Vorbereitung auf den Job:Eine Frage der Einstellung

Mit Unterstützung des Zornedinger Helferkreises wollen drei junge Männer das Bewerben und Bewähren lernen. Ihr Ziel: Vom Flüchtlings-Container in die Berufsausbildung

Von Victor Sattler, Zorneding

"Zwei Jahre lang warst du immer auf dem Sprung, nie irgendwo sicher, immer auf der Weiterreise nach Norden", sagt Angelika Burwick in solchen Momenten. "Du hast Lebensfähigkeit gezeigt, und ein Organisationstalent, du hast deine Zähheit unter Beweis gestellt. Klar bist du müde, aber jetzt musst du dich durchbeißen." Und kaum hält sie den eindringlichen Blick für ein paar Sekunden, geht es dann auch wieder. Angelika Burwick ist Vorsitzende des Helferkreises Asyl in Zorneding. In der Gemeinde fühlen Kesete, Tesfay und Mohamed sich inzwischen heimisch, hier sind sie in Sport- und Musikvereine eingebunden. Die kleine Motivationspredigt muss Burwick manchmal üben, weil der Sommer 2018 ein ganz entscheidender für die Leben der drei jungen Männer wird: Dann wollen sie die Mittelschule Kirchseeon mit einem Abschluss verlassen und den Sprung in eine Berufsausbildung schaffen.

Den diesjährigen Schulabgängern, die vom Helferkreis betreut wurden, blieb das Glück einer Lehre zum Großteil bislang verwehrt. Deshalb mussten sich Angelika Burwick und die Zweite Vorsitzende Sandra Kuse für nächstes Jahr etwas einfallen lassen; sie wandten sich an den lokalen Fortbildungsträger Peter Schnabl für ein Bewerbertraining mit Unterstützung beim Berufseinstieg. Normalerweise seien das Bundesamt für Migration oder das Jobcenter seine Auftraggeber, berichtet Dozent Alexander Niehusmann - nun konnte sich, dank der Mittel der bundesweiten "500 LandInitiativen", aber zum ersten Mal ein Helferkreis den Service leisten.

Vorbereitung auf den Job: Rollenspiele sollen bei der Bewerbung helfen.

Rollenspiele sollen bei der Bewerbung helfen.

(Foto: Christian Endt)

"Ja bedeutet Bestätigung", erklärt Alexander Niehusmann den fünf Kursteilnehmern in einem kleinen Raum in Pöring. "Aber Jaja kann manchmal den falschen Eindruck erwecken, es kann ungeduldig oder uninteressiert klingen. Sagen Sie lieber Ja." Niehusmann schreibt den feinen Unterschied auch an die Tafel. "Jaja", nickt Kesete automatisch - und schlägt sich auf den Mund. Die anderen lassen ihn seine kleine Pleite sofort spüren und klopfen ihm frech auf den Rücken, Kesete korrigiert sich.

Bestätigung ist wichtig, denn durch ihren Hintergrund sind die fünf Männer in einer Situation, in der sie ihren guten Arbeitswillen immer zu einhundert Prozent bestätigen müssen: Zusagen, zugreifen müssen. "Können Sie am Montag um sechs Uhr dreißig gleich anfangen?", fragt Kesete im Rollenspiel, ganz in der mächtigen Pose des Firmenchefs, die er genießt. "Ja", platzt Tesfay heraus. "Aber montags haben Sie doch noch Schule", erinnert Niehusmann. Bisher suchen Tesfay, Mohamed und Kesete nur nach Praktikumsplätzen für Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Ihre Wochen sind zerpflückt zwischen den beiden Tagen Mittelschule am Wochenanfang - und den restlichen drei, an denen die Mittelschule Kirchseeon ihnen wegen Lehrermangels keinen Unterricht geben könne. Mehr Schule fänden sie alle besser, erklären sie in der Pause, man vergisst einfach zu viel. "Solange Sie noch zur Schule gehen, müssen Sie dem Chef ihre anderen Verpflichtungen sagen", mahnt Niehusmann, "denn Sie müssen erklären, warum Sie montags nicht können. Sie dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass Sie um sechs Uhr dreißig noch schlafen wollen. Sie müssen sagen: Ich würde gerne, aber..."

Vorbereitung auf den Job: Den Kurs haben Sandra Kuse (links) und Angelika Burwick organisiert.

Den Kurs haben Sandra Kuse (links) und Angelika Burwick organisiert.

(Foto: Christian Endt)

Ja, sie würden wirklich gerne, aber - ständig gilt es, ein falsches erstes Urteil abzuwenden. Niehusmann jongliert mit allen Arten, wie das Verhalten der Männer im Bewerbungsgespräch womöglich gelesen werden könnte. "Verhaltensweisen bedeuten in Eritrea etwas ganz anderes", ist sich Angelika Burwick sicher. "Die Frage ist auch: Was wird mir nachgesehen, weil ich fremd bin? Und was nie?"

Die Ernüchterung des Sommers sitzt noch tief bei den beiden Helferinnen. Acht ihrer Schützlinge haben Burwick und Kuse 2017 durch den Mittelschulabschluss begleitet, nur zwei fanden einen Ausbildungsplatz, sechs stecken jetzt in der Hilfsarbeit fest und Sandra Kuse muss nachspüren, ob sie überhaupt den Mindestlohn bekommen. Am stärksten ausgesiebt worden sei in den Assessment-Centers von Aldi und Lidl, wo man mal einschüchternden Anzugträgern, manchmal auch nur einer Webcam als Gesprächspartner gegenübersitze. "Ohne diesen Kurs wird es euch genauso wie den anderen ergehen", sagt Kuse eindringlich. Überall gibt es Stolpersteine: Mathematische Formeln und technische Skills in der Bäckerlehre, lateinische oder griechische Gattungsnamen in der Gärtnerei. Zuerst seien die Handwerker euphorisch über die neue Arbeitskraft, dann ganz schnell enttäuscht. Mohamed will Bodenleger werden, Tesfay Autolackierer, bis dahin ist es noch ein weiter Weg. "Das hier ist kein Schmusi-Kurs", sagt Kuse, "wer einmal nicht kommt, fliegt raus, und der Platz geht an jemand anderen."

Von Alexander Niehusmanns Knigge könnten auch gebürtige Deutsche noch lernen. Er laviert sich durch ein Meer an kleinen Peinlichkeiten, die den Bewerbern im Gespräch das gute Gefühl rauben und wieder einen dicken Knoten im Hals verpassen könnten. "Wir fassen uns nicht an", hält er zum Beispiel kategorisch fest, "die doppelte Hand ist zu viel." Tesfay hatte gleich beim simulierten Begrüßungshandschlag seine Linke noch auf den Handrücken des Anderen obendrauf gepackt. Zwei Hände, die die eigene umschließen; ist das warm, bestätigend, wohlig oder schon eine Grenzverletzung? Kommt auch immer darauf an, wer es macht. Manchmal scheint es, als würde eine ungeschliffene Herzlichkeit hier abtrainiert, weil sie nicht in die deutsche Etikette im offiziellen Leben passt. Auf der allerletzten Sprosse der Grafik im Klassenzimmer steht: "Gute Arbeit bringt Arbeitsvertrag. Schlechte Arbeit, kein Arbeitsvertrag." Das bringt es auf den Punkt, aber davor zählt auch alles andere, das ihnen die Chance, ihre Arbeitsqualität einmal zu beweisen, vereiteln könnte.

Vorbereitung auf den Job: In den Arbeitsheften gibt es wertvolle Tipps für das Berufsleben.

In den Arbeitsheften gibt es wertvolle Tipps für das Berufsleben.

(Foto: Christian Endt)

Im Abstand von zwei Wochen werden die Bewerbertrainings veranstaltet, jeder Teilnehmer soll fünf Module absolvieren, um rundum vorbereitet zu sein. Im Computerraum zeigt Niehusmann zum Beispiel etwas, das ihnen gleichzeitig vertraut und fremd ist: Das Internet kennen alle Kursteilnehmer vom Smartphone, es war ihnen ein Überlebenswerkzeug - aber den Luxus eines stationierten Computers hatten sie nie und tun sich entsprechend schwer bei einfachen Befehlen wie Übersetzungshilfen. Oft genug finden sie für ihre Muttersprache keinen Eintrag. Mohamed ist der Klassenbeste, er schreibt viel mit und spricht bereits ein ruhiges, scheinbar müheloses Deutsch. Wenn er mit der gestellten EDV-Aufgabe schneller fertig als die anderen ist, öffnet er leise in einem zweiten Tab die Internetseite der Jobbörse und browst seine Zukunft.

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