Prozess:Wildwest in Vaterstetten-Ost

Warum ein Streit zwischen zwei Lastwagenfahrern vorigen März mit einer Messerstecherei endet, daran kann sich keiner mehr erinnern. Nun muss sich einer wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten

Von Andreas Salch, Vaterstetten

Gekannt haben sich die beiden Fernfahrer aus Litauen angeblich nur flüchtig. Und der eine wusste vom anderen nicht viel. Am 28. März vergangenen Jahres, einem Samstag, mussten Sarunas B. und Arnoldas K. an der Autobahnraststätte Vaterstetten-Ost wegen des Wochenendfahrverbots einen Stopp einlegen. Die Zeit vertrieben sie sich vor allem mit Trinken. Kurz vor Mitternacht kam es zum Streit. Sarunas B. ging mit einem Messer auf seinen Landsmann los und stach ihn nieder. Seit diesem Montag muss sich der 40-Jährige wegen versuchten Totschlags vor der Schwurgerichtskammer am Landgericht München II verantworten.

Sarunas B. ist fast zwei Meter groß und wog zur Tatzeit knapp 140 Kilogramm. "Ich bin ruhig", sagte er bei seiner Einlassung vor Gericht von sich mit ausdrucksloser Miene. Es gebe nicht viel, womit man ihn reizen könne. Ansonsten sagte B. nicht mehr viel. Das Wesentliche überließ er stattdessen seiner Verteidigerin, Rechtsanwältin Garina Hamel. Über sie gab Sarunas B. eine Erklärung zu den Vorwürfen aus der Anklage ab. Er streitet die Tat nicht ab, konnte freilich auch keine Details berichten. Er könne sich nur noch an eine Rangelei mit K. erinnern. "Ich glaube, ich habe viel verdrängt", erklärte der 40-Jährige über seine Anwältin.

Am Morgen jenes 28. März letzten Jahres kamen Sarunas B. und Arnoldas K. mit ihren Lkw aus Italien. Nachdem sie ihre Laster auf dem Parkplatz der Autobahnraststätte Vaterstetten-Ost abgestellt hatten, gingen sie einkaufen. Lebensmittel und sehr viel Alkohol. Jeder der beiden besorgte sich zwei Dreiviertelliterflaschen Rum mit einem Alkoholgehalt von fast 40 Prozent. Anschließend ging es zurück zur Raststätte. Dort nahm Sarunas B. einen Ersatzreifen seines Lkw, legte ihn auf den Boden. Eine Palette diente als Tischplatte. Danach wurde bei frühlingshaften Temperaturen gegessen und viel getrunken.

Prozess: Normalerweise verlaufen die Wochenendpausen der LKW-Fahrer an der Vaterstettener Autobahnraststätte friedlich. Nicht so im März vorigen Jahres.

Normalerweise verlaufen die Wochenendpausen der LKW-Fahrer an der Vaterstettener Autobahnraststätte friedlich. Nicht so im März vorigen Jahres.

(Foto: Schmidt)

"Wir hatten ausgemacht, dass wir bis zum Schluss trinken werden", heißt es in der Erklärung von Sarunas B. Soweit kam es aber nicht. "Schluss" war nach der dritten Flasche Rum. Jeder von ihnen habe gleich viel getrunken, berichtete das Opfer Arnoldas K. bei seiner Vernehmung. Warum es zum Streit kam, weiß auch er nicht. "Es ist alles neblig für mich", so der 49-Jährige, der ebenfalls von sich sagte, dass er ein "ruhiger Mensch" sei. "Das behaupten alle von sich", wandte der Vorsitzende Richter Martin Rieder ein. "Was war jetzt da?", hakte er etwas genervt nach, worauf Arnoldas K. seelenruhig erwiderte: "Es war nicht viel." Es sei nur glücklichen Umständen zu verdanken, dass er überhaupt noch hier als Zeuge vernommen werden könne, versuchte Richter Rieder dem 49-Jährigen klar zu machen. Doch der schwieg erst. Und sagte dann: "Ich weiß nicht, was los war."

Als Arnoldas K. kurz vor Mitternacht attackiert wurde, war es kalt geworden. Er trug eine dicke Jacke und einen dicken Pullover. Wahrscheinlich nur deshalb drangen die Messerstiche nicht tiefer als zwei bis drei Zentimeter in seinen Rücken, wodurch das Lungenfell angeritzt wurde. Arnoldas K. sagte, er habe beim Einsteigen in seinen Lkw zwei "Schläge" gespürt. Vermutlich waren dies die Messerstiche. Dann habe er sich schlafen gelegt. Später in der Nacht wurde er wach und spürte "Nässe" am Rücken. Dann sah er, dass er in einer Blutlache lag. Er rappelte sich auf und schleppte sich zur Tankstelle. Er habe dabei das Gefühl gehabt, "als ob aus der Lunge im Rücken Luft austritt". In der Tankstelle brach K. zusammen. Ein Kassierer alarmierte die Polizei. Der Prozess dauert noch an.

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