Vaterstetten:Musikalisches Monument

Jubilate-Chor zelebriert Dvořáks "Stabat Mater" mit Intensität

Von Alexandra Leuthner, Vaterstetten

Zwischen tiefster Trauer und der Ahnung von Erlösung changiert Antonin Dvořáks berühmtes "Stabat Mater", das neben der Sinfonie "Aus der neuen Welt" und den "Slawischen Tänzen" zu den berühmtesten Werken des tschechischen Komponisten zählt. Vielleicht liegen ja die erwähnten Gefühle näher beieinander als es, oberflächlich betrachtet, scheinen mag. Die gemeinsame Aufführung des Zornedinger Jubilate-Chors und des Barockensembles Vaterstetten am Sonntagabend in der Kirche Maria Königin lotete jedenfalls auch noch die feinsten Facetten der Komposition aufs Schönste aus. Ans Herz gehende Intensität und zugleich hervorragende Brillanz - eine Mischung, welche die Zuhörer im gut gefüllten Kirchenraum schließlich mit lang anhaltendem Applaus quittierten.

Dvořák schrieb die zehn in sich geschlossenen Teile seiner Komposition in größtem Schmerz: Ein halbes Jahr bevor er 1876 die ersten Skizzen zu Papier brachte, war seine jüngste Tochter wenige Tage nach der Geburt gestorben. Kurz bevor er das auf einem aus dem 13. Jahrhundert stammenden Gebet beruhende Werk im November 1877 abschloss, verlor er seine beiden weiteren Kinder. Das Ehepaar Dvořák blieb daraufhin kinderlos. Und so spricht tiefe Trauer schon aus den ersten Takten dieses "Stabat Mater", in welchen der Komponist sogleich der Verzweiflung der Gottesmutter Raum gibt, die unter ihrem sterbenden Sohn am Kreuze steht.

"Wer ist der Mensch, der nicht weinte, wenn er die Mutter Christi sähe in so großer Qual?", fragt der lateinische Text im zweiten Vers, und Chor und Solisten in Maria Königin nehmen die Frage mit ergreifender Intensität auf. Priska Eser (Sopran) und Barbara Schmidt-Gaden (Alt) harmonieren dabei ebenso himmlisch wie Tenor Christoph Rösel und Bass Klaus Reiter - letzterer im Übrigen der einzige der vier Solisten, der kein Profi-Musiker ist, aber dennoch auf absolut professionellem Niveau singt und regelmäßig mit Berufssängern zusammen arbeitet. Allerdings weicht der himmlische oder vielmehr kirchliche Duktus an vielen Stellen, schon in der zweiten Strophe, "Quis es homo", einer fast opernhaften Melodieführung mit weiten Kantilenen. Trauer ja, aber in einer manchmal fast tänzerischen, rhythmischen Manier komponiert und dargeboten, die an Giuseppe Verdi denken lässt, an die großen, romantischen, ach so tragischen und doch so schönen italienischen Arien.

Bei so viel melodiöser Größe braucht es kein gesteigertes Pathos, um die emotionale Dimension des schmerzensreichen Abschieds zu unterstreichen, und so führt Matthias Gerstner, Leiter des Jubilate-Chors, die Sänger und Instrumentalisten mit leichter Hand durch die musikalische Vielfalt der zehn Strophen. Dabei beweist der Zornedinger Chor, 1990 von Gerstner selbst gegründet, dass sein Ruf nicht ohne Grund längst die Grenzen des Landkreises hinter sich gelassen hat: mit diffiziler Ausgestaltung der siebten Strophe, dem "Virgo virginium praeclara" (Jungfrau der Jungfrauen hochberühmte), mit großartig konzertanter Grandezza und in gleicher Weise unterstützt von den Musikern des Barockensembles im hymnischen zehnten Teil "Quando corpus morietur" (Wenn der Leib sterben wird). Ein vielstimmiges "Amen", in herrlichen Klangfiguren aufgeschichtet und ineinander verwoben durch den immer gegenläufigen orchestralen Faden - ein kolossales Monument für die Ewigkeit.

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