Vaterstetten:Sphärische Klänge

Vaterstetten: Chorleiterin Béatrice Menz (l.) sowie ihre kleinen und großen Chorsänger und -sängerinnen fiebern der Uraufführung des Weihnachtsoratoriums entgegen.

Chorleiterin Béatrice Menz (l.) sowie ihre kleinen und großen Chorsänger und -sängerinnen fiebern der Uraufführung des Weihnachtsoratoriums entgegen.

(Foto: Christian Endt)

Sänger zwischen neun und 70 Jahren proben ein besonderes Weihnachtsoratorium. Das für sie von Robert Moran komponierte Stück wird am Sonntag in Vaterstetten uraufgeführt

Von FRIEDERIKE HUNKE, Vaterstetten

Es wird viel gekichert im katholischen Pfarrsaal in Vaterstetten. Etwa 20 Mädchen haben sich hier versammelt, albern herum, tuscheln miteinander - und auf einmal ist der Raum erfüllt von einem warmen, sphärischen Klang. Die Kinder und Jugendlichen stimmen einen Satz des eigens für sie komponierten Weihnachtsoratoriums "O Nacht" an. Sobald Chorleiterin Beatrice Menz ein paar Akkorde auf dem Flügel anschlägt und gleichzeitig mit einer Hand dirigiert, konzentrieren sich die meisten der jungen Sängerinnen. Schließlich liegt der große Auftritt nur noch wenige Tage entfernt. Nächsten Sonntag präsentieren die Mädchen ihr Programm in der Pfarrkirche in Vaterstetten.

Dabei bekommen sie Unterstützung von den etwa 60 Mitgliedern des Kirchenchores. Robert Moran, ein US-amerikanischer Komponist, hat "O Nacht" speziell für sie alle geschrieben. "Er hat das letzte halbe Jahr nur damit verbracht", erzählt Menz, die in Vaterstetten neben dem Jugend- und dem Kirchenchor noch zwei Kinderchöre leitet. Nachdem sie die Idee hatte, die Sänger der Gemeinde für ein Projekt zusammenzubringen, reiste der mit ihr befreundete Moran von Philadelphia nach Vaterstetten. Hier hörte er sich Aufnahmen an, um Stimmlagen und Klangfarbe der Sänger kennenzulernen. Anschließend komponierte der 78-Jährige das Stück, das neben den sich ergänzenden Chören eine ungewöhnliche instrumentelle Besetzung von Streichern, Bläsern, Harfe, Percussion und Orgel sowie zwei Opernsänger, Victória Real und Sebastian Schmid, vorsieht. Den Text des Oratoriums, der mit der Zeile "O Nacht! du große Nacht! die heller als der Tag!" beginnt, schrieb Quirinus Kuhlmann im 17. Jahrhundert.

Da es noch keine Aufnahmen von der Komposition gibt, sei es im Vergleich zu Chorsätzen von Mozart oder Beethoven wesentlich anspruchsvoller, die Stimmen einzustudieren, findet Peter Seuß, der seit einem Jahr im Kirchenchor singt. Zumal "O Nacht" kein eingängiges Lied ist, sondern der Prägung des Komponisten entsprechend eher zur zeitgenössischen Musik gezählt werden kann. An manchen Stellen erzeugen die Stimmen einen harmonischen, schwebenden Klang, dann wieder reiben sich die Töne in abwechslungsreichen Rhythmen aneinander. "Es ist eine besondere Leistung für Laienchöre, besonders für Jugendliche, etwas Zeitgenössisches einzustudieren", sagt Beatrice Menz. Trotzdem - und obwohl sie erst seit September daran proben - habe es gut geklappt und Spaß gemacht.

Die neunjährige Vanessa, eine der jüngsten Sängerinnen, kann das bestätigen. Ihr gefalle es gut im Chor, "weil ich hier Freunde habe und man was zu lachen hat", erklärt sie. Dass gerade die jüngeren Kinder sich gut verstehen, ist der Konzentration beim Proben nicht gerade zuträglich. Menz bleibt trotzdem souverän und ermahnt geduldig zur Ruhe. "Die Mädels kichern und zappeln immer viel, aber es ist jetzt auch schon spät für sie", erklärt die studierte Kirchenmusikerin und zeigt sich verständnisvoll. Normalerweise trifft sich der Jugendchor am frühen Abend, aber wegen der gemeinsamen Probe mit den Erwachsenen müssen sie an diesem Mittwoch etwas länger durchhalten.

Im hell erleuchteten Pfarrsaal treffen nun 80 Sänger zwischen neun und 70 Jahren zusammen. Florian Schwendke, dessen Tochter noch ein wenig zu jung für das Projekt ist, beschreibt seine Freude über diese Zusammenarbeit: "Die Kinderstimmen haben einen eigenen Klang: fröhlicher, unverbrauchter, ehrlicher." Tatsächlich ist es der Kontrast, der den Reiz dieser Komposition ausmacht. Die sanften, zarten Mädchenstimmen wirken für sich. Dagegen setzt der Kirchenchor geradezu wuchtig ein, da allein die Zahl der Sänger volltönende Stimmkraft mit sich bringt, sodass eine besondere Dynamik entsteht.

Für das Konzert, bei dem Jugend- und Kirchenchor erstmals gemeinsam auftreten, erhielt Menz die Chorsonderförderung des Kulturreferates München. Das Projekt sei schon aufwändig, sagt die 37-Jährige. Neben den Förderanträgen hat sie zwölf Musiker gebucht, die Komposition in Auftrag gegeben, eine spezielle Orgel ausgeliehen und den Instrumententransport organisiert. Trotzdem sieht sie es wie die 17-jährige Chiara, die es angesichts des nahenden Abiturs manchmal schwer findet, "alles unter einen Hut zu kriegen", und dennoch sagt: "Beim Konzert merkt man, dass es die Arbeit wert war."

Chiara singt unter Leitung von Menz, seit sie sechs Jahre alt ist. Ihr Lieblingslied im aktuellen Programm ist "Look at the world" von John Rutter. Das Stück, das von der Schönheit der Natur erzählt, zeigt, wie vielseitig der Chor ist. Doch auch bei "O Nacht" lassen sich weiche Passagen finden: "An der Stelle muss es richtig Weihnachten werden!", ruft Menz ihren Sängern zu, und das wird es. Der warme, volle Klang der Mädchenstimmen lässt an Engelschöre denken. "O Nacht! die ganz durchsternt der Cherubinenhauf!"

Das Weihnachtsoratorium "O Nacht" wird am Sonntag, 22. November, um 17 Uhr in der katholischen Pfarrkirche "Zum kostbaren Blut Christi" in Vaterstetten uraufgeführt. Außerdem stehen Werke von Bruckner, Rutter und Dupré auf dem Programm. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten. Eine zweite Aufführung findet am Sonntag, 29. November, um 17 Uhr in St. Rupert in München statt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: