Vaterstetten:Zu grün für Kinder

Baufläche Richard-Wagner-Str, Verkehrsübungsplatz

Auf dieser Wiese am Vaterstettener Verkehrsübungsplatz soll bis zum nächsten Frühjahr ein neuer Kindergarten entstehen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Am Vaterstettener Verkehrsübungsplatz soll im kommenden Jahr eine neue Kita als Provisorium entstehen. Zahlreiche Gemeinderäte halten das Areal aber zu wertvoll für eine Bebauung jeglicher Art

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Wer Kindern mit zu viel Grünzeug kommt, löst nicht selten unwilliges Gequengel aus. Auch jenseits des Esstisches bietet die Kombination Kinder und Grün Anlass für Unmutsbezeugungen, wie nun im Vaterstettener Gemeinderat - auch wenn es da nicht um Grünzeug, sondern um einen Grünzug ging.

In einen solchen - eigentlich gedacht als stadtplanerisches und mikroklimatisches Trenngrün - soll ein neuer Kindergarten gebaut werden. Konkret geht es um das gemeindeeigene Grundstück neben dem Verkehrsübungsplatz, wo derzeit noch eine bunte Plastik des Skulpturenweges steht. Spätestens im Mai kommenden Jahres sollen dort dann etwa 70 Kinder spielen, allerdings - und daran entzündete sich die Kritik - eben nicht draußen im Grünen, sondern in einem neu zu bauenden Gebäude.

Dieses sollte eigentlich einmal am Feuerwehrübungsplatz in der Verdistraße entstehen, so beschloss es der Gemeinderat vor zwei Jahren in einer sehr turbulenten Sitzung. Hauptkritikpunkt damals war, dass der Hol- und Bringverkehr in unmittelbarer Nähe der Feuerwehrausfahrt ein Sicherheitsrisiko darstelle. Doch ohnehin hat sich der Standort bis auf weiteres erledigt, dort ist inzwischen eine Containerunterkunft für Flüchtlinge entstanden.

Als Ausweichgrundstück komme daher nur das Areal neben dem Verkehrsübungsplatz in Frage, so nun das Argument der Verwaltung. Den Konflikt mit dem Grünzug will man dadurch entschärfen, dass die in Modulbauweise errichtete Kita mit je zwei Krippen- und zwei Kindergartengruppen ausdrücklich als Provisorium angelegt ist. Wenn auch eines mit langer Laufzeit: Erst in 25 Jahren soll der Grünzug wieder grün sein. Dies begründet die Verwaltung damit, dass, würde das Gebäude eher abgerissen, die Gemeinde Fördergeld verlieren würde. So gibt es bei einer Nutzungsdauer von zehn Jahren 200 000 Euro, bei 25 Jahren immerhin 700 000 Euro. Die Gesamtkosten des zweistöckigen Baus wurden nicht vorgelegt, sie dürften aber wegen der allgemeinen Preissteigerung und der hochwertigeren Ausführung höher liegen als jene des vor zwei Jahren geplanten Kindergartens - damals rechnete man mit knapp zwei Millionen Euro.

Teuer werde das Vorhaben aber auch für die Natur, so die Meinung einiger Gemeinderäte, etwa Jo Neunert (SPD). Er könne der Planung auf keinen Fall zustimmen, das Grundstück sei völlig ungeeignet. Seiner Meinung nach hätte die Verwaltung ein anderes Areal finden können, etwa neben der Realschule. Dagegen stimmen wollte Neunert angesichts der dringend benötigten Betreuungsplätze allerdings auch nicht - weshalb er die kommunalpolitische Variante der Stimmenthaltung in Form der Rathaustoilette wählte.

Ein Kompromissversuch kam von seiner Fraktionskollegin Maria Wirnitzer, sie schlug vor, gleichzeitig mit der neuen Kita endlich den seit mehr als zehn Jahren geplanten Bürgerpark am Friedhof zu erstellen. Dadurch könne man zumindest einen Teil der Folgen des Neubaus ausgleichen. Die CSU-Fraktion konnte dem Vorschlag viel abgewinnen - andere hingegen nicht, zumindest nicht in dieser Kombination. Dem Bürgerpark an sich würde seine Fraktion sofort zustimmen, sagte Axel Weingärtner (Grüne), "aber nicht als Zuckerl für die bittere Medizin". Er sprach sich für einen anderen Standort aus, auch weil der neue Kindergarten schon die vierte Kita in der unmittelbaren Umgebung sei - "dezentral wäre besser". Auch Herbert Uhl (FW) plädierte für eine "Entzerrung" der Kindergartenlandschaft. Er schlug das gemeindliche Grundstück am Umspannwerk als Standort vor. Den Bürgerpark lobte Uhl zwar ausdrücklich, will ihn aber wie Weingärtner nicht als Ausgleichsmaßnahme für einen Neubau im Grünzug verstanden wissen. "Dagegen hilft keine Kosmetik."

Laut Verwaltung ist keiner der ins Gespräch gebrachten Ausweichstandorte wirklich brauchbar. Jener an der Realschule sei bereits für Erweiterungen reserviert, und auch jener am Umspannwerk stehe nicht zur Verfügung, jedenfalls nicht für lange. Die Gemeinde plant, dort in drei Jahren ein Gewerbegebiet zu entwickeln. Bis dahin soll das Areal ans Landratsamt verpachtet werden für eine weitere Flüchtlingsunterkunft. Außerdem sei abzusehen, sagte Cordula Koch (SPD), dass es wegen der Nähe zum Umspannwerk sicher Beschwerden von Eltern geben werde. Sie teile aber die Bedenken gegen den Standort am Verkehrsübungsplatz, so Koch, sowohl was den Eingriff in den Grünzug als auch die Ballung mehrerer Einrichtungen angehe: "Ich hätte mir eine Kita in Baldham gewünscht", aber anderswo sei eben kein Grundstück frei. Auch SPD-Fraktionschef Sepp Mittermeier sagte, ihm wäre ein anderer Standort lieber, "aber den gibt es nicht". Der Platz "ist wirklich nicht das Highlight", sagte Renate Will (FDP), allerdings könnte sie auch keinen besseren nennen. Sie erinnerte an den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, "wenn wir es nicht hinkriegen, wird die Gemeinde verklagt."

Man werde sich bemühen, so platzsparend und kompakt wie möglich zu bauen, ergänzte Bürgermeister Georg Reitsberger (FW), darum habe man das Gebäude auch zweistöckig geplant. Außerdem habe der Standort nicht nur Nachteile: "Ich glaube, dass die Kinder den Grünzug beleben werden." Gegen die Stimmen von Uhl und Peter Reitsberger (FW) und der gesamten Fraktion der Grünen stimmte der Gemeinderat dem Bau des Kindergartens zu. Ebenfalls Teil des Beschlusses ist, dass in den kommenden drei Jahren auf dem derzeit landwirtschaftlich genutzten Grundstück neben dem Friedhof ein Park angelegt wird. Dieser soll auch eine Radweg-Verbindung nach Baldham Dorf bekommen.

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