Tiernamen im Gerichtssaal:"Sie sind ein rüder Büffel"

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Im Markt Schwabener Hundeleinen-Streit werden mittlerweile Begriffe aus dem Tierreich verwendet. (Foto: dpa)

Im Streit an der Markt Schwabener Sägmühle gerät der Besitzer im Gerichtssaal mit dem gegnerischen Anwalt aneinander. Ein Vergleich ist längst passé, jetzt soll in diesem Fall erstmals ein Urteil gesprochen werden.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg/Markt Schwaben

Eigentlich hätte das Amtsgericht Ebersberg am Dienstag Eintritt verlangen müssen. Finanziell hätte sich das wahrscheinlich rentiert, denn Zuschauer waren genügend gekommen, um zu erfahren, ob in der Dauerposse um die Markt Schwabener Sägmühle nach all den Jahren eine Entscheidung fällt. Den erhofften Urteilsspruch verkündete die Richterin letztlich nicht, noch nicht. Dafür gaben die Protagonisten ein Kabinettstück zum besten, das man sonst nur aus Karl-Valentin-Sketchen kennt - oder aus der früheren TV-Komödie Café Meineid.

In besagtem Zivilprozess ging es um die Frage, ob der Spaziergänger Karl Gell seinen Hund auf dem Grundstück der Sägmühle in dem oberbayerischen Örtchen anleinen muss oder nicht. Verklagt hatte ihn der Eigentümer der Sägmühle, weil er sich und seinen Damwildbestand durch "Hunde, die dort ihre Geschäfte erledigen" belästigt fühlt. Gell, der Beklagte, hatte eingeräumt, dass er mehrmals vom Kläger aufgefordert worden war, seinen Hund an eine Leine zu binden. Er habe sich aber dagegen geweigert, "weil ich das nicht einsehe", so Gell.

Was sich wie ein neckischer Nachbarschaftszwist liest, ist den Markt Schwabenern so bierernst, dass den meisten dort das Lachen längst vergangen ist. Der Zoff an der Sägmühle dauert seit 2011 an, immer wieder gibt es Streitigkeiten und Prozesse zwischen dem Eigentümer und Spaziergängern. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein Grundstücksbesitzer, auf dessen Eigentum ein öffentlich genutzter Weg verläuft, dort uneingeschränktes Hausrecht hat oder nicht. Bisher schafften es weder Gemeinde noch Amtsgericht, den Streit zu schlichten - was auch daran liegt, dass die Richter bisher stets einen Vergleich anstrebten und nie ein Urteil fällten.

An diesem Dienstag sollte jetzt alles anders werden, die Zeichen standen diesmal klar auf Konfrontation. Vor dem Gerichtssaal nahmen die Helfer zur Sicherheit erst einmal die Regenschirme an sich - Schirme lassen sich nämlich im Handumdrehen vom Haupthaarschützer zur Leichtwaffe umkonzipieren. Friedlich ging es im Gerichtssaal trotz der Vorsichtsmaßnahmen nicht zu, was auch daran lag, dass sowohl Gell als auch der Kläger von Anfang an klar machten, dass sie es auf ein Urteil ankommen lassen würden.

Weil zu einer Gerichtsverhandlungen auch Anwälte dazugehören, brachte Karl Gell, der Beklagte, seinen Cousin Franz Gell, den Advokaten, mit. Dieser verteidigte mit Schriftsätzen und finsterer Miene, ehe der Kläger die Prozess- Etikette verletzte und Karl Gell, den Beklagten, bei seinen Ausführungen unterbrach. "Jetzt ist er dran", schallte es deshalb hinter dem Tisch des Beklagten hervor. Mit dieser Aussage hatte Franz Gell, der Advokat, im Prinzip Recht. Zurechtweisen darf in einem Gerichtssaal aber nur die Richterin, was diese dem Anwalt alsbald mitteilte. Der Kläger und Inhaber der Sägmühle nahm dies zum Anlass, um dem Anwalt ebenfalls die Meinung zu sagen. "Sie sind ein rüder Büffel", sagte der Kläger, worauf die Richterin die Metapher wortwörtlich in ihr Aufnahmegerät diktierte. Ob der Tiername den Tatbestand einer strafrechtlichen Beleidigung erfüllt, ließ die Richterin offen.

Nach einer Viertelstunde endete der Meinungsaustausch dann mit einer traurigen Nachricht: In drei Wochen, am 3. Mai, könnte die Sägmühlen-Saga nach über fünf Jahren zuende erzählt sein. An diesem Tag nämlich, so kündigte es die Richterin an, werde sie im Amtsgericht das Urteil verlesen. Drei Wochen Beratungszeit also, um die komplizierte Sachlage zu sortieren und dann zu entscheiden, ob Gell seinem Jagdhund beim Gassigehen eine Leine um den Hals binden muss oder nicht.

Damit das nicht allzu lächerlich klingt, sei gesagt, dass es sich bei dem Urteil um einen Präzedenzfall handeln dürfte. Das Urteil hätte also weitreichende Konsequenzen, weil es maßgeblich sein könnte, um viele andere Streitfragen zu klären, die sich um die Sägmühle ranken. Etwa, ob der Eigentümer den Weg über sein Grundstück zu unrecht mit Gittern versperrt und zurückbaut. Oder ob er dafür sogar Eintritt verlangen dürfte.

© SZ vom 13.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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