Vaterstetten:Schritt für Schritt in die Selbständigkeit

Vaterstetten: Jasper Pieffers erklärt den Besuchern die Arbeit der Sozialen Dienste in den verschiedenen Werkstätten.

Jasper Pieffers erklärt den Besuchern die Arbeit der Sozialen Dienste in den verschiedenen Werkstätten.

(Foto: Mariel Müller)

Die Soziale Dienste Psychiatrie hilft psychisch erkrankten Menschen, Struktur in ihr Leben zu bekommen

Von Mariel Müller, Vaterstetten

Ein Kuchenbuffet empfängt den Besucher, der in den Hof des Hauses an der Dorfstraße in Vaterstetten tritt. Lächelnde Gesichter und offene Türen laden zum näheren Kennenlernen ein. Das Haus an der Dorfstraße ist eine Langzeiteinrichtung für psychisch Kranke. 43 von ihnen wohnen derzeit im Heim, drei jeweils in separaten Wohnungen und wiederum fünf bilden eine therapeutische Wohngemeinschaft. Die Einrichtung der Sozialen Dienste Psychiatrie wurde 1994 ins Leben gerufen und liegt im alten Ortskern Vaterstettens.

Michael Vollmeyr führt die Besucher durch die Räume des Heims. Er ist einer von zwölf Heilpädagogen und Krankenpflegern, die sich im Schichtdienst, 24 Stunden am Tag, um die Bewohner kümmern. Diese leiden an chronischer Schizophrenie, Borderline und anderen psychischen Erkrankungen. Acht von ihnen sind Forensik-Patienten, also jene, die aufgrund ihrer psychischen Krankheit straffällig geworden sind. Es bestehe insgesamt wenig Kontakt zwischen Bewohnern der Dorfstraße und den Ortseinwohnern, einige hätten Vorurteile gegenüber psychisch Kranken, "finden sie komisch und fremd", sagt Vollmeyr. Aber eben diese Vorurteile versuche man gezielt abzubauen - durch den Tag der offenen Tür etwa, Stände auf dem Christkindlmarkt und das Straßenfest in Vaterstetten. "Bei 90 Prozent unserer Bewohner würde man im Alltag überhaupt nicht merken, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden, sie bewegen sich ganz normal und selbstverständlich im Ort, gehen im Supermarkt einkaufen wie alle anderen auch", erzählt Vollmeyr.

Der Rundgang führt die Besucher in ein holzgetäfeltes, uriges und raucherfreundliches Stüberl, sie lernen die Essens-und Aufenthaltsräume kennen und dürfen sogar einen Blick in eines der Bewohnerzimmer werfen: ein Doppelzimmer, aufgeräumt und gemütlich sieht es aus. Die Unterbringung in die derzeit 15 Doppelzimmer sei ein Umstand, "den wir hoffentlich spätestens Anfang 2017 ändern können", sagt Barbara Portenlänger-Braunisch, Geschäftsführerin von Soziale Dienste. Sie seien gerade in Gesprächen mit der Gemeinde, ein Neubau im Nordosten Vaterstettens könnte noch dieses Jahr beschlossen werden. Dort hätten alle Bewohner die Möglichkeit, Einzelzimmer zu beziehen, von denen es derzeit in der Einrichtung gerade einmal 14 Stück gibt.

Ein älterer Herr erzählt, dass er seine Tochter im Heim oft besuche. Sie sei sehr glücklich hier, "so eine gute Einrichtung mit dieser intensiven Betreuung muss man erst einmal finden", erzählt er. Er kenne Bewohner, die nicht mehr aus Vaterstetten wegziehen wollen. Das erklärte Ziel sei es aber, so Michael Vollmeyr, die Bewohner langsam zum eigenständigen Leben zu führen. Im Idealfall bedeutet das: Die Bewohner lernen im vollstationär betreuten Heim die Schritte zur Selbstversorgung, ziehen dann in die therapeutische Wohngemeinschaft und am Ende in die eigene Wohnung, wo ein Betreuer nur ein- bis zweimal pro Woche vorbeischaut, bei Problemen aber jederzeit ansprechbar ist.

Wochenendausflüge nach Südtirol oder in den Bayerischen Wald, Koch- und Computerkurse: Es gibt viele Beschäftigungs- und Freizeitmöglichkeiten für die Bewohner. Im Zentrum des Lebens in der Dorfstraße stehen aber die sogenannten tagesstrukturierenden Maßnahmen. Jasper Pieffers führt durch die geräumigen, hellen Werkstättenräume, in denen täglich in Keramik-, Holz-, Metall- und Papiergruppen gearbeitet wird. Man versuche bei den Bewohnern, "das Bedürfnis zu entwickeln, morgens aufzustehen und etwas Sinnvolles zu tun", so Pieffers. Und das gelingt offenbar auch, wenn man sich die schöne Gartendekoration und das Keramikgeschirr ansieht, die im Nebenraum zum Verkauf stehen.

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