Vaterstetten:Von göttlichem Atem geküsst

Vaterstetten: Dirigent Matthias Gerstner führt "Jubilate-Chor" und "Barockensemble" zu einer gelungenen Aufführung von Händels "Samson".

Dirigent Matthias Gerstner führt "Jubilate-Chor" und "Barockensemble" zu einer gelungenen Aufführung von Händels "Samson".

(Foto: Christian Endt)

"Jubilate-Chor" führt Händels Oratorium "Samson" in der Baldhamer Kirche Maria Königin auf

Von Peter Kees, Vaterstetten

Samson galt als unbesiegbarer Mann im alten Israel. Man hielt ihn für einen Auserwählten Gottes, der sein Volk vor den Philister retten sollte. Seine geheimnisvolle Kraft soll in seinen langen Haaren gelegen haben. Doch er verliebt sich - und die bestochene Dalila, selbst Philistermädchen, verrät ihn und schneidet ihm im Schlaf die Locken ab. Samson wird gefangen genommen, in Ketten gelegt, man sticht ihm die Augen aus. Allerdings gelingt es dem Blinden, bei einem Fest der Philister, bei dem der Gefangene zur Schau gestellt werden soll, die Säulen eines Tempels niederzureißen. Darunter begraben: die versammelten Philister und Samson selbst.

Diese Geschichte wird im Alten Testament erzählt - ist aber als Drama um einen Selbstmordattentäter hochaktuell. Und sie stellt Fragen, Fragen nach Religionskonflikten. Nach Gewalt sowieso.

Georg Friedrich Händel hat aus diesem Stoff - nach der Lektüre von John Miltons Versdrama "Samson Agonistes", das die Geschichte aufgreift - ein dramatisches Oratorium in drei Akten gemacht, 1743 im Covent Garden Theatre in London uraufgeführt. Die Tragödie ist hier fast eine Oper.

Nun interpretierten der Jubilate-Chor und das Barockensemble Vaterstetten dieses Werk unter der Leitung von Matthias Gerstner in der Baldhamer Kirche Maria Königin. Monika Lichtenegger (Sopran), Rita Kapfhammer (Alt), Manuel Warwitz (Tenor) und Klaus Reiter (Bass) waren dabei die Solisten des Abends.

Hatte man anfangs den Eindruck, Solisten, Chor und Orchester vermischten sich nicht recht zu einem homogenen Ensemble - es klang mitunter zäh, kleinteilig, gelegentlich unsauber, schlicht harmlos, man vermisste die großen Bögen, so gab sich das - nach den Kirchenglocken. Erstaunlicherweise läuteten diese nämlich mitten im Konzert. Ein Rezitativ musste noch zu Ende gesungen werden, doch dann tat Gerstner das einzig Richtige: Er legte eine Pause ein und wartete das Glockengeläute ab. Wie verwandelt ging es weiter: Als ob ein göttlicher Hauch die Musiker geküsst hatte, atmete die Musik auf einmal. Es spannten sich Bögen, die Artikulationen wurden verständlich, ja der Duktus der Musik bekam Kraft. Nun musizierte man miteinander.

Schon in der dem Geläute folgenden Bassarie entstand eine wahrlich zauberhafte Atmosphäre, die sich bis zum Ende der Aufführung hielt. Überhaupt, der Bassist, Klaus Reiter, war die Entdeckung des Abends. Mit wunderschönem Timbre, einer warmen, manchmal fast baritonal klingenden Stimme vermochte er hinreißend zu gestalten. Es war ein Ohrenschmaus, ihm zuzuhören. Auch die übrigen Solisten überzeugten. Mit voluminöser Stimmkraft und auffallend schönen Legatobögen sang die Altistin Rita Kapfhammer. Der Tenor Manuel Warwitz interpretierte nicht nur die Rezitative mit Bravour (manchmal in den Höhen etwas zaghaft). Einzig die eher zarte Stimme der Sopranistin Monika Lichtenegger erweckte zeitweilig den Eindruck, etwas unter Druck zu stehen.

Mit dem überraschenden Wechsel hin zu einer von der Muse geküssten Aufführung überzeugte auch der Jubilate-Chor mit den beeindruckenden Chorsätzen der Israeliten und Philister. Es wird ein ewiges Geheimnis bleiben, wie solche atemberaubenden Aufführungen entstehen. Freilich könnte man ganz sachlich analysieren, zum Beispiel die Tempi. Hatte man zunächst den Eindruck, sie seien schleppend, so legte sich diese Empfindung nach besagter Zäsur. Wollte man den Dirigenten anfangs auffordern, die Affekte der barocken Musik deutlicher herauszuarbeiten, so erübrigte sich dieser Gedanke bald. Es entstand ein harmonisches Spiel zwischen Solisten, Chor und Orchester. Man imitierte musikalische Phrasen, ging aufeinander ein, musizierte akzentuiert, pointiert, schlicht frech im besten Sinne. Selbst die schwierige Akustik der Kirche konnte man dabei fast vergessen. Großes Lob für alle! Ob es nun tatsächlich göttlicher Atem war, der die Aufführung so gelingen lies, bleibt einfach mal dahingestellt.

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