Tag des Schlaganfalls:"Viele tickende Zeitbomben"

Tag des Schlaganfalls: Willi Daniels aus Steinhöring, 66 Jahre alt, war Geschäftsstellenleiter einer Krankenversicherung. Heute setzt er sich für Schlaganfallpatienten ein.

Willi Daniels aus Steinhöring, 66 Jahre alt, war Geschäftsstellenleiter einer Krankenversicherung. Heute setzt er sich für Schlaganfallpatienten ein.

(Foto: Christian Endt)

Zum Tag des Schlaganfalls spricht Willi Daniels über Risiken, Prävention und Vorurteile. Der 66-Jährige Steinhöringer weiß, wovon er spricht - er hat die Erkrankung bereits zwei Mal überstanden

Interview von Anja Blum

Der Schlaganfall ist jünger geworden", sagt Willi Daniels, fast so, als spräche er über einen guten Freund. Doch diese Entwicklung, der zuletzt der 45-jährige Sänger Roger Cicero ein tragisches Gesicht verliehen hat, erfüllt den Steinhöringer schon lange mit Sorge. Seit 18 Jahren nämlich setzt sich Daniels, selbst Betroffener, für Patienten und mehr Aufklärung ein. Schlaganfälle zählen wie Herzinfarkte zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen − der Todesursache Nummer eins in Deutschland. Außerdem sind sie der häufigste Grund für eine Behinderung im Erwachsenenalter.

SZ: An diesem Dienstag ist der Tag des Schlaganfalls. Hat das Thema generell mehr Aufmerksamkeit verdient?

Willi Daniels: Ja, unbedingt, denn es ist nach wie vor ein Tabu. Das Problem ist, dass die meisten Menschen denken, sie selbst gehe das alles nichts an. Man fühlt sich fit und denkt: "Schlaganfall? Das ist was für Alte!" Und auch die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, offensiv mit ihrem Schicksal umzugehen, weil dem Schlaganfall ein negatives Image anhaftet. Überspitzt ausgedrückt: Wer einen Herzinfarkt übersteht, hatte halt viel Stress und ist ein toller Hecht. Wer aber einen Schlaganfall erleidet, der hat risikoreich gelebt, womöglich gesoffen und geraucht, und ist danach a bisserl deppert im Kopf. Das aber ist nicht wahr. Hier geht es um eine ganz normale Krankheit.

Was sollte jeder über Schlaganfälle wissen?

Dass eine der größten Gefahren im Bluthochdruck liegt. Das aber ist eine Volkskrankheit, die alle viel zu wenig ernst nehmen. Schließlich tut er nicht weh. Leider, muss man fast sagen. Würde der Bluthochdruck öfter erkannt und richtig behandelt, könnte man die Zahl der Schlaganfälle locker um 50 Prozent reduzieren.

Wie lautet also Ihr Rat?

Einmal im Jahr den Blutdruck beim Arzt messen zu lassen, reicht nicht aus. Jeder sollte sich ein Messgerät kaufen und seine Werte regelmäßig selbst überprüfen. Viele Menschen haben nämlich eine Praxis-Normotonie: Das bedeutet, dass ihr Blutdruck eigentlich zu hoch ist, ein Arztbesuch aber so beruhigend wirkt, dass er kurzzeitig sinkt. Diese Patienten sind tickende Zeitbomben.

Rührte Ihr eigener Schlaganfall auch vom Bluthochdruck her?

Nein, ich bekam ihn aus Jux und Dollerei: Ich habe an Silvester für meinen Sohn einen Schlangenluftballon aufgeblasen - und bin umgekippt. Grund war ein Blutgerinnsel im Herzen.

Lässt sich so etwas auch verhindern?

Na ja, nicht unter Garantie. Aber ein gesunder Lebensstil kann vieles bewirken. Vor allem ausreichend Bewegung und eine vernünftige Ernährung sind wichtig. Aber dazu muss man halt seinen Schweinehund überwinden . . . Das gilt auch für Menschen, die bereits einen Schlaganfall hatten: Sie sollten sich nicht nur auf die Rehabilitation konzentrieren, also darauf, dass sie ihre gewohnten Fähigkeiten wiedererlangen, sondern auch auf die sekundäre Prävention. Darauf, dass es nicht zu einem zweiten oder dritten Schlaganfall kommt.

Sprechen Sie da aus Erfahrung?

Ja, auch ich hatte einen zweiten. Aber mittlerweile kenne ich meinen Körper und weiß, wann ich eine Pause einlegen muss.

Oft ist auch zu lesen, dass es schwer sei, einen Schlaganfall zu erkennen . . .?

Ja, das stimmt. Ich lag drei Tage in einer Klinik, ohne dass jemand verstand, was passiert war. Ich konnte nicht sprechen und mein rechter Arm war lahm. Es hat ewig gedauert, bis ich klar machen konnte, dass etwas in meinem Gehirn nicht stimmte. Auf die Idee, mit links zu schreiben, bin ich nämlich nicht gekommen.

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