SZ-Serie: Sommer-Atelier:Lava und Eis im Keller

Einige Künstler im Landkreis haben sich in den Ferien allerhand vorgenommen: Eleonore Fischer aus Kirchseeon zum Beispiel lotet die Grenzen des Porzellans aus. SZ-Serie Sommer-Atelier, Teil 5

Von Rita Baedeker, Kirchseeon

Ganz so zugig und nordisch kühl wie auf Island ist es zwar in der Kellerwerkstatt der Porzellankünstlerin Eleonore Fischer in Eglharting nicht, aber eine Wolljacke zieht sie sich dennoch über, wenn sie ins Reich ihrer zerbrechlichen Landschaften hinabsteigt, oft fürsorglich begleitet von Hund und Hauskatze.

Sommeratelier - das bedeutet im Fall von Lorle Fischer, lange Tage und Stunden im Keller zu verbringen. "Bei der Hitze, die in den vergangenen Wochen herrschte, ist das hier eine Wohltat", sagt sie und bindet sich ihre Schürze um. Seit die Keramikerin entdeckt hat, wie sie aus Tausenden hauchdünner farbiger Porzellanplättchen abstrakte Landschaftsformationen kreieren kann - eine Kunst, die sie als einzige ihrer Zunft ausübt -, ist sie von dieser ebenso zeitraubenden wie diffizilen Arbeit fasziniert. "So was Verrücktes macht keiner, das mach bloß ich", sagt sie nicht ohne Stolz.

Den ganzen Sommer über hat sich Fischer auf die Teilnahme an einer internationalen Ausstellung von Porzellankunst nächstes Jahr im pfälzischen Frankenthal vorbereitet. Alle drei Jahre wird dort der "Perron-Preis" für Porzellankunst ausgelobt. Bis zu 300 Künstler aus der ganzen Welt melden sich an, aber nur etwa zwanzig Arbeiten werden von der Jury angenommen. Zweimal war sie schon dabei, einen Preis hat sie noch nicht gewonnen, "aber bei dieser strengen internationalen Auswahl ist es toll, wenn man überhaupt dabei ist". Juriert wird doppelt: Zunächst reicht man Fotos der Arbeiten ein, berichtet Fischer. Sind diese akzeptiert, werden die Originale noch einmal einer strengen Beurteilung durch das Gremium unterzogen.

SZ-Serie: Sommer-Atelier: Das zum Island-Zyklus gehörende Relief wartet auf den Brand.

Das zum Island-Zyklus gehörende Relief wartet auf den Brand.

(Foto: Christian Endt)

Fischers Beitrag für Frankenthal besteht aus drei Arbeiten, darunter ein sechsteiliges Tableau, dessen einzelne Tafeln aus feinsten Porzellanplättchen gebaut sind. Als Inspiration dienen der Künstlerin Fotos, die Tochter Vroni auf Island gemacht hat, Fotos von markanten und mächtigen Gesteinsformationen, die aus einer fernen erdgeschichtlichen Periode zu stammen scheinen. Basaltfelsen, Eis, Moose, Flechten. "Meine Tochter ist Island-Fan, sie reist mit Rucksack, zu Fuß und zu Pferd und mit Jeeps", erzählt Fischer. "Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich und man entdeckt unglaubliche Farben", erzählt Fischer. Als sie die Fotos sah, habe sie beschlossen, die Motive in plastische Porzellanreliefs umzusetzen.

Der Arbeitsprozess ist vielschichtig und langwierig. Die Batzen des nach eigenem Rezept hergestellten Porzellans färbt Fischer ein mit Farbkörpern und mit Metalloxiden wie Eisen, Kobalt oder Chrom. Auch Erden aus Island, etwa vom Eyafjallajökull, dem Vulkangletscher, der 2010 ausbrach, oder aus der Gegend des Fjords Hunafjördur, werden eingearbeitet. Eleonore Fischer experimentiert gerne, mischt dem Porzellan Elemente bei, die das Fragile auch mal robust erscheinen lassen.

SZ-Serie: Sommer-Atelier: Eleonore Fischer montiert in mühseliger Geduldsarbeit Plättchen für Plättchen des gefärbten Porzellans zu einer faszinierenden Landschaft.

Eleonore Fischer montiert in mühseliger Geduldsarbeit Plättchen für Plättchen des gefärbten Porzellans zu einer faszinierenden Landschaft.

(Foto: Christian Endt)

Mit Hilfe einer Plattenwalze wird das Material gepresst, dann schneidet Fischer mit einem Messer Plättchen aus und rollt diese zu hauchdünnen Scheibchen aus. Ein wenig erinnert das Ganze an Strudel- oder Plätzchenteig. Die fragilen Teile modelliert sie fächerartig auf eine Porzellanplatte, schichtet und faltet dynamische Ströme, rhythmische Strukturen. Im Blick hat sie dabei einen Fotoband mit isländischen Motiven. Nicht, um diese zu kopieren, sondern der Inspiration wegen. Schließlich wird das Ganze gut befeuchtet, in Plastik gepackt und mit einem Teigroller beschwert. Letztes Stadium ist der Brand, bei dem sich die Farben zum Teil deutlich verändern. "An einer Platte arbeite ich etwa sechs Wochen", sagt Fischer.

Bei den Island-Tafeln dominieren matte, nordische Farben wie Eisblau, Braun, Grau, Vulkan-Rot. Die Arbeit mit dem Titel "Landmannalauga" etwa, so der Name einer Landschaft auf Island, besteht aus überwiegend horizontal verlaufenden kontrastreichen Schichten, von tiefstem Schwarz bis Gletscherblau, dazwischen weiße Einschlüsse ähnlich dem Kalkspat, wie er in Magmagestein vorkommt. Neben Erden aus Island lagern im Atelier Sande aus der Negev-Wüste in Israel, dazu Gipsformen für zarte Porzellanschalen, dutzende Fläschchen mit Aufschriften wie Gelb-Opal, Grenadine-Rot oder Aquamarin. In einem Regalfach befindet sich eine umfangreiche Sammlung exotischer Muschelgehäuse, die der Künstlerin als formale Anregung dienen. Alles, was sie sonst für ihre Kunst braucht, kauft sie bei einem Töpfereibedarf in Baldham-Dorf. Die hohe Zahl an Plastiktöpfchen eines Feinkost-Unternehmens, in denen statt leckeren Salaten und Desserts keramisches Material lagert, lässt darauf schließen, dass die Fischers auch beim Essen Exquisites schätzen.

SZ-Serie: Sommer-Atelier: Die Keramikkünstlerin aus Kirchseeon lotet die Grenzen des Porzellans aus.

Die Keramikkünstlerin aus Kirchseeon lotet die Grenzen des Porzellans aus.

(Foto: Christian Endt)

"Porzellan ist wie Sahne, so fein und gummimäßig; ich wollte immer ausloten, wie weit man künstlerisch damit gehen kann", sagt sie. Indem sie malerische und plastische Gestaltungsmittel einbezieht, hat sie sich längst vom konventionell-kunsthandwerklichen Umgang mit Porzellan entfernt. Ihre "zerbrechlichen Landschaften", wie sie die Serie nennt, entstehen seit 2011. "Ich interpretiere Gestalteindrücke bereister markanter Landschaftsformationen in Reliefs. Oft sind mitgebrachte Fundstücke eingearbeitet, die charakteristische Farbnuancen beisteuern."

Neben den sechs Island-Reliefs wird Fischer ihre bereits in Ausstellungen gezeigte Stele "Terra Bavariae" und ein weiteres Islandmotiv einreichen. Nun hofft sie, dass die Arbeiten angenommen werden. "Die Ausstellung wird im Anschluss an Frankenthal im Porzellanikon in Selb, dem Staatlichen Museum für Porzellan, gezeigt. "Dort vertreten zu sein, das wäre schon etwas ganz Besonderes", sagt sie und strahlt.

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