Vaterstetten:Verhinderte Atomdebatte hat Nachspiel

In der Debatte um Isar I nicht zuständig? Das sieht die SPD anders - und wehrt sich gegen die Absetzung ihres Antrages im Gemeinderat.

Lars Brunckhorst

Die SPD im Vaterstettener Gemeinderat will nicht hinnehmen, dass die konservative Mehrheit eine Debatte und Abstimmung über die Laufzeitverlängerung des Atomkraftwerks Isar 1 unterbunden hat. In einer Aufsichtsbeschwerde an das Landratsamt fordert SPD-Fraktionschef Günter Lenz die Behörde auf, den Beschluss zur Nichtbefassung aufzuheben und die Gemeinde anzuweisen, das Thema ein weiteres Mal auf die Tagesordnung zu setzen.

Atomkraftwerke Isar 1

Der Landkreis Freising lehnt eine Laufzeitverlängerung für das Atomkraftwerk Isar I bei Landshut ab

(Foto: dpa)

Die SPD sieht sich durch die Entscheidung von CSU, FDP und Freien Wähler/Bürgerinitiative in ihren Rechten verletzt. Das Initiativrecht zur Antragstellung sei untrennbar verbunden mit dem Recht, den Vorschlag vor dem Gemeinderat "in angemessenem Umfang mündlich zu erläutern", so Fraktionschef Lenz. Dieses Recht diene dem Minderheitenschutz und solle gewährleisten, dass die politischen Vorstellungen auch kleinerer Fraktionen vor den Gemeinderat gebracht werden könnten.

Damit dieses von der Kommunalverfassung garantierte Recht jedoch nicht zu einer "Formalie ohne internen Sinn" werde, dürfe es den Fraktionen nicht verwehrt werden, ihre Vorschläge vor einer Entscheidung zu begründen. Genau dies ist nach Ansicht der SPD aber durch die Absetzung ihres Dringlichkeitsantrags am 16. September von der Tagesordnung geschehen. In ihrer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde verweist die SPD auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, das die Absetzung von Anträgen ohne Aussprache für rechtswidrig erklärt hat.

CSU, FDP und FW/BI hatten vor zwei Wochen mit ihrer Mehrheit im Vaterstettener Gemeinderat eine Befassung mit dem SPD-Antrag zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken abgelehnt. Dadurch sei jegliche Diskussion über den Antrag "abgewürgt" worden, so SPD-Fraktionschef Günter Lenz.

In ihrem Antrag hatte die SPD-Fraktion den Gemeinderat zu einer Resolution gegen die von der Bundesregierung beabsichtigte Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke, insbesondere den Meiler Isar 1 bei Landshut, aufgefordert. Ähnliche Anträge wurden in jüngster Zeit auch in anderen Stadt- und Gemeinderäten gestellt und dort überwiegend auch diskutiert - so zuletzt in Glonn und Zorneding (siehe nebenstehende Berichte).

Die konservative Vaterstettener Rathausmehrheit hatte die Absetzung des Tagesordnungspunktes damit begründet, dass der Gemeinderat nicht zuständig sei. Dem widerspricht die SPD: Laut Kommunalverfassung reiche das Mandat von Gemeindeorganen über den Bereich ihrer Wahrnehmungszuständigkeit hinaus.

Gemeinden dürften sich daher auch mit Angelegenheiten befassen, die ihre eigene Rechtsposition nicht beeinträchtigen, soweit die gemeindlichen Interessen und das Wohl der Gemeindebürger berührt würden. "Dieses Wohl der Gemeindebürger liegt dem Antrag der SPD-Fraktion zugrunde", so Fraktionschef Lenz, der auf das "weit überörtliche Gefährdungspotential" des nur 60 Kilometer Luftlinie entfernten Atomkraftwerks Isar 1 verweist.

Inwieweit das Landratsamt Ebersberg der Beschwerde der Vaterstettener SPD statt gibt, ist offen. Allerdings gibt es Anzeichen, dass die SPD Erfolg haben könnte. Auf eine Anfrage der Stadt Grafing hatte die Kommunalaufsicht jedenfalls Mitte September eine Beratung über die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke für zulässig befunden. Nachdem ein Beschluss des Stadtrats ohnehin nur "Appellcharakter" hätte, würde damit nicht in unzulässiger Weise in Bundes- oder Landesangelegenheiten eingegriffen, so die Behörde.

Soweit solche Appelle zudem die Besorgnis einer Kommune vor einem Störfall zum Ausdruck brächten, könne man - zumal "mit Blick auf eine räumliche Nähe zu dieser Anlage" - eine Betroffenheit "noch bejahen".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: