Vaterstetten:Biografie in Comicform

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Channa Maron war nicht nur Schauspielerin, sondern eine starke Frau und Kämpferin. Barbara Yelin brachte ihre Geschichte zu Papier und nach Vaterstetten

Von Sandra Langmann, Vaterstetten

Eine Geschichte, die nicht in Vergessenheit geraten darf. Vor allem nicht in Zeiten, in denen die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg und die Judenverfolgung in weite Ferne gerückt sind, obwohl die Themen wieder präsent sind. Der Jugend möchte man diese Zeit und das Wissen um die Ereignisse näher bringen und vermitteln. Aus diesem Grund wird die Ausstellung mit dem Titel "Vor allem eins: Dir selbst sei treu. Die Schauspielerin Channa Maron" auch in der Schulbibliothek des Humboldt-Gymnasiums in Vaterstetten gezeigt. Thema der Ausstellung ist eine Biografie in Comicform. In Zusammenarbeit mit dem israelischen Illustrator David Polonsky erarbeitete die deutsche Comiczeichnerin Barbara Yelin ein ganzes ComicBuch. Darin beschreibt sie das unglaubliche Leben der Channa Maron. Die einzelnen Episoden des Comics sind bis zum 9. Februar in Form von Plakaten im Vaterstettener Gymnasium zu sehen.

Channa Maron wurde 1923 als Jüdin in Berlin geboren und machte sich schon als Kinderstar einen Namen in Erich Kästners Romanadaption "Pünktchen und Anton" am Deutschen Theater in Berlin. "Sie war schon damals eine starke Persönlichkeit", erklärt ihr Sohn Amnon Rechter, der für die Ausstellungseröffnung extra aus Israel angereist ist, um die Geschichte seiner Mutter zu erzählen. Bereits als Kind wurde die kleine Hannerl von ihrer Mutter von einem Vorsprechen zum anderen gehetzt. Hannerl wurde stark unter Druck gesetzt und hatte keine normale Kindheit. Daher distanzierte sich Maron später von ihrer Mutter, was sie nach deren Tod bitter bereute.

Die Comic-Zeichnerin Barbara Yelin reiste nach Israel, um alles über die Schauspielerin Channa Maron zu erfahren. (Foto: Christian Endt)

Als die Situation für Juden in Deutschland unerträglich wurde, emigrierte Maron 1933 mit ihrer Mutter nach Paris, bevor sie einige Jahre später in Tel Aviv eine neue Heimat fand. "Ihr Vater erkannte den Ernst der Lage", schildert Rechter die Flucht der Familie. Marons Vater war Elektriker und schickte seine Familie nach Israel, bevor er selbst einige Jahre später folgte. Hätte er diese Entscheidung nicht getroffen, wären sie vermutlich im Konzentrationslager gelandet, ist Rechter überzeugt. In Tel Aviv fühlte sich Hannerl sofort wohl und freundete sich schnell mit der neuen Heimat an. Es sei ein Moment der doppelten Befreiung gewesen, da sie als Jüdin frei in ihrer Heimat leben konnte.

Channa Maron lernte rasch Hebräisch und besuchte die Schauspielschule. Danach führte sie ihr Weg zur jüdischen Brigade der britischen Armee, wo sie als Soldatin in einer Theatergruppe tätig war. Sie wurde zu einer der bekanntesten und beliebtesten Schauspielerinnen des Landes. Sie trat auf den wichtigsten Bühnen Israels sowie in Film und Fernsehen auf. Eines Tages spielte sie vor einer Gruppe Überlebender des Holocausts. Erst da begriff sie, was im Zweiten Weltkrieg geschehen war und wie viele Menschen sterben mussten.

Channa Maron wurde schon als kleines Mädchen von ihrer Mutter von einem Vorsprechen zum anderen gejagt. Repro: Christian Endt (Foto: Christian Endt)

Die Künstlerin Barbara Yelin trägt diese Szenen mit leiser und ruhiger Stimme vor. Eindringlich erklärt sie, dass der Krieg in Europa im Mai 1945 endete und dass in der Shoah mehr als sechs Millionen Juden von den Nazis ermordet wurden. Die traurigen Blicke der gezeichneten Figuren bohren sich in die Köpfe der Jugendlichen. In der Schulbibliothek ist es ganz still geworden.

Yelin hat jedem Jahrzehnt im Leben der Schauspielerin je eine Episode gewidmet, die jeweils einen eigene Erzähler hat. Nach intensiven Recherchen stieß sie auf die Familie, enge Freunde und auch Regisseure von Channa Maron, die das Leben der Schauspielerin Schritt für Schritt nacherzählen. Einer der Erzähler ist Marons Sohn Amnon Rechter, der von einem drastischen Lebenseinschnitt seiner Mutter erzählt. 1970 wurde Maron zu einem Vorsprechen für "Anatevka" nach London eingeladen. In München hatte ihr Flug von Israel eine Zwischenlandung. Da schrie ein Mann plötzlich, dass es sich um einen Anschlag handle, der palästinensische Attentäter sprengte sich in die Luft. Maron habe sich ihr Leben lang an dessen blaue Augen erinnert, sagt der Sohn. Dabei verlor sie ein Bein und stürzte in eine tiefe Depression. Die Zeitungen meldeten das Karriere-Aus der Schauspielerin, doch Channa Maron begann bereits ein halbes Jahr später mit den Proben für jene Rolle, für die sie vor dem Anschlag vorsprechen wollte. Die antike Figur Medea, welche die personifizierte Rache darstellt, konnte sie nun besser nachvollziehen. Doch anstatt auf Rache zu setzen, nahm Maron den Anschlag zum Anlass, um sich noch konsequenter für die israelische Friedensbewegung Shalom Achschaw einzusetzen.

"Channa Maron stand für ihre Meinung. Sie war mutig und stand immer wieder auf", berichtet Yelin. 2014 starb Maron in Tel Aviv. Daraufhin trat das Goethe-Institut Israel an Yelin heran, um die Geschichte einer starken Frau auf eine besondere Art und Weise zu erzählen. "In einer Galerie würde die Geschichte flach ausfallen", sagt Haim Peretz, Organisator der Wanderausstellung. Um das Leben der gebürtigen Berlinerin erzählen zu können, wurde der Comic in deutscher Sprache verfasst. Diese Sprache lasse genügend Spielraum für Interpretation, so Peretz. Doch um die Ausstellung auch in israelische Schulen zu bringen, wäre eine Übersetzung ins Hebräische denkbar. Denn Hebräisch war auch die Sprache der Ikone Channa Maron.

Die Ausstellung "Vor allem eins: Dir selbst sei treu. Die Schauspielerin Channa Maron" ist bis zum Donnerstag, 9. Februar, in der Schulbibliothek des Humboldt-Gymnasiums Vaterstetten, Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr, zu sehen. Das gleichnamige Buch ist zu beziehen über den Reproduktionsver lag www.reprodukt.com/produkt/deutscheautoren/vor-allem-eins-dir-selbst-sei-treu-die-schauspielerin-channa-maron/

© SZ vom 12.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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