Vernissage an diesem Donnerstag:Vom Zauberwort getroffen

Der Anzinger Künstler Siegfried Horst lädt ein zum Dialog mit dem, was uns umgibt

Von Franziska Langhammer, Anzing

Seit vielen Jahren schläft im Garten von Siegfried Horst der Kopf eines jungen Mannes. Die Augen hat er zwar geöffnet, doch der Jüngling aus Stein schläft "nach innen", sagt Horst. Der junge Mann hat sein Haupt auf einen großen, mit rötlichem Moos überwachsenen Jura-Stein gebettet, den Siegfried Horst vor mehr als 30 Jahren beim Bau seines Hauses ins Grün drapierte. Er ist das Geschenk einer befreundeten Künstlerin, die einige der selbst gefertigten Steinköpfe bei der Familie Horst ließ, bevor sie nach Italien ging.

Dieses Nebeneinander von menschlichem Antlitz und wuchernder Natur hat sich mit der Zeit zu einem pittoresk-verträumten Stillleben verwachsen und den Anzinger Künstler zu seiner aktuellen Ausstellung inspiriert, die er unter dem Titel "Schläft ein Lied in allen Dingen" im Rathaus Anzing präsentiert. Eröffnet wird sie an diesem Donnerstag, 17. Mai, um 19 Uhr. Wie ein roter Faden führt das Bonmot des romantischen Dichters Joseph von Eichendorff durch die Schau der 24 Bilder.

Vernissage an diesem Donnerstag: Er hat aus der Not, seiner Unbeweglichkeit, eine Tugend gemacht. In der Ausstellung "Schläft ein Lied in allen Dingen" präsentiert Siegfried Horst seine Werke.

Er hat aus der Not, seiner Unbeweglichkeit, eine Tugend gemacht. In der Ausstellung "Schläft ein Lied in allen Dingen" präsentiert Siegfried Horst seine Werke.

(Foto: Christian Endt)

Denn weiterhin ausschlaggebend für die Wahl der Bildmotive war ein anderer Umstand: Wegen einer schweren Erkrankung war Siegfried Horst im vergangenen Jahr mehrere Monate zu Hause. Zeit genug, um von seinem Wohnzimmerstuhl aus das näher in Augenschein zu nehmen, was den Maler seit Jahren umgibt: Skulpturen, Vasen, Krüge, Kunstfiguren. "Persönliche Gegenstände, die ich im Laufe des Lebens bekommen habe", erzählt Horst, "manches schmeißt man weg, manche Dinge bleiben". Auf seinen Aquarellen verbindet er verschiedenste Motive, die wie durch Zauberhand schließlich ein stimmiges Ganzes ergeben. Der Künstler selbst beschreibt sein Vorgehen so: "Ich nehme mir einen Gegenstand vor und schaue, was daraus wird."

Und so hat auf einem Gemälde eine üppige Frauenfigur mit roten Haaren Platz genommen, um eine Zimmerpflanze genauer zu betrachten. Außerdem gesellt sich ein hartnäckig nach unten blickender Vogel zu ihr, der mit seinem Schnabel scheinbar im nächsten Moment in den Blumentopf einhacken will. "Diese Dame werden wir auf meinen Bildern noch öfter sehen", sagt Horst. In Natura ist sie eine Gipsfigur ganz in Weiß, die er schon seit längerem besitzt. Auch der Vogel trägt eine persönliche Note: Er stammt von einer befreundeten Künstlerin aus Erlangen, mit der Siegfried Horst vor einigen Jahren gemeinsam eine Ausstellung bestritten hat. Wie zufällig wirken die drei Gegenstände zusammen gesetzt, und doch scheinen sie auf dem Bild eine unsichtbare Verbindung einzugehen, gesponnen durch Blicke, Gesten, Nebensächlichkeiten.

Vernissage an diesem Donnerstag: Siegfried Horst komponierte aus persönlichen Dingen, die ihn seit Jahren umgeben, neue Bilder.

Siegfried Horst komponierte aus persönlichen Dingen, die ihn seit Jahren umgeben, neue Bilder.

(Foto: Christian Endt)

Auch der Vogel darf sich über ein Wiedersehen in weiteren Werken freuen: Ein Bild zeigt ihn, in schnellen Strichen gezeichnet einer Illustration gleich, auf Kuschelkurs mit einem glatzköpfigen Mann. Liebevoll neigt das Federvieh seinen Kopf an den Dreitagebart des Herrn, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Künstler nicht verleugnen kann. Siegfried Horst gibt schmunzelnd zu: "Immer wenn ich anfange, ein männliches Gesicht zu zeichnen, sieht es mir ähnlich."

Etwas aus dem Rahmen fallen vier Blumenbilder, in denen Horst sich unter anderem mit Sonnenblumen beschäftigt. Diese Pflanze, so Horst, möge er besonders: Als er 17 war, nahmen Freunde ihn mit zum Unterricht eines Lehrers, der ihnen elementares Zeichnen beibrachte. In diesem Kurs fertigte Siegfried Horst via Kratztechnik und Wachsmalkreiden das Bild einer Sonnenblume. Der Hintergrund sei schwarz gewesen; umso intensiver leuchteten das Gelb und das Tiefbraun der Blumen aus dem Bild heraus, so der Künstler. "Das schien mir damals gelungen", sagt er. Dieser Kurs hatte auch den Impuls gegeben, dass Horst nach seiner Schriftsetzerlehre in Tübingen Anfang der 60er nach Kassel ging. Von 1962 bis 1967 besuchte er dort die Hochschule für Bildende Künste; später wurde er Assistent des renommierten Malers und Documenta-Begründers Arnold Bode. Nach vielen Jahren Tätigkeit in Verlagen und Werbeagenturen machte sich Horst schließlich selbständig: Seit 2000 arbeitet er als freiberuflicher Maler in seinem Atelier in Anzing.

Alle Dinge, so Horsts Fazit über die ausgestellten Bilder, die er alle im vergangenen Halbjahr angefertigt hat, warten darauf, dass ihr Gegenüber sich mit ihnen verbindet, sich in sie versenkt. Denn so unbelebt ein Gegenstand auch auf den ersten Blick wirken mag - er bietet mit seiner Verschwiegenheit auch immer die Möglichkeit für ein stummes Zwiegespräch.

Die Vernissage zur Ausstellung "Schläft ein Lied in allen Dingen" von Siegfried Horst findet statt an diesem Donnerstag, 17. Mai, um 19 Uhr im Rathaus Anzing. Zu sehen ist die Bilderschau zu den Öffnungszeiten der Verwaltung - montags bis freitags von 8 bis 12 Uhr, donnerstags von 14 bis 18 Uhr - oder nach Anmeldung unter (08121) 67 69

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