Bürgersaal Vaterstetten:Hilfe aus dem Bayerwald

Architekt Peter Haimerl spricht im Vaterstettener Rathaus über den Weg zum Bürgersaal

Von Wieland Bögel, Vaterstetten

Auf den ersten Blick könnten sie nicht unterschiedlicher sein: Blaibach im Bayerischen Wald, ein Touristenort mit knapp 2000 Einwohnern, der seine besseren Tage schon hinter sich hat und Vaterstetten, die wachsende Großgemeinde mit bald 23 000 Einwohnern im Münchner Speckgürtel. Doch in beiden Gemeinden stellte sich die selbe Frage: wie kann man ein lebendiges Ortszentrum und einen Platz für die Kultur schaffen. In Blaibach scheint man auf einem guten Weg zu sein, ein neues Bürgerhaus und ein Konzertsaal sind entstanden, ein weiteres Kulturhaus ist im Bau. Wie es dazu kam, darüber sprach nun in Vaterstetten Peter Haimerl, der als Architekt und Planer das Vorhaben in Blaibach maßgeblich begleitet hat.

Eingeladen hatte der Verein "Bürgersaal für Vaterstetten" mit einem klaren Erwartungshorizont: "wir erhoffen uns heute Anregungen für unseren eigenen Saal", so Vorsitzende Claudia Lohmann. Immerhin hätten die Blaibacher "das möglich gemacht, wovon wir hier schon lange träumen". Ein wenig zu viel Erwartung für Haimerl: "Ich bin nicht der Messias und auch kein Millionär", einen fertigen Bürgersaal könne er also nicht mitbringen. "Aber Erfahrungen", nämlich vor allem die, dass es weniger auf Geld und gute Beziehungen, als auf die Tatkraft vor Ort ankommt. "Ohne dass sich ein paar Leute zusammentun, wird es nicht funktionieren."

Das Zusammentun sei auch das Erfolgsrezept in Blaibach gewesen. Ob im Gemeinderat, wo die Entscheidungen zum Ortsentwicklungsprogramm meist einstimmig fielen, oder bei den Bürgern, die nicht nur rund 500 000 Euro an Spenden und Sponsorengelder aufgetrieben hatten, sondern auch Baumaterialien und ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellten. Allerdings sei es dafür zuerst nötig, die Leute für das Projekt zu begeistern. So habe etwa in Blaibach die schleichende Verödung der Ortsmitte zunächst niemanden gestört, so Haimerl, "es ist nicht aufgefallen, dass es keinen Mittelpunkt mehr gibt."

Und hier sehe er Parallelen mit Vaterstetten, wo es auch keine richtige Struktur, keine echte Ortsmitte gebe, auch wenn die Ursache eine andere sei, als in Blaibach. Dort hatte man jahrzehntelang auf den Tourismus gesetzt, als das Geschäft nachließ, kam der Leerstand. Doch auch in der Wachstumsgemeinde Vaterstetten gebe es eine Art von Verödung: "Vor 50 Jahren war das noch ein Dorf, dann sind Siedlungen und ein Paar Verwaltungsgebäude entstanden", aber eben keine Struktur. "Vaterstetten ist ein Musterbeispiel des Dazwischen-Seins", so Haimerl, "es ist kein Bauerndorf mehr, aber auch noch keine richtige Stadt". Die Frage sei nun, "ob sich Vaterstetten damit begnügt, weiter die Schlafstadt von München zu sein", oder sich um eine eigene Identität bemüht.

Genau dies könne ein Kulturzentrum oder ein Bürgersaal für eine Gemeinde bewirken: der Aufbau einer neuen Identität. Zumindest in Blaibach habe es funktioniert, "der Ort ist nicht mehr der gleiche". Begonnen hat diese Erfolgsgeschichte zunächst mit dem Umbau und der Sanierung eines alten, leerstehenden Hauses in der Ortsmitte. Dieses wurde erweitert und zum neuen Gemeindezentrum umgestaltet. Der nächste Schritt war dann der Bau des Konzertsaales mit 200 Sitzplätzen. Hier haben die Blaibacher bewusst von Anfang an auf eine einzige Nutzung gesetzt: die Musik. "Wenn man nur so einen Multifunktionssaal hat, kommen die guten Leute nicht." Genau auf diese hatte man es in Blaibach abgesehen, der Ort sollte zum Zentrum der Kammermusik im Bayerwald werden. Dank der Hilfe des Baritonsängers Thomas Bauer, der die Leitung des neuen Konzerthauses übernahm, habe dies auch gut funktioniert. Denn neben viel Engagement der Bürger brauche ein solches Projekt auch erfahrene Leute, "die es tragen".

Nicht zuletzt profitierte Blaibach aber auch von großzügigen Fördermitteln. Ein großer Teil der knapp fünf Millionen Euro für Bürgerhaus, Konzertsaal und weiter Ortsgestaltung stammt aus dem Fonds des Modellprojekts "Ort schafft Mitte", das bei der Belebung der Ortszentren im ländlichen Raum helfen soll. Allerdings nur deshalb, weil die Blaibacher bereits in Vorleistung gegangen waren und geplant hatten: "Das war die Voraussetzung, dass es Unterstützung von den höheren Stellen gab."

Zumindest an dieser Vorarbeit scheint es in Vaterstetten noch etwas zu hapern. Zwar kamen etwas mehr als 70 Zuhörer zu Haimerls Vortrag, das politische Vaterstetten war indes kaum darunter. Neben Bürgermeister Georg Reitsberger (FW) interessierten sich noch drei Gemeinderatsmitglieder, Maria Wirnitzer und Sepp Mittermeier von der SPD sowie Stefan Ruoff (Grüne) für einen möglichen Weg zum Bürgersaal. Da habe man auf mehr Resonanz gehofft, sagte Lohmann, "das ist schon enttäuschend."

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