Vernissage am Freitag:Moderne Mythen

Vernissage am Freitag: Natur und Technik bringt die Ebersberger Künstlerin Silvia Di Natale in ihrer neuen Schau zusammen.

Natur und Technik bringt die Ebersberger Künstlerin Silvia Di Natale in ihrer neuen Schau zusammen.

(Foto: Christian Endt)

Bildhauerin Silvia Di Natale setzt sich mit der Sprachlosigkeit des digitalen Zeitalters auseinander

Von Franziska Langhammer, Ebersberg

Auf Amor war schon einmal mehr Verlass. War der römische Liebesgott mit seinem Pfeil früher noch ein Garant dafür, zwei Menschen in Liebe zueinander entbrennen zu lassen, fläzt er sich heute selbstgefällig auf seinem Podest und präsentiert ungeniert sein bestes Stück. Statt der Verbindung zweier Menschen hat der jungenhafte Amor jetzt etwas anderes in den Fokus genommen - sich selbst nämlich: Mit seinem Handy macht er ein Selfie nach dem anderen. Seine eigentliche Mission scheint er in Selbstverliebtheit schwelgend komplett vergessen zu haben.

Grotesk, entlarvend, witzig ist die Ausstellung der Bildhauerin Silvia Di Natale, die von Freitag an im Rathaus Ebersberg zu sehen ist. Unter dem Titel "Worte in Holz" präsentiert die Egglburgerin unter anderem zwölf Holzskulpturen, die sowohl als zusammenhängende Installation wie auch als Einzelstücke zu lesen sind. Mit dem Titel nimmt Di Natale Bezug auf das Jahr 1999, als sie schon einmal eine Werksschau unter diesem Namen zeigte. Damals kamen unzählige Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland - und aus den Medien seien entmenschlichte Begriffe wie "kollaterale Schäden", "ethnische Säuberung" oder "menschliche Schutzschilde" nur so geprasselt.

Die "Worte in Holz" haben ihren Weg ins Jetzt, wie sollte es anders sein, durch das Handy gefunden: Wie an jeder Bushaltestelle, in jeder U-Bahn und eigentlich allen Orten des öffentlichen Lebens zu beobachten, ist das Smartphone auch in Di Natales Skulpturen omnipräsent. So ist der heutige "Baum der Erkenntnis" auf seine Weise archetypisch dargestellt: Er schimmert und glitzert, und von seinen Zweigen baumeln ausrangierte Handys. Auch die Urmutter Eva kann das Tippen nicht lassen; sie und ihre Schwester sind in die Betrachtung ihrer mobilen Endgeräte vertieft. "Unsere modernen Evas sehen wie Sternchen in Cannes aus", sagt Di Natale.

Ein besonderer Reiz der Ausstellung liegt in der symbiotischen Verquickung scheinbar konträrer Elemente: Einerseits verwendet die Bildhauerin mit Holz das Naturmaterial schlechthin und wildert gekonnt in griechischen Mythen und jahrhundertealter Ikonografie; anderseits schlägt sie in jeder einzelnen Skulptur die Brücke zur Gegenwart, nicht zuletzt durch das farblich hervorgehobene Kommunikations-Accessoire.

Obwohl man sich bei der Betrachtung des ein oder anderen Kunstwerks ertappt fühlen wird, ist die Ausstellung nicht als erhobener Zeigefinger zu verstehen. Di Natale, promovierte Philosophin und seit Ende der 80er als Künstlerin und Bildhauerin tätig, stellt vielmehr einen Ist-Zustand dar, augenzwinkernd und bisweilen nachdenklich stimmend. So setzt sich etwa die Skulptur "No country for old men" mit der älteren Generation auseinander: Ein Ehepaar bestaunt etwas ratlos ein Smartphone. "Diese beiden alten Menschen sind sehr perplex", sagt Di Natale, "sie verstehen das Gerät nicht so ganz und sind somit abgehängt von der Welt." Auch die Prognose für andere Beziehungen sieht im Zeichen des Handys nicht gerade rosig aus. Das Kunstwerk "Geteilte Aufmerksamkeit" zeigt ein Paar, das zwar nebeneinander steht; der männliche Part jedoch lacht statt seiner Partnerin sein Handy an. Sei es aus Gleichgültigkeit, sei es aus Enttäuschung - die Frau selbst hat ihr Handy sinken lassen und schaut stoisch in die Ferne.

Doch trotz der offensichtlichen Sprachlosigkeit in Zeiten des Smartphones verweigert Di Natale dem Besucher nicht die Aussicht auf Rettung. Die schöne Zenobia etwa, die sagenhafte Königin von Palmyra, seit jeher Symbol für weibliche Anmut und Intelligenz, hat kein Handy. Vielmehr: Sie hat gar keine Hände. Sie ist frei, unabhängig, und ihre Verbindung mit der Welt ist eine gänzlich irdene. Der Rundgang endet schließlich mit einer imposanten Skulptur, die zwei Menschen in inniger Umarmung zeigt: Auch diese Liebenden haben kein Telefon, sie begegnen sich in gegenseitigem Vertrauen. Oder, um es mit Di Natales Worten zu sagen: "Liebe braucht kein Handy."

"Worte in Holz": Ausstellung von Silvia Di Natale im Rathaus Ebersberg, Vernissage am Freitag, 16. März, um 19 Uhr, zu sehen bis 15. April

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