Bruck:Die Nachbarn haben sich mit dem Windrad arrangiert

Bruck: Pater Egino spendet am Sonntag Windrad und Kapelle in Hamberg bei Bruck den kirchlichen Segen.

Pater Egino spendet am Sonntag Windrad und Kapelle in Hamberg bei Bruck den kirchlichen Segen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Brucker feiern ihre neue Windkraftanlage mit einem Volksfest. Dabei wird deutlich, dass die befürchtete Belästigung ausgeblieben ist.

Von Karin Kampwerth, Bruck

Quirin und Saphira waren auch schon da, das vermutlich junge Liebespärchen hat sich auf der Rückseite des unteren von 22 Betonsegmenten des Brucker Windrades mit wasserfestem Stift verewigt. Ist ja auch ein idyllisches Plätzchen dort auf der kleinen Anhöhe in Hamberg. Und lauschig ruhig ist es immer noch - obwohl sich in 138 Metern Nabenhöhe ein Rotor dreht.

Und zwar immer in genau der Richtung, aus der der Wind kommt. Die Gondel nämlich, so wird die Aufhängung für den Rotor bezeichnet, richtet sich nach dem Wind. Mit dem Wind hat sich auch die Meinung in der Bevölkerung gedreht. Am Sonntag zumindest wären Quirin und Saphira nicht ungestört gewesen, denn mehrere Hundert Nachbarn und Interessierte haben die Einweihung der Anlage gefeiert, die in den Jahren während der Planungsphase die Dorfbevölkerung zu entzweien drohte.

Schön, so sagt eine Anwohnerin aus Eisendorf, Luftlinie vielleicht einen Kilometer vom Windrad entfernt, finde sie die Anlage zwar immer noch nicht. "Hier bei uns passt das einfach nicht hin." Allerdings sei ihr schon auch klar, dass der Strom ja irgendwo her kommen müsse. Viel wichtiger aber ist für sie ohnehin, dass das Windrad keine Belästigung wie anfangs befürchtet darstellt. "Man hört gar nichts", sagt die Frau. Als das Windrad in Betrieb gegangen sei, habe sie ihren Mann nach draußen gerufen, ganz intensiv gelauscht - und dann festgestellt, dass das einzig vernehmbare Rauschen von der Heizungsanlage des Nachbarhofes kommt.

Im Wald, sagt sie, hört sie Vögel zwitschern und das Laub rascheln, wenn sich ein Fahrradfahrer nähert, aber vom Windrad: "keinen Ton." Auch an diesem Sonntag, an dem sich die Anlage in Bestform zeigt und mit 1100 Kilowattstunden eindrucksvoll Halblast fährt, ist ein beständiges Rauschen des Rotors nur in vielleicht 50 Metern Entfernung in westlicher Richtung zu vernehmen. Direkt darunter: nichts. Weiter weg: ebenfalls nichts. Allerdings nur so lange, bis die Glonner Musi aufspielt und sich der Platz um die Anlage mit Gästen füllt, die bei Weißwurst, Bier und Brezn - wenn man so will - die sichtbare Energiewende feiern.

Die Anlage steht mitten in einem Wasserschutzgebiet

Dass sich die Bedenken wegen möglicher Lärmbelästigung in Luft aufgelöst haben, erklären die Geschäftsführer von der 16-köpfigen Betreibergemeinschaft Osterkling, Hans Zäuner und Werner Stinauer, auch mit der Besonderheit, dass der Rotor nicht mit einem Getriebe angetrieben werde, sondern elektronisch. Dadurch könne man auf Hunderte Liter Öl in der Gondel verzichten. Ein Vorteil, denn die Anlage befindet sich mitten in einem Wasserschutzgebiet. Nur ganz am Anfang, da habe man mal ein Flügelpfeifen gehabt, erinnert sich Stinauer. Die Herstellerfirma aus dem ostfriesischen Aurich habe aber sofort Techniker geschickt. Die hätten ein paar Entwässerungslöcher wieder verschlossen und das Pfeifen sei weg gewesen.

Die weiteren technischen Details erklären Stinauer und Zäuner den zahlreichen Gästen bei Führungen in der Anlage. "Vier bis fünf Mal hat der Blitz in diesem Jahr schon eingeschlagen", berichtet Zäuner den verdutzten Gästen. Das sei bei so einem hohen Bauwerk ja auch normal. Passieren könne nichts, die ganze Anlage sei bis in die Flügelspitzen mit einem Blitzableitersystem versehen. Auch wenn es stürmt, müsse sich niemand Gedanken machen. Wird es brenzlig, würden die Flügel innerhalb von einer bis fünf Sekunden "ausgepitcht", was bedeutet, dass die Anlage angehalten und die Rotorenblätter so ausgerichtet werden, dass sie keine Angriffsfläche mehr für Sturmböen liefern.

Aber auch naturschützerische Belange waren Thema. Heinz Vierthaler vom Bund Naturschutz, der sich für die Nutzung von Windenergie ausspricht, wollte wissen, wie viele Vögel denn schon in den Rotorenblättern ums Leben gekommen seien. Zäuner: "Das kann man nicht sagen. Bevor wir so etwas bemerken, hat sich der Fuchs den Vogel schon geholt. Wir sind ja hier im Wald." Rotmilane könnten die Landwirte immer wieder auf ihren Äckern beobachten. Die seien aber nicht so dumm und flögen in den Rotor.

Doch nicht nur den Segen der Nachbarn, sondern auch den kirchlichen hat das Brucker Windrad seit diesem Sonntag. Am Mittag weihte Pater Egino Puff aus Moosach das Windrad und auch eine kleine Kapelle. "Die hat vorher 500 Meter weit mitten im Holz gestanden", sagt Stinauer. Den neuen Platz hätten die Osterklinger dem Eigentümer angeboten, der die Kapelle daraufhin restauriert habe und nun von seinem Hof aus sehen könne.

Ein Symbol vielleicht auch dafür, dass Windenergie kein Teufelszeug ist. Stinauer und Zäuner jedenfalls sind davon überzeugt, dass sie in fünf Jahren längst nicht mehr die einzigen genossenschaftlichen Betreiber einer solchen Anlage im Landkreis Ebersberg sind. "Bei uns haben sich schon einige Interessenten gemeldet, die es uns nachtun wollen", sagt Stinauer.

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