Vaterstetten:Im Norden nichts Neues

Nach der Androhung eines Bürgerentscheides gegen die Parsdorfer Umfahrung ist diese erneut Thema im Gemeinderat

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Reaktanz nennen Psychologen den auch als "jetzt erst recht" bekannten Effekt, für etwas zu sein, wenn nur genügend andere dagegen sind. Ein Praxisbeispiel dafür war nun im Vaterstettener Gemeinderat zu erleben. Nachdem sich Nachbargemeinden kritisch zur geplanten Umfahrung von Weißenfeld und Parsdorf geäußert, sowie Freie Wähler, Grüne und Bund Naturschutz laut über einen Bürgerentscheid dagegen nachgedacht hatten, sollte im Gremium nun über die vielen Vorteile der neuen Straße gesprochen werden.

Beantragt hatten dies die Fraktionen von CSU und SPD, in Sachen Umfahrung seit Jahren eine Art große Koalition in Vaterstetten. Das Projekt gehöre im Gemeinderat mal wieder ausführlich vorgestellt, so die Antragsteller, die Fraktionschefs Michael Niebler für die Christsozialen und Sepp Mittermeier für die Genossen. Grund dafür sei, dass nicht nur kritische Einwände der Nachbarn vorliegen, sondern auch aus dem Inneren des Rathauses, genauer aus dem Büro von Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) immer wieder Opposition gegen die Umfahrung betrieben werde. Konkret geht es um Aussagen des Bürgermeisters, wonach dieser zwar für eine Entlastung der nördlichen Ortschaften, aber gegen die aktuell geplante Trassenführung sei. "In der Öffentlichkeit darf nicht der Eindruck entstehen, dass hier unzulänglich geplant wird", fordern die Fraktionschefs. Daher solle der Planungsstand der Umfahrung sowie deren große Vorteile im Gremium vorgestellt werden. Für letzteres sei Verkehrsgutachter Harald Kurzak zu laden, der von der Gemeinde bereits mehrmals damit beauftragt war, den Nutzen der neuen Umgehung nachzuweisen.

Was er nun im Gemeinderat auch wieder tat. Laut seiner Prognose werden um das Jahr 2030 täglich 11 000 bis 12 000 Autos durch Parsdorf und bis zu 14 000 durch Weißenfeld fahren. "Das wird ein Riesenproblem", so der Gutachter - es sei denn, die Umgehungsstraße kommt wie geplant. Dann seien es nämlich nur noch 4000 Autos pro Tag in Parsdorf und in Weißenfeld sogar nur 2000 bis 4000. Auch die Besorgnis der Nachbargemeinden sei komplett unbegründet, so der von Vaterstetten beauftragte Gutachter. Die neue Umfahrung werde, wenn überhaupt, positive Folgen für die Nachbarn haben, etwa für Feldkirchen. Dort kämen dank der Umfahrung bis zu 300 Autos pro Tag weniger durch.

Ganz im Gegensatz zur, wie Kurzak sie nannte, "Bürgermeister-Variante", die anstatt zwischen Weißenfeld und Parsdorf westlich von Weißenfeld verlaufen würde. Damit, so hat es der Experte berechnet, würde der Verkehr in Feldkirchen tatsächlich zunehmen. Bürgermeister Georg Reitsberger erklärte daraufhin, mit ihm habe die nach ihm benannte Variante allerdings nichts zu tun. Er habe sich nicht für eine Trasse im Westen Weißenfelds, sondern für eine, die im Norden näher an der Autobahn liegt, ausgesprochen.

Generelle Kritik am Gutachter und an seinen Zahlen kam von Herbert Uhl (FW). Seiner Meinung nach sind überregionale Verkehrsprojekte wie etwa der Weiterbau der FTO nach Süden noch gar nicht berücksichtigt. Außerdem sei nicht garantiert, dass die Autofahrer trotz Umfahrung nicht weiterhin die Ortsverbindungsstraßen nutzten. Die großräumigen Projekte haben laut Kurzak aber kaum Auswirkungen auf den Verkehr im Norden des Vaterstettener Gemeindegebietes. Was die Verbindungen zwischen den Orten angehe, diese müssten selbstverständlich "total beruhigt" werden, etwa durch eine Spielstraßenregelung in Hergolding und durchgehend Tempo 30 in Parsdorf.

Man habe sich wirklich um eine "optimale Lösung" für die Verkehrsprobleme bemüht, lobte dagegen Mittermeier die aktuell verfolgte Planung. "Man muss den Prognosen auch mal glauben, meistens haben sie sich bestätigt." Zweiter Bürgermeister Martin Wagner (CSU) verwies darauf, dass andernorts Umgehungen gebaut würden, wenn die Prognose 20 Prozent Entlastung für den Ort verspreche, hier seien es immerhin rund 70 Prozent. "Wir sollten zufrieden sein."

Ob Grund zur Zufriedenheit besteht, wird sich in sechs bis sieben Jahren zeigen. So lange soll es nach einem vorgestellten Zeitplan dauern, bis der letzte Abschnitt der Straße fertig ist. Rund 22,2 Millionen Euro soll diese kosten, der Anteil der Gemeinde beträgt rund neun Millionen, der Rest sind Fördergelder und ein Zuschuss vom Investor des Parsdorfer Gewerbegebietes. Ob Grund zum Bauen vorhanden ist, wurde in der Sitzung nur nichtöffentlich erörtert. Auf entsprechende Nachfrage von Manfred Schmidt (FBU/AfD) hieß es von Bauamtsleiterin Brigitte Littke im öffentlichen Teil nur, man sei in Verhandlungen mit den Grundstückseignern. Was, wie Reitsberger anmerkte, "mit Sicherheit nicht leicht" werden dürfte. Eine Anspielung darauf, dass auch unter manchen Parsdorfer Landwirten bei Verkaufsanfragen die Reaktanz mitunter sehr ausgeprägt sein soll.

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