Verkehr:Wie die Umgehungsstraße Forstinning verhindert werden könnte

Forstinning Protest gegen Ortsumfahrung.; Forstinning Demo

Eine Bürgerinitiative fordert, dass der Ebersberger Forst unangetastet bleibt. Ob die Argumente reichen, um den Bau der geplanten Umgehungsstraße in Forstinning zu verhindern, ist jedoch fraglich.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Mit der Umfahrung Schwaberwegen könnte in Forstinning eine 30 Jahre alte Debatte enden. Die Chancen, das Projekt noch zu verhindern, sind zwar gering. Und doch gibt es Möglichkeiten.

Analyse von Korbinian Eisenberger, Forstinning

Die Demo am Samstag ließ tief blicken, warum die Gemeinde Forstinning beim Thema Umgehungsstraße entzweit ist. Warum die einen die Trasse als Angriff auf ihren Lebensraum sehen. Und warum den Anwohnern der viel befahrenen Hauptstraße die Umfahrung nicht schnell genug kommen kann.

Auf dem Waldweg am Ortseingang von Forstinning entlud sich vieles von dem, was sich über Jahre angestaut hat. Mittendrin stand SPD-Gemeinderat Karl Segerer, einer der dienstältesten Forstinninger Kommunalpolitiker. Der 72-Jährige kennt die Debatte, seit es sie gibt, er gab sich Mühe, die Fragen der Leute zu beantworten. Und doch blieb vieles offen an diesem Nachmittag. Etwa, welche Chancen das Unterfangen der Gegner hat, die Trasse in dieser Form zu verhindern. Oder - sieht man es von der anderen Seite - wie lange das Verkehrschaos im Ort noch andauert.

Um Rückschlüsse zu bekommen, hilft ein Blick in die Archive. Und eine Nachfrage bei der Regierung von Oberbayern, wo die Entscheidung fällt, ob eine Umgehung wie die in Forstinning kommt oder nicht: Von dort heißt es, dass in Oberbayern keine Fälle bekannt seien, wo staatliche Ortsumfahrungen in diesem Stadium noch verhindert wurden. In München wurde zwar vor einigen Jahren der Antrag auf Planfeststellung für die Verlängerung einer Staatsstraße zur A 95 von der Regierung von Oberbayern abgelehnt. Damals handelte es sich aber - anders als in Forstinning - um ein rein kommunales Projekt.

Und doch gibt es auch jetzt noch Möglichkeiten, das umstrittene Vorhaben in Forstinning zu beeinflussen, zu verzögern oder zu verhindern. Derzeit bereitet das vom Freistaat beauftragte Staatliche Bauamt Rosenheim das sogenannte Planfeststellungsverfahren (PFV, siehe Kasten) vor. Während des Verfahrens können die Beteiligten, darunter auch Bürgerinitiativen wie die von Demo-Organisator Ludwig Seebauer, ihre Einwände vorbringen.

Früher sperrten Buben die Straße und verlangten von jedem Autofahrer ein Zehnerl

Was man ausrichten kann, zeigt die umstrittenen Umgehungsstraße im nahe gelegenen Grafing. Die konnte von ihren Gegnern zwar nicht verhindert werden. Allerdings musste das Rosenheimer Bauamt dort während des PFV Änderungen vornehmen. So mussten etwa an mehreren Stellen die Geh- und Radwege verbreitert oder verlängert werden. "Zudem mussten wir Lärmschutzwände und die Höhenlage der Straße optimieren", sagt Bauplaner Bernhard Bauer, der auch in Forstinning wieder die Planung der Umgehungsstraße leitet.

Vom Vorentwurf bis zur Klage

Bei Straßenbauprojekten des Freistaats Bayern erstellt ein staatliches Bauamt den Vorentwurf. So auch bei der geplanten Umgehung für Forstinning, wo eine Rosenheimer Behörde beauftragt wurde - ihrem Vorentwurf stimmte der Forstinninger Gemeinderat im Herbst 2016 zu. Seither bereitet das Rosenheimer Bauamt Unterlagen für den nächsten Planungsschritt vor: das Planfeststellungsverfahren (PFV). In diesem - meist etwa einjährigen - Verfahren können Beteiligte, etwa Gemeinde, Bevölkerung oder Baubehörde ihre Sicht einbringen. So kann die staatliche Baubehörde, wie etwa bei der Grafinger Umgehung geschehen, zu Nachbesserungen verpflichtet werden. Wenn das Vorhaben "gegen zwingendes Recht" verstößt, wäre dies sogar ein Grund, die Planungen einzustellen oder umzuschmeißen, wie die Regierung von Oberbayern mitteilt. Gemeint seien damit etwa "erhebliche Beeinträchtigungen" von geschützten Tieren und Pflanzen in sogenannten "Fauna-Flora-Habitat-Gebieten". Die Entscheidung, ob ein PFV (möglicherweise wie in Grafing nach mehreren Nachbesserungen) genehmigt wird oder nicht, trifft die Regierung von Oberbayern. Von dort heißt es, dass man sich an keinen Fall erinnert, wo ein Projekt zu diesem Zeitpunkt gänzlich verhindert wurde. In Forstinning, so teilt das Rosenheimer Bauamt mit, soll das Planfeststellungsverfahren noch dieses Jahr eingeleitet werden, theoretisch könnte es dann 2018 abgeschlossen werden. Der Baubeginn verzögert sich aber oft noch, weil in drei Viertel aller Fälle Klage erhoben wird, so die Regierung von Oberbayern, etwa von Einzelpersonen oder Initiativen. koei

Warum das alles, wo die Staatsstraße 2080 durch Forstinning doch vor 50 Jahren noch ein kleines Straßerl war? Alteingesessene Forstinninger erzählen sich, wie Lausbuben die Straße noch mit einer Schranke absperrten und von jedem Autofahrer ein Zehnerl für die Durchfahrt verlangten. Gemeinderat Segerer, der 1973 in den Ort zog, kennt solche Geschichten noch. "Damals fuhren am Tag nur 3000 Autos durch Forstinning", sagt er. Heute sind es zwischen 12 000 und 16 000 am Tag, Tendenz zunehmend, so geht es aus Statistiken des Rosenheimer Bauamts hervor.

Forderungen nach einer Umgehung wurden mit der Zunahme des Verkehrs in den Siebzigern laut und verstärkten sich durch die Erschließung des Gewerbegebiets Nord in Ebersberg, den Bau der A 94 und schließlich, 1992, mit der Eröffnung des Erdinger Flughafens. Forstinning wurde so zum Knotenpunkt einer Nord-Süd-Verbindung für Pendler und Flughafengäste. Wer an der Hauptstraße wohnte, für den wurde es dadurch immer lauter und gefährlicher. Vor zwei Jahren kam es sogar zu einem Todesfall, als ein Einheimischer vom Sog eines Lasters erfasst wurde und an den Folgen des Unfalls starb.

Ähnliche Diskussionen wie in Forstinning gab und gibt es in Grafing, Ebersberg und Kirchseeon. Auch dort wird wegen Verkehr und Umgehungen gestritten, auch dort sind die Entwicklungen der vergangenen 30 Jahre zu spüren. Für Ludwig Seebauer, den Sprecher der Forstinninger Umfahrungs-Gegner, sind all dies Hinweise darauf, "dass nie ein Gesamtverkehrs-Konzept für den Landkreis Ebersberg" entwickelt wurde. Dafür müssten Kreispolitiker "in einen Dialog" treten, so Seebauer. Genau das forderte unlängst Ebersbergs Zweiter Bürgermeister Toni Ried (FW). Er wünscht sich, "dass sich alle Gemeinden an einen Tisch setzen und konstruktiv nach einer Lösung suchen".

Anzeichen für so eine Gesamtlösung gibt es bis dato nicht. Seebauer hofft, dass die Bedenken seiner Initiative ausreichen, damit der Ebersberger Forst unangetastet bleibt. Protestschilder der Initiative zeigen die seltene Bechstein-Fledermaus und einen Schwarzspecht. Sollte das Planfeststellungsverfahren bei der Regierung von Oberbayern durchgehen, bleibt Seebauer und seinen Mitstreitern noch eine Möglichkeit: In drei Viertel aller vergleichbaren Fälle werde geklagt, heißt es von der Regierung von Oberbayern. In der "jüngeren Vergangenheit" seien jedoch alle Klagen gescheitert.

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