Trio:Zupf' Dir ein Wölkchen

Trio: Der Sommer mit Hut und Regenjacke, wie er uns die vergangenen Wochen begegnete, dauerte am Samstag nur ein paar Minuten.

Der Sommer mit Hut und Regenjacke, wie er uns die vergangenen Wochen begegnete, dauerte am Samstag nur ein paar Minuten.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Frauenneuhartinger Rezitationstrio Bärbel Aschauer-Lammel, Ernst Weeber und Stephan Lewetz würdigen den Sommer - und schüren die Sehnsucht nach ein paar warmen Tagen

Von Carolin Fries, Frauenneuharting

Nun, einen Versuch war es wert. Wenn der Sommer schon nicht da ist, wo er um diese Zeit längst sein sollte - bei uns! - dann muss man ihn sich einfach vorstellen. Man erzählt sich von schwül-heißer Luft, schmeckt lieblichen Wein, hängt eine bunte Lichterkette auf, holt sich Blumen ins Haus und schwelgt in Erinnerungen. Das Frauenneuhartinger Rezitationstrio um Bärbel Aschauer-Lammel, Ernst Weeber und Stephan Lewetz hat den Sommer am Samstagabend im Pfarrheim der Gemeinde in den höchsten Tönen gewürdigt - und die Sehnsucht dadurch nur noch mehr geschürt.

Die ganz Großen wie Rilke, Fontane und Goethe mussten herhalten, doch auch kleine, feine Verse und Texte hatten die Sprachbegeisterten - eine Logopädin, ein Liedermacher und ein Schauspieler - gesammelt, um nach Frühling, Winter und Herbst nun endlich auch dem Sommer ein Zeichen zu setzen. Der örtliche Heimatverein hatte Käse mit Trauben bereit gestellt und natürlich Wein. Der Vorsitzende Bernhard Schäfer sprach von einer Einladung zum "sommerlichen Picknick". Doch schon, als sich die Vortragenden gleich zu Beginn die wasserdichten Plastikjacken auszogen und "Es ist Sommer in der Stadt" von der Spider Murphy Gang sangen, war den etwa 60 Zuhörern klar: Es würde ein schöner Abend werden, ein sehr schöner sogar. Doch es würde der Geschmack nach mehr bleiben.

Das Trio hatte den Sommer in seine Einzelteile zerlegt und literarisch neu zusammengesetzt. Es widmete sich zunächst den Blumen, insbesondere den Rosen. Rilke ließ sich über das Innenleben der Rose aus, Goethe über das Röslein auf der Heide und Otto Roquette mahnte: "Noch sind die Tage der Rosen." Auch das Gänseblümchen wurde geehrt, soll es die Sonne doch einst zur schönsten Blume auf Erden erkoren haben - weshalb es aus Verlegenheit leicht errötete und deshalb heute auch rosa gefärbte Blätter trägt, wie Aschauer-Lammel erklärte. Schließlich würdigte man den Baum, insbesondere die Linde. "Früher war die Linde Treffpunkt im Ort und nicht die Mehrzweckhalle", sagte Ernst Weeber. Eine alte Redensart besage, dass eine Linde 300 Jahre komme, 300 Jahre stehe und 300 Jahre vergehe. Angesichts dieser Langlebigkeit und ihrer heilenden Kräfte soll sie im Mittelalter als Ort des Gerichts gedient haben. Urteile sollen einst mit den Worten "gegeben unter der Linde" geendet haben.

Wer meinte, mit der Würdigung von Fauna und Flora sei des Sommers ausreichend gedacht, der sollte eines Besseren belehrt werden. "Schön" hatten die Zuhörer so manche Zeile bislang kommentiert, nun sollten sie schweigen, tief in ihrem Innersten berührt etwa von Arno Holz' "Die uralte Kornfeldlinde", und die Zeile "Auf schmalem Fußweg an ihr vorbei, jeden Nachmittag durch die Juliglut zum Baden, wir Jungens." Oder von Ringelnatz' "Sommerfrische": "Zupf' dir ein Wölkchen aus dem Wolkenweiß" bis hin zum Schluss "Vergiss dich. Es soll dein Denken nicht weiter reichen als ein Grashüpferhupf". Keine gängigen Texte - wie so viele an diesem Abend - und vielleicht deshalb so schonungslos treffend in der Hoffnung auf ein paar warme Tage. Bei Rose Ausländers "Juli 2", Clara Müllers "Reife" oder Johann Sprattes "Sommer" sah man das Flimmern der Hitze vor dem inneren Auge, nahm die Stille der Natur wahr und sog den Duft ein. Um schließlich warmen Regen zu spüren, weichen Sommerregen. Und natürlich dachte man dann unweigerlich: Der Sommer ist doch die größte aller Jahreszeiten und wusste im gleichen Augenblick, dass es gelogen war.

Die drei Rezitatoren begegneten der mächtigen Sprachwelt vergangener Jahrhunderte mit Respekt und dennoch voller Leichtigkeit. Einmal spielten sie eine Reiterszene nach, ein andermal zückte Weeber seine Mundharmonika. Wer ein Gedicht nicht verstand, kein Problem, auch Ratlosigkeit war erlaubt. So zuckte Weeber nur die Achseln, als er etwa die Zeile "Die Jäger erlegen einander in sanfter Entrücktheit" gelesen hatte. In solchen Momenten stimmten dann Moritz Fischer am Baritonsaxofon, Lovis Fischer an den Bongos und Armin Ronacher am Klavier ein Liedchen an, das wie ein laues Lüftchen durch die Sommernacht wehte.

Das Fazit dieses Abends? Um es mit Josef Brustmann zu sagen: "Wie einfach ist das Glück. Und wie selten."

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