Museumsleiter Schäfer:Kriminalistischer Spürsinn

Museumsleiter Schäfer: Im Garten des Grafinger Heimatmuseums gedeihen die schönsten Blumen, im Museum kümmert sich Bernhard Schäfer um den wachsenden Fundus.

Im Garten des Grafinger Heimatmuseums gedeihen die schönsten Blumen, im Museum kümmert sich Bernhard Schäfer um den wachsenden Fundus.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Archiv- und Museumsleiter Bernhard Schäfer in Grafing hütet das historische Gedächtnis des Landkreises. Seine Geschichtsbücher und Ausstellungen ernten Bewunderung.

Von Rita Baedeker, Grafing

Ein moderner Sisyphos ist Bernhard Schäfer nicht. Zwar gleicht die nie enden wollende Arbeit eines Archiv- und Museumsleiters mitunter der des antiken Königs, den die Götter dazu verdonnert hatten, einen Steinbrocken immer wieder bergauf zu rollen. So gesehen ist die Skulptur des armen Helden im Vorgarten des Grafinger Stadtmuseums durchaus aussagekräftig.

Doch anders als Sisyphos, empfindet Schäfer den täglichen Kraftakt des Ordnens und Forschens nicht als Strafe. Und anders als Sisyphos, führt ihn seine akribische Tätigkeit zum Erfolg - das zeigen die von ihm konzipierten Ausstellungen, das bezeugen seine wissenschaftlich fundierten Bücher und Aufsätze, das dokumentieren die Archiv-Stammtischabende, von denen jeder Teilnehmer neue Erkenntnisse mit nach Hause nimmt.

Nominierung für sein großes Engagement

In diesem Jahr ist Schäfer, 49, Leiter von Stadtarchiv und Museum Grafing, Vorsitzender des Historischen Vereins für den Landkreis, Vorsitzender des Heimatvereins Frauenneuharting, Autor, Herausgeber, Redakteur des Verbands bayerischer Geschichtsvereine - um nur einige seiner Tätigkeiten zu nennen - für einen Tassilopreis nominiert. Zur Begründung heißt es unter anderem: "Bernhard Schäfer zählt zu jenen Kulturschaffenden, die im Stillen und ohne sich in den Vordergrund zu stellen, wichtige Projekte realisieren und viele weiterführende Anstöße geben. Er hat sich mit seinem engagierten Wirken inzwischen weit über den Landkreis hinaus einen Namen gemacht."

Geboren ist Schäfer als Sohn eines Lehrers in Wasserburg. Ein "ziemlich schwerer Brocken" sei er bei seiner Geburt gewesen, berichtet er. Bald zog die fünfköpfige Familie ins "Lehrerwohnhaus" nach Frauenneuharting, später ins eigene Haus im benachbarten Jakobneuharting. Schäfer besuchte das Grafinger Gymnasium und studierte Geschichte und Politikwissenschaft. "Ich war ein schlechter Student", gesteht er, "Vorlesungen habe ich ganz gern eingedampft."

Sein Interesse an Heimatkunde war längst geweckt - durch seinen Vater, Berthold Schäfer, der als Vorsitzender der katholischen Erziehergemeinschaft Ausflüge mit kulturellem Nährwert organisierte, aber auch durch Kreisheimatpfleger Markus Krammer, der ihn für die Geschichte des Landkreises begeisterte. Das Thema seiner Promotion, die er, wie er erzählt, aus Zeitmangel noch nicht ganz abgeschlossen hat, spiegelt ebenfalls Heimatverbundenheit: "Der Landkreis Ebersberg im Dritten Reich"!

Den Vorsitz des historischen Vereins wird er nicht mehr los

Nach dem Studium arbeitete Schäfer als freier Historiker. Als 1997 die Feier zum tausendjährigen Bestehen seiner Gemeinde anstand, bereiteten er und sein Vater das Heimatbuch vor. Ein Jahr später übernahm er ehrenamtlich den Vorsitz des Historischen Vereins. "Und jetzt", so ergänzt er mit einem Lächeln, "werde ich ihn nicht mehr los." Schäfer arbeitete für das Haus der bayerischen Geschichte, konzipierte Ausstellungen, gab ein Buch über 100 Jahre Lokalbahn Grafing-Ebersberg und einen viel beachteten Band über die Geschichte des Klosters Ebersberg heraus. 2008 bot man ihm die Archivleitung in Grafing an, zwei Jahre später die Leitung des Grafinger Heimatmuseums, in dem etwa 20 000 Objekte schlummern.

"An den Exponaten zeigt sich oftmals große Geschichte im Kleinen", sagt Schäfer. Jahr für Jahr konzipiert er Ausstellungen mit striktem Heimatbezug und einem zuweilen humorvollen Akzent, etwa die Schau "Josef, Bepperl, Sepp" zum Josefstag. Der Fundus wächst stetig. "Die Leute bringen mir Exponate, manchmal starte ich auch einen Aufruf, wenn ich etwas Bestimmtes suche." Noch diesen Monat wird eine Ausstellung zum Thema "500 Jahre Reinheitsgebot" eröffnet. "Hier geht es ausschließlich um Grafinger Brauereien", sagt Schäfer. Im Vorraum des Museums kann man Lavendelsäckchen, Karten und Kataloge kaufen. Auch Schäfers jüngstes Werk, "Neues aus der Geschichte - Grafing und Umgebung", liegt aus.

Die zeitraubende Puzzlearbeit im Archiv, das in Grafing bis ins Jahr 1376 zurück reicht, findet er keineswegs trocken. "Archivarbeit ist kriminalistisch, das fasziniert mich", sagt Schäfer. "Man schaut, forscht, strebt nach Erkenntnis." Oft sei es nicht leicht, zu einem Thema überhaupt etwas zu finden. "Wenn andere sagen, 'da gibt's nix', dann fängt es bei mir an zu kribbeln, es begeistert mich, etwas dem Vergessen zu entreißen." Das Eine, so Schäfer, sei das Sortieren und Inventarisieren, das Spannendere aber sei, was man in Dokumenten entdecken könne. Und täglich entsteht wieder neues Archivgut. Ein bisschen ist es eben doch wie bei Sisyphos.

Den Kulturbetrieb zu fördern ist das Ziel des Tassilo-Preises der Süddeutschen Zeitung. Leserinnen und Leser können Personen und Gruppen vorschlagen, die im Landkreis künstlerisch wirken oder in der Kulturarbeit aktiv sind. Vorschläge an: SZ Redaktion, Ulrichstraße 1, 85560 Ebersberg, E-Mail: tassilo@sueddeutsche.de, Fax (08092) 82 66-80. Einsendeschluss ist Samstag, 21. Mai.

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