinde.

Im Altgermanischen sei man davon ausgegangen, dass die Seelen von Ungeborenen und Verstorbenen im Wasser lebten. Aus dem Wort See leitete man daher den Begriff Seele ab, so Dollinger. Wenn jemand stirbt, wird der Körper kalt. Es musste also etwas geben, das dem Körper Wärme spendete. Mit dem Christentum entwickelte sich der Glaube, dass die Seele keine Gestalt habe und nur der Schöpfer in der Lage sei, sie zu sehen. Im neunten Jahrhundert begann man dann, die Seele mit künstlerischen Mitteln darzustellen.

Ein Bild von Hieronymus Bosch aus dem 15. Jahrhundert zeigt einen breiten Fluss und einen Kahn, der auf dem Wasser der Seelen schwimmt. Mit Beginn der Reformation findet auch in der Kunst ein Umbruch statt. "In der Renaissance erlangt der Künstler ein völlig neues Selbstbewusstsein", erklärte Dollinger in Bezug auf das Werk "Zeus malt Schmetterlinge" von Dosso Dossi aus dem Jahr 1530. Der Schmetterling galt als beliebtes Symbol zur Darstellung der Seele. Schmetterlinge symbolisieren die Psyche, die nicht nur ein Synonym für Seele ist, sondern im Griechischen auch mit "Atem" übersetzt wird. Indem er Göttervater Zeus Schmetterlinge malen lasse, präsentiere sich der Künstler selbst als Schöpfergott, so Dollinger.

Als Inspiration für viele beseelte Werke galt die antike Erzählung "Amor und Psyche" des Apuleius aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus. Goethe sei von der Geschichte entzückt gewesen. Dollinger indes stellte fest, dass die Handlung teilweise wirr und ungewollt komisch wirke: Die darin beschriebenen Frauen schrien nur herum, während die Männer überfordert und wehleidig wirkten.

"Amor und Psyche" erzählt eine mythische Liebesbeziehung zwischen dem Gott Amor und der sterblichen Königstochter Psyche. Sie ist die Jüngste und Schönste dreier Töchter, so schön, dass Venus eifersüchtig wird und ihren Sohn Amor aufstachelt, Psyche dazu zu bringen, einen Dämon zu heiraten. Bevor jedoch die Hochzeit auf einem Berggipfel vollzogen wird, wird Psyche von Zephyr, dem Herrn der Winde, auf Anweisung Amors entführt. "Als sich Amor in sie verliebt, läuft für Psyche in dessen Schloss alles super", sagt Dollinger. Doch ihren Geleibten, der sie nur nachts besucht, bekommt sie tagsüber nie zu Gesicht. Psyche, die bald ein Kind von Amor erwartet, fühlt sich allein und sehnt sich nach ihren Schwestern. Als diese sie besuchen, werden sie so von Neid gepackt, dass sie Psyche einreden, eine Schlange geheiratet zu haben. Sie bringen die Schwester so weit, dass sie den Plan fasst, ihren Geliebten zu töten - mit einem Dolch, der auch auf der Skulptur von Wolf Hoyer, die in der Neuen Pinakothek München ausgestellt ist und 1842 entstand, zu sehen ist. Der Künstler hat Psyche als zartes, junges Mädchen in dem Moment dargestellt, in dem sie, das Messer in der Hand, den schlafenden Amor erblickt und von dessen Schönheit überwältigt wird. . .

Dollingers Schilderung lässt den Schluss zu, dass die mythische Erzählung einer Seifenoper gleicht - begleitet von Rache, Intrigen und Eifersucht. Als Venus, wütend, dass ihr Sohn mit Psyche ein Kind gezeugt hat, das Mädchen findet, erlegt sie ihr viele Aufgaben auf. Unter anderem soll sie bei der Göttin Proserpina eine Schönheitssalbe besorgen. Als Psyche das Kästchen in Händen hält, öffnet sie es und fällt in einen todesähnlichen Schlaf. Doch Amor findet und rettet sie. Diesen Wendepunkt in der Geschichte stellte Antonio Canova 1783 in Form einer Statue dar. Diese zeige viel Bewegung, Zärtlichkeit und "ist doch die Ruhe im Auge des Sturms", sagt Dollinger. "Ein magischer Moment perfekter Zeitlosigkeit." Die Statue stelle das Konzentrat einer perfekten Liebesbeziehung dar. Man sei sich nicht sicher, ob es sich um eine Ankunft oder einen Abschied handle.

Am Ende darf Amor seine von Gott Jupiter unsterblich gemachte Psyche heiraten. Ein Mädchen wird geboren und Voluptas, "Wollust", genannt, sagt Dollinger und schüttelt den Kopf. Auch die Antike hatte ihre Seifenopern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: