Vaterstetten:Pokalsieger aus sieben Nationen

Die 26-köpfige Flüchtlings-Mannschaft des SC Baldham-Vaterstetten hat bereits ihren ersten Titel geholt

Von Matthias Reinelt, Vaterstetten

"Thomas, die können alle Deutsch", ruft Dieter Dallheimer Thomas Nock zu, dem Trainer der Flüchtlingsmannschaft, der seine Anweisungen immer wieder auf Englisch gibt - jetzt macht er auf Deutsch weiter. Jeden Dienstagabend treffen sich etwa zwanzig junge Männer aus sieben verschiedenen Ländern zum Training, unter Anleitung von Thomas Nock und Thomas Peter. Zumindest die wichtigsten Fußball-Fachbegriffe verstehen sie auf alle Fälle. Das Besondere am Modell in Vaterstetten ist, dass der Verein einen eigenen Integrationsbeauftragten hat: Dieter Dallheimer. Als er gefragt wurde, ob er neben dem Ehrenamt noch Integrationsbeauftrager sein wolle, habe er sofort zugesagt. "Das war vielleicht etwas leichtsinnig", sagt er. "Ich wusste ja noch nicht, was auf mich zukommt."

SCBV Fussballtraining mit Asylbewerbern

Dieter Dallheimer beobachtet das Training sehr genau.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Professionell aufgezogen hat der SC Baldham-Vaterstetten die sportliche Arbeit mit Flüchtlingen von Anfang an. Im September vergangenen Jahres lud der Verein die gerade ins Flüchtlingsheim an der Verdistraße eingezogenen Neuankömmlinge zu einem Spiel der ersten Herrenmannschaft ein. Dallheimer schlug ein "freies Kicken" vor, die Reaktion von Präsident Helmut Lämmermeier: "Wenn wir etwas machen, dann richtig!" In Abstimmung mit dem Helferkreis wurde ein Trainingsprogramm entwickelt. Der Sport sei auch eine Art "Krisenbewältigung auf dem Fußballplatz" sagt Dallheimer. "Die Jungs machen das toll", sagt Trainer Thomas Peter. "Sie wollen am liebsten zwei- oder dreimal in der Woche trainieren, sich mit anderen Mannschaften messen." Die Gelegenheit dazu hatte das Team im Juli beim Münchner Nationen-Cup, sie gewannen das Turnier. Für Peter ist es "eine Herzenssache", ihm sind Herkunft oder Hautfarbe egal, "der Fußball verbindet". Er empfindet Dankbarkeit, in Deutschland leben zu können. "Darüber können wir alle froh sein", sagt er. Die Flüchtlinge sollen spüren, "dass sie dazugehören", so der Trainer.

SCBV Fussballtraining mit Asylbewerbern

Jeden Dienstagabend treffen sich etwa zwanzig junge Männer aus sieben verschiedenen Ländern zum Training.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Organisiert wird die sportliche Integrationsarbeit im Rahmen des Projektes "Willkommen in Vaterstetten". Das hat zum Ziel, die "in der Gemeinde ankommenden Flüchtlinge in das gesellschaftliche Leben, in den Sport und in die Arbeit zu integrieren". Beispielsweise bekommen die Sportler Trainingskleidung, Fußballschuhe, können wöchentlich Sport machen, dafür sollen sie bei Turnieren und Festen beim Aufbau und der Bewirtung helfen. "Ein Geben und Nehmen", sagt Dallheimer. Die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher nominierte das Vereinsprojekt gar für den Preis "Lebendige Stadt".

SCBV Fussballtraining mit Asylbewerbern

Für die Taktikanalyse sind Thomas Peter (oben, 3. v. links) und Thomas Nock (schwarzer Anzug) zuständig.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Gesucht werden Projekte, die maßgeblich dazu beitragen, Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur über sportliche Aktivitäten zusammenzuführen. "Es geht um Integration, aber auch den hier lebenden Bürgern die Welt der Flüchtlinge näher zu bringen", sagt Dallheimer. "Jeder hat ein bestimmtes Bild von einem Fremden", so der 76-Jährige. Vorurteile gebe es immer wieder, überall. Wenn man allerdings von Beginn an mit den Fremden, den Flüchtlingen, in Kontakt steht und sich traut, offen aufeinander zuzugehen, dann ist das "eine ganz andere Geschichte". Natürlich gehe es auf lange Sicht um die Integration der Flüchtlinge in Deutschland, aber "zuallererst müssen sie untereinander auskommen", so Dallheimer. Die mittlerweile 26 Fußballer kommen aus insgesamt sieben Nationen, selbstverständlich gebe es da immer mal wieder Querelen oder auch Hitzköpfe, die sich in die Haare kriegen, beispielsweise bei einem etwas härterem Foul, so wie bei jeder anderen Fußballmannschaft.

. Seit Oktober 2015 wird regelmäßig trainiert, jeden Dienstag um 19 Uhr wird zwei Stunden lang gekickt. Wobei kicken hierfür die falsche Bezeichnung ist, von außen sieht es ziemlich professionell aus. Das habe aber eine ganze Zeit gedauert, berichten die beiden Trainer. Dallheimer war etwas überrascht von der Strenge der beiden Trainer Thomas Peter und Thomas Nock, wie er einräumt. Aber man müsse die Sportler führen und "den Ehrgeiz dosieren", so drückt er es aus. Der Spaß wäre nie zu kurz gekommen, man habe auch Blödsinn gemacht und viel gelacht. Zum Beispiel bei einigen Schneeballschlachten im Winter, die es gegeben hat, berichtet er.

Den ganzen Winter über wurde trainiert, an den Schnee mussten sie sich erst gewöhnen. Bei ihm komme manchmal das typisch Deutsche durch, sagt Dallheimer. "Sie werden lachen, ich habe sogar eine Auflistung aller Schuhgrößen der Spieler." Die Neuankömmlinge hatten Spenden erhalten, unter anderem eben Fußballschuhe, es gab eine Sammel-Aktion im Verein, so erhielten die Flüchtlinge eine Grundausstattung. Der Integrationsbeauftragte ist bei fast jedem Training dabei und beobachtet das Geschehen von außen. Man habe das Gefühl, die jungen Männer "freuen sich immer, wenn sie hierherkommen", sagt er und lächelt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: