Vaterstetten:Nix wie weg

Vaterstetten ist zwar die Gemeinde mit den meisten Einwohnern, Arbeitsplätze gibt es dort aber nur wenige

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

So manches Klischee enthält einen Kern Wahrheit, etwa jenes von der Schlafstadt Vaterstetten. Wie eine nun vorgestellte Statistik zeigt, ist die einwohnerstärkste Landkreisgemeinde gleichzeitig die mit dem höchsten Anteil an Pendlern. Dies macht sich nicht nur auf Straßen und Bahnhöfen, sondern vor allem auch in der Gemeindekasse bemerkbar. Je weniger Jobs es in einer Kommune gibt, desto geringer fallen die Einnahmen bei Gewerbe- und Umsatzsteuer aus.

Klagen über die schlechte Einnahmesituation - so erwartet man heuer rund 7,5 Millionen Euro Gewerbesteuer, das ist weniger als im halb so großen Ebersberg - waren es auch, die die Verwaltung bewogen haben, die Statistik zu erstellen, so Vaterstettens Wirtschaftsförderer Georg Kast. "Wir haben im Gemeinderat immer die Diskussion, warum die Gewerbesteuer in Vaterstetten so schlecht ausfällt, warum wir so wenige Einnahmen haben." Grund dafür ist weniger das Fehlen von Gewerbeflächen - in Vaterstetten immerhin derzeit knapp 80 Hektar - als das Fehlen sozialversicherungspflichtiger Jobs in der Gemeinde. "Das ist ein strukturelles Problem", so Kast. Dieses wird deutlich, wenn man die Zahl der Arbeitsplätze in Vaterstetten betrachtet. So wohnen in der Großgemeinde derzeit knapp 23 000 Personen, Arbeitsplätze gab es dort - Stand Ende 2015 - jedoch nur 5881. Von diesen sind im Übrigen nur 1007 von Vaterstettenern besetzt gewesen, der Rest von Einpendlern, was an den hohen Wohnkosten in der Gemeinde liegen dürfte. Die Vaterstettener wiederum arbeiten meist anderswo, 7188 hatten im Jahr 2015 ihren Job in einer anderen Gemeinde.

Zumindest dieses Verhältnis von Einpendlern, Auspendlern und am Wohnort arbeitenden Personen ist in den meisten Gemeinden der Region ähnlich - bei der Zahl der Arbeitsplätze schneidet Vaterstetten im Vergleich mit den umliegenden Kommunen schlechter ab. So hat etwa die Kreisstadt zwar nur halb so viele Einwohner wie Vaterstetten, knapp 12 000 waren es bei Erhebung der Daten, dafür aber mit 5192 nur etwas weniger Jobs. Ähnlich in Poing, wo Ende 2015 rund 15 000 Personen, aber 5729 sozialversicherungspflichtige Jobs gemeldet waren. Selbst in der viel kleineren Nachbargemeinde Grasbrunn - mit gerade einmal 6700 Einwohnern - gab es zum Erhebungszeitpunkt 3743 Jobs.

Gemeinden mit ähnlicher Größe wie Vaterstetten - die Statistik nennt etwa Haar, Ottobrunn und Unterhaching mit 20 500, 21 200 und 24 500 Bewohnern - haben dagegen deutlich mehr Arbeitsplätze am Ort. So waren es in Unterhaching 7709, in Haar 8930 und in Ottobrunn 9427. Entsprechend ergibt sich für Vaterstetten auch das schlechteste Verhältnis zwischen der Zahl der Einwohner und der Jobs. 2015 lag dieses gerade einmal bei 258 pro 1000 Einwohner. In Poing waren es 393, in Ebersberg und Haar 435 und in Grasbrunn sogar 557 Jobs pro 1000 Einwohner.

Allerdings scheint sich die Situation - wenn auch nur leicht - zu verbessern. Besonders von 2014 auf 2015 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Vaterstetten um immerhin 803 gewachsen. Größten Anteil dabei hatte das produzierende Gewerbe, hier gab es in Vaterstetten 2013 noch 633 Arbeitsplätze, 2014 waren es schon 719 und 2015 bereits 1105. Im Handel- und Gastgewerbe gab es nach einem leichten Einbruch zwischen 2013 und 2014 von 2338 auf 2725 im Jahr 2015 einen Anstieg auf 2564. Die Zahl der übrigen Dienstleistungsjobs stieg von 1832 im Jahr 2013 in den beiden Folgejahren auf 1922 und 2029. Ursache für den Anstieg dürfte das neue Gewerbegebiet in Parsdorf sein, darauf weist der Zuwachs in den Sparten Produktion und Handel hin.

Dennoch bleibt auch nach Eröffnung des neuen Gewerbegebietes in Parsdorf der Steuerertrag unterdurchschnittlich. Während in Vaterstetten pro Gemeindebürger durchschnittlich 347 Euro Gewerbesteuer erzielt wurden, waren es in Haar und Ebersberg mit 682 beziehungsweise 687 gut das doppelte. In Poing konnte man sich 2015 sogar über 877 Euro Gewerbesteuer pro Gemeindebürger freuen und in Grasbrunn waren es mit 1235 Euro mehr als das Dreifache des Vaterstettener Wertes. Ebenfalls bemerkenswert ist der geringe Anteil an Umsatzsteuer, der in Vaterstetten hängen bleibt. Pro Arbeitsplatz waren es 2015 lediglich 108 Euro, in Ebersberg dagegen bereits 120, in Poing 145 und in Grasbrunn sogar 164 Euro. Dies bedeutet, dass man in Vaterstetten mit mehr Arbeitsplätzen den gleichen Umsatz erwirtschaftet und legt somit den Schluss nahe, dass in Vaterstetten viele eher schlecht bezahlte Jobs angesiedelt sind.

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