Vaterstetten:Schlagendes Ereignis

Vaterstetten: Quattro per Due: die Serbin Jelena Stojkovic und die Türkin Yudum Cetiner am Flügel sowie die Schlagzeuger Jürgen Spitschka und Manuel Perez Delgado.

Quattro per Due: die Serbin Jelena Stojkovic und die Türkin Yudum Cetiner am Flügel sowie die Schlagzeuger Jürgen Spitschka und Manuel Perez Delgado.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Ensemble "Quattro per Due" ermöglicht in der Kirche Maria Königin ungewöhnliche musikalische Erfahrungen

Von Claus Regnault, Vaterstetten

Das Konzert des Ensembles Quattro Per Due in der guten Akustik der Baldhamer Kirche Maria Königin hatte die Qualität des Ereignishaften. Zwei Pianistinnen, die Serbin Jelena Stojkovic und die Türkin Yudum Cetiner an zwei Flügeln, die Schlagzeuger Jürgen Spitschka und Manuel Perez Delgado an ihren über den breiten Altarraum verteilten Instrumenten lieferten ein Konzert, welches nicht nur in der Ausführung technisch und virtuos makellos geriet, sondern mit seinem Repertoire eine ungewöhnliche Begegnung mit großartiger Musik ermöglichte. Das den mächtigen Raum dieser Kirche nahezu komplett füllende Publikum geriet denn auch immer wieder in Begeisterung, verhielt sich entsprechend dem Motto dieses Quartetts "grenzenlos".

Zwei Erfahrungen wurden vermittelt: Es gibt zeitnah moderne Musik, deren Qualität und Aussagekraft das Publikum erreicht; und es gibt Klangphänomene, die sich außerhalb des üblichen symphonischen Repertoires bewegen, und die dennoch wie dieses bewegend sind. Der Abend begann mit den ungemein farbigen "Variationen für zwei Klaviere und Schlagzeug" des Türken Fazil Say. Was er an Klangfantasie in dieser Komposition zeigt, hat seine Wurzeln nicht nur im klassisch europäischen Bereich, sondern auch in der morgenländischen Folklore, perfekt gelungene Symbiose, die - nebenbei gesagt - Hoffnung auf die derzeit stattfindende Begegnung dieser Welten und ihren Einfluss auf die europäische Kultur weckt.

Nach diesem Klangrausch das schöne Stück "Sternzeit", eine Sonate für zwei Klaviere, die Dorothea Hofmann, inspiriert von den Gedichten der Rose Ausländer komponiert hat.

Der große Maurice Ravel hat seine "Rhapsodie Espagnole" erst für zwei Klaviere, dann für Orchester geschrieben. Die beiden Schlagwerker kombinierten den Pianotext (der natürlich nicht ganz die Farbigkeit der Orchesterfassung vermittelt) mit dem Schlagzeugpart eben dieser Orchesterfassung, vorsichtig angereichert mit zusätzlichen Schlaginstrumenten. Was daraus entstand, ist eine fast neue Komposition, die den überwiegend impressionistisch zarten Tonfall der Orchesterfassung in die überschäumende rhythmische Kraft spanischer Musik transponiert. An diese Stelle ist darüber nachzudenken, welche Rolle das Schlagwerk in der Musik hat. Es ist sozusagen das konsonantische Gerüst in der vokalen Welt von Klang und Gesang, das der Sprache nächste Element von Musik und damit Erbe seines afrikanischen Ursprungs, in welchem das Schlaginstrument zur Vermittlung von Nachrichten und Botschaften über weite Entfernungen diente. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die abendländische Adaption der rhythmischen Vielfalt der afrikanischen Musik in einer Zeit stattfand, in welcher die "Negritude" in Europa entdeckt wurde (Beispiele: Picasso und Milhaud), dies zeitlich parallel zur Entstehung des Jazz.

Schlagzeug zuhauf vermittelte danach die Komposition von Klaus Sebastian Dreher "PercuPianoFourTett" (Uraufführung des Abends), in der zu Pauken, großer Trommel, kleiner Trommel, Vibraphon, Glockenspiel, Becken, Triangel, Waterphon, Chinabecken so ungewöhnliche Instrumente wie das Kinderpiano und Spieluhren vereinigt sind. Darauf folgte Schlagzeug pur im "Trio per Uno a Duo" von Nebosjsa Jovan Zivkoviç, mit welchem die Drummer zeigten, dass sie ganz ohne Klavier auch angenehmen Lärm machen können, gepfeffert allerdings mit präzise geschlagenen rhythmischen Akzenten.

Ins halbwegs Vertraute führte am Schluss die Komposition "Chrorochronos I für zwei Klaviere und Schlagzeug" des Griechen und Wahlmünchners Minas Borboudakis, vertraut deshalb, weil sie unter allen Werken des Abends den deutlichsten Bezug zu Bela Bartók hatte, der mit seiner "Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug" von 1937 das Schlagzeug nicht nur als Akzentgeber, sondern als "Mitsprecher" in die symphonische Musik eingeführt hat.

Bei all diesen geschlagenen Instrumenten war es ein tröstlicher Abschluss, dass Frau Stojkovic als Zugabe ein zärtliches Lied, wohl serbischer Herkunft, mit rührend inniger Naturstimme sang.

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