Vaterstettener Bürgermeister:Der Schorsch und sein Schlupfloch

Lesezeit: 2 min

Ein Schlawiner, der gar keiner ist? "Es war nicht meine Absicht, zu tricksen", sagt Vaterstettens Bürgermeister Georg Reitsberger. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der versuchte Alleingang von Georg Reitsberger bei der Weißenfelder Umfahrung zeigt, dass ein Bürgermeister sich zwar an Gemeinderats­beschlüsse halten muss. Mit etwas Geschick kann er aber die Umsetzung hinauszögern.

Von Korbinian Eisenberger, Vaterstetten

Kann ein Bürgermeister seinen Gemeinderat aushebeln? Diese Frage stellte sich, als Vaterstettens Rathauschef Georg Reitsberger (Freie Wähler) Ende vergangener Woche den Planungsstopp für eine Umgehungsstraße im Ort anordnete - im Alleingang, ohne Zustimmung seines Gemeinderats. Darf er das so? Aus Erklärungen des Bayerischen Gemeindetags und des Landratsamts Ebersberg geht nun hervor, dass ein Bürgermeister hier durchaus Einfluss hat. Zwar kann er ein Gemeinderatsvotum nicht einfach so aushebeln. Es steht aber in seiner Macht, dass er die Umsetzung hinauszögert.

Offenbar hat Reitsberger hier ein Schlupfloch aufgetan. Es funktioniert, weil der Bürgermeister der Gemeindeverwaltung Anweisungen gibt, in welcher Reihenfolge dort Aufgaben erledigt werden sollen. So kann er die Arbeit an der Planung einer Umgehungsstraße hinter anderen Aufgaben anstellen. "Ein Bürgermeister darf in seiner Verwaltung Prioritäten setzen", erklärt ein Sprecher vom Bayerischen Gemeindetag. Er müsse dabei lediglich die Fristen einhalten, die in den jeweiligen Beschlüssen verankert sind. Da die Beschlussvorlage zur Umgehung in ihrer jetzigen Form aber (wie sonst auch in solchen Fällen üblich) keine genauen Fristen enthält, bewegt sich der Bürgermeister hier offenbar in einer Grauzone.

Im konkreten Fall geht es um eine geplante Umgehungsstraße, die vom Vaterstettener Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit - gegen die Stimme des Bürgermeisters - beschlossen wurde. Die Umfahrung, so hieß es, soll die Vaterstettener Ortsteile Weißenfeld und Parsdorf entlasten. Vergangene Woche dann die Kursänderung Reitsbergers: Bis auf Weiteres werde die Gemeinde weder am laufenden Planfeststellungsverfahren weiterarbeiten noch Grundstücksverhandlungen führen, verkündete er auf der Gemeinderatssitzung unter dem Tagesordnungspunkt "Bekanntgaben", zu dem keine Debatte zulässig ist. Innerhalb der kommenden drei Monate solle stattdessen eine Umgehung mit einem Alternativ-Verlauf geprüft werden.

Die CSU kündigt Gegenwehr am 8. Februar an

Die Frage ist nun, ob Reitsberger tatsächlich damit durchkommt, dass er die Arbeit am Planfeststellungsverfahren für zunächst drei Monate auf Eis legt. CSU-Fraktionssprecher Michael Niebler, der für die Umfahrung stimmte, bezweifelt das und kündigt Gegenwehr in der nächsten Gemeinderatssitzung am 8. Februar an. "Wir werden das dort mit einem weiteren Beschluss klären", sagte er der SZ am Dienstag. Ob tatsächlich die fehlenden Zeitangaben im Planfeststellungsverfahren der Knackpunkt sind? Niebler dazu: "Ich schließe nicht aus, dass da per Beschluss genaue Fristsetzungen kommen." Wenn es eines ist, wäre das Schlupfloch dann sicherlich gestopft.

Einer gegen alle
:Georg Reitsberger startet Alleingang gegen Umfahrung

Der Vaterstettener Bürgermeister setzt sich über seinen Gemeinderat hinweg und stoppt das Verfahren für die Trassen-Pläne.

Von Wieland Bögel

Und Reitsberger? Der erklärt am Dienstagnachmittag auf Nachfrage, dass er das alles ganz anders gemeint habe. "Es war nicht meine Absicht, mich über den Beschluss des Gemeinderats zu erheben oder zu tricksen", sagt er. Die Grauzone, das Schlupfloch, habe er wenn überhaupt unbewusst aufgetan, "an so etwas habe ich gar nicht gedacht". Ihm gehe es vielmehr um die Sache selbst. Reitsberger hatte seine Entscheidung mit Kritik am geplanten Trassenverlauf begründet. Seiner Ansicht nach hat sich die Ausgangslage für die Umgehungsstraße seit dem Beschluss geändert. Als die Entscheidung fiel, war nicht klar, dass die Autobahndirektion die Verknüpfung zwischen A 94 und A 99 verbessern werde. Für Reitsberger macht eine Umgehung, wie sie der Gemeinderat beschloss, deshalb keinen Sinn mehr.

Theoretisch könnte der Bürgermeister den Gemeinderatsbeschluss tatsächlich in Eigeninitiative kippen. Laut Landratsamt müsste Reitsberger dafür einen möglichen Rechtsverstoß in einem Beschluss monieren. Würde er etwa nicht mehr wie bisher von einem "überholten", sondern von einem "rechtswidrigen" Beschluss sprechen, hätte er zwei Möglichkeiten: Er könnte im Gemeinderat ein zweites Mal über die Umgehung und ihren Verlauf abstimmen lassen und auf eine andere Beurteilung hoffen. Und er könnte in die nächsthöhere Distanz gehen und die Sache der Kommunalaufsicht vorlegen - in diesem Fall dem Landratsamt Ebersberg. Folgt die dortige Aufsichtsbehörde der Sicht des Bürgermeisters, kann sie den Gemeinderat überstimmen. Das allerdings ist selten und deshalb sehr unwahrscheinlich.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: