Verhandlung am Amtsgericht:Schlägerei um Nacktfoto

Wegen einer Dreiecksgeschichte und einer Racheaktion auf Facebook prügeln sich fünf junge Frauen in Grafing-Bahnhof

Von Antonia Heil, Ebersberg

Bei Schlägerei, da denkt man an Typen wie den riesigen starken Obelix, der sich wegen fauler Fische kloppt. Eher weniger Leute denken da an Grafing, und schon gar nicht an eher kleine junge Frauen. Doch mehrere von ihnen aus dem Raum München prügelten sich vor einem Jahr an der Station Grafing-Bahnhof. Anlass war ein Nacktbild auf Facebook. Das klingt recht harmlos, nur nach Watschen, Haarereißen und Beschimpfen - ein Messer im Spiel verschärfte die Lage jedoch immens. Beim Prozess vor dem Amtsgericht Ebersberg gab es fünf Angeklagte, von denen eine nicht erschien. Zwei der übrigen waren Schwestern. Dazu kamen noch vier Zeuginnen. Weil sie so jung waren, sprach das Gericht die Frauen frei oder verhängte nur Sozialstunden.

Richter Dieter Kaltbeitzer ließ die 17- bis 20-Jährigen den Tathergang und die weiteren Umstände schildern. Alles begann damit, dass die ältere der beiden Schwestern ein Verhältnis mit dem Freund einer anderen Angeklagten hatte, die gerade schwanger war. Alle Angeklagten kannten sich. Die Schwester schickte einer Freundin ein Nacktfoto von sich, auf dem auch der Freund der Schwangeren abgebildet war. Die Freundin leitete es an diese weiter. Die schwangere Münchnerin war über das Foto so erzürnt, dass sie es samt Beleidigungen und Drohungen auf Facebook postete.

Eine geplante Aussprache wird zum wilden Handgemenge

Am 29. August vergangenen Jahres wollten sich die Schwestern mit der Freundin treffen, die das Bild weitergeleitet hatte. "Wir wollten darüber reden", so die ältere. Die Schwangere bekam Wind davon und schloss sich an, vorgeblich, um sich ebenfalls mit der älteren Schwester auszusprechen. Alle drei brachten weitere Freundinnen mit. Treffpunkt war die S-Bahnstation Grafing-Bahnhof. Man rückte mit zwei Autos an. Zunächst trafen sich die beiden Schwestern mit der Freundin wie abgesprochen. Die restlichen Teenager warteten in einem der Autos, darunter die Schwangere. Die Schwestern wussten nicht, dass sie noch kommen würden. Als sie es dann taten eskalierte der Streit, die Frauen beschimpften einander, schlugen sich und gingen zu Boden. Sie zogen sich dabei auch an den Haaren. Deshalb lagen schnell die Extensions der jüngeren Schwester überall verteilt. Die vierte Angeklagte warf sich schützend über die am Boden liegende Schwangere und fing so einige Tritte ab.

Die Angeklagte, die nicht zum Prozess erschienen war, hatte ein Messer und hielt es der jüngeren Schwester an die Kehle. Während eine weitere Zeugin die Kontrahentinnen trennte, rannte die ältere zum Wagen, verbarrikadierte sich und rief die Polizei. Die Schwangere sah ihre Chance auf Rache gekommen - so legten es zumindest die Verteidiger der Schwestern aus - und schlug so lange auf das verschlossene Auto ein, bis die Insassin eine Tür öffnete. Die Schwangere wollte sie watschen, traf aber nicht. Dafür verpasste die andere ihr aber einen Tritt in den Bauch. Oder war das Bein vorher schon ausgestreckt, als Abwehrreflex, und die Schwangere lief nur hinein? Diesbezüglich stand Aussage gegen Aussage. Jedenfalls zog die jüngere Schwester sie an den Haaren vom offenen Auto weg zu Boden. Die ältere rief ihr noch zu: "Pass auf, das Baby!", dann ging die Schlägerei schon weiter. Bis auf die Szene mit dem Messer und die am Auto blieb der Tathergang unklar, da sich Zeuginnen und Angeklagte teilweise stark widersprachen. Nach Schätzung einer Zeugin dauerte das Handgemenge rund fünf Minuten, bis der Sicherheitsdienst der Deutschen Bahn und kurz darauf die Polizei kam. Sie nahmen die Verletzungen auf: Eine Gehirnerschütterung, verschiedene Prellungen und viele blaue Flecke und Kratzer.

Die Beteiligten sind sehr jung - und fast alle sind vorbestraft

Richter und Staatsanwältin brauchten etwas, um einen gewissen Überblick zu gewinnen. Dies wollten die Verteidiger der Schwestern ausnutzen und plädierten auf Freispruch. Ganz kamen sie damit aber nicht durch. Fast alle Angeklagten waren vorbestraft, mit Diebstahlsdelikten oder Körperverletzungen. Sie sind sämtlich jünger als 21 Jahre und deshalb nach Jugend- beziehungsweise Heranwachsendenstrafrecht zu verurteilen. In solchen Fällen stellt ein Mitarbeiter des Jugendamtes die persönliche Reife in Anbetracht des Umfelds und des Bildungsweges fest. So auch hier: Die Jugendlichen haben alle einen Hauptschulabschluss gemacht und dann Lehren begonnen, die sie zum Teil wieder abgebrochen hatten. Familiär und auch finanziell ist überall die Lage nicht gerade rosig. Deswegen brummte Richter Kaltbeitzer den Schuldigen die Prozesskosten nicht auf. Er bezeichnete er das Verhalten der Angeklagten als sehr jugendhaft und mied das Wort unreif.

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