Vaterstetten:Zusammen ist man weniger allein

Vaterstetten: Die neue Hausgemeinschaft 60+ aus Markt Schwaben ist beispielhaft für eine Wohnform im Alter.

Die neue Hausgemeinschaft 60+ aus Markt Schwaben ist beispielhaft für eine Wohnform im Alter.

(Foto: Christian Endt)

Vaterstettener Senioren suchen nach einer Möglichkeit, ein gemeinsames Wohnen zu organisieren

Von Franziska Langhammer, Vaterstetten

Man kann sich das fast gar nicht mehr vorstellen. Mit Anfang 60 ins Altersheim zu ziehen, um dort den Lebensabend zu verbringen, der ja immerhin oft noch 20, 25 Jahre dauert. In den 1980er Jahren aber verkauften viele Senioren kurz nach dem Eintritt ins Rentenalter ihr Eigentumshäuschen und zogen in eine betreute Residenz. Heute stehen älteren Menschen dagegen vielfältige Perspektiven offen, das Wohnen im Alter selbstbestimmt zu gestalten - und viele Senioren sind diesen Möglichkeiten gegenüber aufgeschlossen.

Dementsprechend groß war der Andrang am Donnerstagabend bei einem Vortrag zum Thema "Wohnen in Baldham: Alt und Jung". Auf Einladung des Seniorenbeirats Vaterstetten und im Rahmen der Aktionswoche "Zu Hause daheim" , einer Initiative des Bayerischen Sozialministeriums referierte Brigitte Herkert. Sie arbeitet bei der vom Ministerium geförderten Koordinationsstelle "Wohnen im Alter".

Eins schickte die Diplomgeografin vorweg: Sie habe keine Schablone anzubieten, es gebe nur individuelle Lösungen. Zuallererst stünden Fragen wie: Will ich zuhause wohnen bleiben? Wie gesund bin ich? Immerhin wollen laut einer Bürgerbefragung vom Landkreis Ebersberg in der Gemeinde Vaterstetten 80,6 Prozent der Befragten auch im Alter in ihrem eigenen Haus wohnen bleiben. Oft lohne sich eine Anpassung der derzeitigen Wohnung durch kleine Umbauten; oder die Überlegung, betreutes Wohnen zu Hause einzugehen, wie etwa die Nachbarschaftshilfe Vaterstetten, Zorneding und Grasbrunn es anbietet. Immer mehr im Kommen sind auch so genannte Wohnpartnerschaften: Junge Menschen wohnen gegen Hilfeleistungen bei Älteren.

Wer sich von diesen herkömmlichen Optionen nicht angesprochen fühlt, der findet sich vielleicht in der Idee der gemeinschaftsorientierten Wohnformen wieder. Möglich sind hier Wohngemeinschaften oder ein gemeinsames Haus, in dem jede Partei jedoch ihren Rückzugsort hat und man sich einen Gemeinschaftsraum teilt, der ein "Mehr an Nachbarschaft" darstellen kann. Ein Beispiel in der Region hierfür ist etwa die "Hausgemeinschaft 60+" in Markt Schwaben, ein Wohnhaus mit einer extra Gemeinschaftswohnung für die WG-Mitglieder. In größerem Stil hat dies das Vorzeigeprojekt "Generationenpark Königsbrunn bei Augsburg" umgesetzt, bei dem 57 Familien oder WGs unterschiedlichster Herkunft und Nationalität zusammen leben, sich unter anderem ein Elektroauto und eine Bibliothek teilen und gemeinsam eine integrative Kita betreiben.

Variieren können in solch gemeinschaftlichen Wohnformen auch die Art der Organisation oder die Werteorientierung: Wollen wir uns ökologisch ausrichten oder vielleicht künstlerisch? Hauptziel ist es, der Vereinsamung im Alter vorzubeugen. Das will auch das Staatsministerium unterstützen; bis zu 40 000 Euro pro Projekt können beantragt werden.

Zu den ersten Schritten gehört, eine Kerngruppe an Interessenten herauszubilden, einen gemeinsamen Nenner zu finden und dann nach einer geeigneten Immobilie zu suchen. In Vaterstetten hat sich bereits eine Handvoll Mitglieder des Seniorenbeirats zum Arbeitskreis (AK) "Wohnen im Alter" zusammen geschlossen. Sie können sich vorstellen, in einer gemeinschaftlichen Wohnform alt zu werden, etwa in einem Haus mit Rückzugsraum für jede Partei und möglicherweise einem zusätzlichen Gästeappartement, damit auch die Kinder und Enkel der Bewohner zu Besuch kommen können. Für ihr Vorhaben haben sie schon ein Areal im Auge: das Neubaugebiet Gluckstraße in Baldham. Derzeit steht dort noch unter anderem das marode Schulzentrum, das abgerissen werden soll.

Einige Mitglieder des Arbeitskreises Wohnen im Alter wandten sich an den anwesenden Bürgermeister von Vaterstetten, Georg Reitsberger (Freie Wähler), und die Gemeinderäte mit der Bitte, bei der Planung des Gebiets mitten im Zentrum, das ja der Gemeinde gehört, nicht ihre älteren Bürger zu vergessen. Schließlich ist Vaterstetten die älteste Gemeinde im Landkreis Ebersberg. Bis 2020 sind die Schulen in der Gluckstraße noch in Betrieb, doch die Bauleitplanung für das neu zu erschließende Gebiet ist jetzt schon in vollem Gange. Christina Eppinger, die sich mit ihrem Mann im AK "Wohnen im Alter" engagiert, hofft, dass die politischen Weichen für ihr Projekt bald gestellt werden: "Jetzt sind wir noch fit, um für die Zukunft zu planen." Einen Antrag hat der AK schon eingereicht, nun muss der Gemeinderat entscheiden.

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