Völkerverständigung:Zwischen Grafing und Burkina Faso

Julia Grabosch

Noch bis Juni arbeitet Julia Grabosch im Büro des Freiwilligendienstes in Grafings Partnerstadt St. Marcellin.

(Foto: Privat)

Beim Freiwilligendienst in Frankreich organisiert Julia Grabosch von St. Marcellin aus internationale Hilfsprojekte

Von Konstantin Schätz, Grafing/St. Marcellin

Die Präsidentschaftswahl in Frankreich - das war Thema Nummer eins, als Julia Grabosch im Oktober vorigen Jahres in das französische St. Marcellin kam. Und jetzt, wo sich das Thema durch die Wahl Emmanuel Macrons gerade wieder beruhigt, verlässt sie die 8000-Seelen-Gemeinde wieder. Acht Monate Freiwilligendienst liegen zwischen ihrer Ankunft und der Rückkehr nach Grafing. "Eigentlich finde ich es schade, dass es jetzt schon vorbei ist", erzählt Julia Grabosch am Telefon. "Ich habe die Zeit hier sehr genossen", strahlt sie. Andererseits freut sie sich auch darauf, wieder in die Heimat zurückzukommen.

Dass die 22-Jährige die Zeit zwischen dem Bachelor- und Masterstudium genutzt hat, um ins Ausland zu gehen, ist erst mal nicht ungewöhnlich. Denn viele Studenten nutzen die Zeit, um die Welt zu sehen, fremde Kulturen kennenzulernen und noch mal ausgiebig Urlaub zu machen, bevor das Arbeitsleben losgeht oder das Studium durch den Master verlängert wird. Den Aufenthalt im Ausland aber mit einem ausländischen Freiwilligendienst zu verbinden, um von einer französischen Gemeinde aus Hilfsprojekte in Afrika zu organisieren und sich an anderen sozialen Projekten zu beteiligen, dürften sich nur wenige in den Lebenslauf schreiben können.

Romanistik hat die Julia Grabosch studiert. Hauptsprache Französisch. In Frankreich zu arbeiten, stand deshalb für sie außer Frage - und sich an die französische Partnerstadt von Grafing zu wenden, war naheliegend. "Ursprünglich war ich auf der Suche nach einem Praktikum und habe mich deshalb mit den Partnerschaftskomitees in Grafing und St. Marcellin in Verbindung gesetzt". Kurz darauf wurde ihr ein "Service Civique", also ein französischer Freiwilligendienst, im Verein "Culture Loisirs Vacances" (CLV) in der Region Rhône-Alpes angeboten. Eine achtmonatige Arbeit mit einer 24-Stunden-Woche, für die sie 570 Euro pro Monat bekommt. Eine Summe, mit der sie gut auskommt, da sie nur ein kleines Zimmer bei einer Frau gemietet hat, die sie aus dem örtlichen Wanderverein kennt.

Diesem war sie gleich am Anfang ihrer Arbeit beigetreten, um ihrem Hobby im Wortsinn nachgehen zu können: "Der Wanderverein hat es mir ermöglicht, viel von der Region zu sehen. Außerdem habe ich den ein oder anderen Kontakt knüpfen können", erklärt die 22-Jährige und fügt dann lachend hinzu: "Die sind aber fast alle schon im Rentenalter. Also nicht ganz meine Altersklasse".

Eine Sache, die Julia Grabosch ein bisschen bedauert. Denn obwohl das CLV mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, hatte sie nur wenig Kontakt zu Gleichaltrigen, da sie überwiegend im Büro des Vereins arbeitete, wo sie unter anderem Flyer entwarf, E-Mails beantwortete und auch Übersetzungen vom Deutschen ins Französische und umgekehrt machte. "Der Verein führt zwei Schullandheime, bietet Ferienlager für Kinder an, arbeitet mit Behinderten und organisiert regelmäßig internationale Hilfsprojekte", beschreibt sie die Arbeit. An der diesjährigen Organisation der Hilfsprojekte in Kamerun und Burkina Faso war sie maßgeblich beteiligt. Den Ablauf der Projekte beschreibt sie folgendermaßen: "Da fährt eine Gruppe aus jungen Leute hin und renoviert zum Beispiel zusammen mit den Dorfbewohnern eine Schule, baut eine Bibliothek oder eine Mensa".

Eine dieser Gruppen, mit der Julia Grabosch während ihres Freiwilligendienstes zusammengearbeitet hat, bestand aus sechs jungen Erwachsenen aus dem Landkreis München, die im April zusammen mit Jugendlichen aus Saint Marcellin und Umgebung für zwei Wochen nach Kamerun flogen, um sich an den Bauarbeiten an einer Grundschule zu beteiligen und Solarpaneele auf einer weiteren Schule und zweier anderer Gebäude anzubringen. Außerdem überreichten sie einer Deutschklasse an einer weiterführenden Schule gespendete Unterrichtsmaterialien. Organisiert wurde das Projekt vom CLV und dem neu gegründeten Grafinger "Verein für internationale Jugendbegegnung". Nachdem bisher immer nur französische Jugendliche an den Hilfsprojekten beteiligt waren, war das Projekt dieses Jahr erstmals ein deutsch-französisches.

Julia Graboschs Aufgabe bestand darin, das Projekt von Frankreich aus zu koordinieren. Sie kümmerte sich um die Kommunikation zwischen den deutschen und französischen Teilnehmern, bereitete alle Unterlagen für die Visa vor und vereinbarte Impftermine. Außerdem war es ihre Aufgabe, die Eltern der Jugendgruppen darüber auf dem Laufenden zu halten, was sich in Marom, einem rund drei- bis fünftausend Menschen großen Dorf, ereignete und was die Jugendlichen außer den Bauarbeiten sonst noch so erlebten.

Ihren Traum, eine Zeit lang im Ausland zu leben, konnte Julia Grabosch so schon verwirklichen, noch bevor sie einen deutsch-französischen Masterstudiengang in internationaler Wirtschaft beginnt, bei dem sie die Hälfte der Zeit in Frankreich studieren wird. Im Moment bewirbt sie sich für mehrere Masterstudiengänge, für die sie auch Vorstellungsgespräche an den Universitäten haben wird, wenn ihr Freiwilligendienst Mitte Juni schließlich vorbei ist.

Das Hilfsprojekt in Kamerun war nicht die erste deutsch-französische Zusammenarbeit des Vereins CLV. Bereits seit mehreren Jahren organisiert der Verein jedes Jahr ein trinationales Ferienlager, das abwechselnd in Frankreich, Deutschland und Rumänien stattfindet. Dieses Jahr ist wieder Deutschland an der Reihe. Die Jugendlichen aus Frankreich, Rumänien und der Grafinger Region werden sich Anfang August in Grafing treffen und anschließend zusammen raften gehen, am Chiemsee zelten und Spieleabende machen. Dieses Ferienlager kann Julia absolut empfehlen: "Ich bin das erste Mal vor vier Jahren nach Frankreich gekommen. Das war in einem solchen Ferienlager, das damals in der Nähe von Saint Marcellin stattfand. Es war eine super Möglichkeit, das Land etwas kennenzulernen und Französisch zu sprechen", erinnert sie sich immer noch begeistert. Wenn man so will, wurde bei dem damaligen Ferienlager der Grundstein für den jetzigen Freiwilligendienst von Julia Grabosch gelegt.

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