Vaterstetten:Das Bilden von Bildung

Lesezeit: 3 min

Beim Alem-Katema-Stammtisch berichten Cetu Kitaw, Bukabirh Teshome, Ayele Fiseha, Alexander Bestle, Desta Andarge, Taferi Indal, Habtewold Warkalemahu, Desalegn Wondimneh vom Partnerschaftsprojekt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sechs Gäste aus dem äthiopischen Alem Katema sind in Vaterstetten zu Besuch. Sie berichten von Projekten des Partnerschaftsvereins, wie etwa der Berufsschule

Von Violetta Meier, Vaterstetten

"Bildung ist der Schlüssel" sagt Desta Andarge. Seine fünf jungen Begleiter aus Äthiopien und die zwanzig anwesenden Vaterstettener nicken zustimmend. Desta Andarge ist Bürgermeister von Alem Katema, Vaterstettens äthiopischer Partnerstadt und berichtet in der Gaststätte "Landlust" von seiner Heimat und der Partnerschaft zwischen Vaterstetten und der äthiopischen Gemeinde.

Dieses Projekt wurde 1994 gegründet. Alem Katema, was übersetzt so viel wie "Weltstadt" bedeutet, liegt in der Region Merhabete und besitzt kaum Infrastruktur. "Auf der einzigen Straße, die von den Ort wegführt stehen ausgebrannte Jeeps. Die Gewalt in Äthiopien flammt auf", berichtet Alexander Bestle, der zweite Vorsitzende des Partnerschaftsvereins und beruft sich auf dabei auf den im Oktober 2016 ausgerufenen Ausnahmezustand, der mittlerweile wieder aufgehoben ist. "Durch die vielen Aktivitäten und das offene Gespräch mit der Bevölkerung ist unsere Stadt friedlich. Arbeit zu schaffen ist der zentrale Punkt!", ergänzt Desta Andarge.

Hilfe zur Selbsthilfe, darum geht es. Der Partnerschaftsverein umfasst in Deutschland unter dem Vorsitzenden Anton Stefan mehr als 600 und in Äthiopien 23 Mitglieder und finanziert sich durch Spenden. Seit 2013 gibt es in der äthiopischen Gemeinde an der Klinik "Menschen für Menschen" das Pilotprojekt "one dollar glasses", wie Jo Neunert erläutert. Er ist ein Gründungsmitglied des Partnerschaftvereins. "Nach vier Jahren haben wir erst 500 Brillen in Alem Katema verkauft. Doch mittlerweile steigt die Zahl."

Durch die Partnerschaft konnten bisher zwei Kindergärten, eine Bibliothek und ein Heimatmuseum gebaut werden. Ein weiterer Kindergarten ist in Planung und wird schon sehnsüchtig erwartet. Zusätzlich findet ein weiteres Großprojekt im Rahmen von "Nakopa" (nachhaltige Kommunalentwicklung Partnerschaftsprojekte) durch die Förderung der ortsansässigen Berufsschule statt. Zum einen werden Fachworkshops mit dem Fokus auf "ICT" (Information Communication Technology), "Automotive" und "Construction" angeboten. Zum anderen gibt es Entrepreneur-Workshops. Derzeit nehmen circa 4000 Bewohner der Stadt das Angebot wahr. Sechs junge Absolventinnen gründeten mit Hilfe des Vereins ein Internetcafé, welches nach den Anfangsbuchstaben der Gemeinden "AKVA" getauft wurde. Bestle erzählt: "Es hat zwar die Mehrheit der Bevölkerung ein Smartphone, jedoch wird hauptsächlich auf Social Media Seiten zugegriffen. Im Café kann sich in die Arbeit mit Computern eingedacht werden. Doch die Internetverbindung ist sehr schlecht. Außerdem wurde der Zucker rationiert, weshalb auch kaum mehr Kaffee getrunken wird. Und was bleibt schon von einem Internetcafé ohne Internet und Kaffee?"

Dabei handelt es sich nicht um das einzige Problem. Desta Andarge berichtet von der geringen Anzahl an Arbeitsplätzen. "Durch die fehlenden Jobs zieht es die jungen Absolventen in die Hauptstadt Addis Abeba, doch dort herrschen schreckliche Lebensbedingungen." Der Partnerschaftssekretär Desalegn Wondimneh, ergänzt: "Wir müssen die Emigration der Leute minimalisieren. Dies geht nur durch die Gründung von Unternehmen in Alem Katema. Doch es wird dauern, bis diese Grundidee bei der Bevölkerung ankommt."

Gemäß dem Bürgermeister ist die Strategie der Politik in Alem Katema die Unterstützung der Bildung von vielen kleinen und mittelständigen Unternehmen. Alexander Bestle war mit 15 weiteren Personen vor Ort. Dort leiteten die Mitglieder diverse Workshops und Coachings und versuchten neue und alte Projekte weiterzubringen. "Ich habe einen jungen Studenten kennengelernt, der mir erzählte, dass er vor habe als Flüchtling nach Deutschland zu kommen. Nachdem ich ihm von der zu erwartenden Perspektivlosigkeit berichtete, beschloss er zu bleiben. Es ist wichtig die Wirtschaft und Gesellschaft vor Ort aufzubauen und zu unterstützen. Eine Sensibilisierung für das Thema ist unumgänglich." Derzeit läuft ein weiteres Projekt zur Förderung der Berufsschule. Ein Traktor soll als Gemeindefahrzeug aus dem nordöstlich liegenden Nachbarland Dschibuti nach Alem Katema befördert werden. Doch es gibt bürokratische Hindernisse und kommt zum Projektverzug. Auch soll für den Studiengang "Automotive" ein Auto angeschafft werden.

Die Gäste aus Alem Katema werden noch bis zu ihrem Abflug an diesem Wochenende Eindrücke in Bayern sammeln können. Das Wasserwerk in Baldham wurde bereits besichtigt und Desta Andarge hielt eine kurze Rede bei der Gemeinderatssitzung. Die weitere Planung umfasst die Vertragsunterzeichnung von Nakopa und den Besuch von Berufsschulen in der Umgebung um neue Ideen zu finden und einen Austausch zu ermöglichen.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: