SZ-Serie: Die schaffen das, Folge 3:Kein Kuschelpädagoge

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Hart aber herzlich: Florian Robida kümmert sich um Flüchtlinge. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Florian Robida kümmert sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Von Annalena Ehrlicher, Ebersberg

Seine Gesten sind klein. Alles Aufgeregte scheint Florian Robida, stellvertretender Leiter des Jugendamtes Ebersberg, zuwider. Kurz geschnittene Nägel, große Handflächen - Hände, die anpacken können. Zahllose Betten haben sie schon aufgebaut, für die minderjährigen Flüchtlinge in den Einrichtungen des Jugendamts. "Mit meiner Kollegin brauchen wir bei Ikea inzwischen zehn Minuten und haben alles, was wir brauchen - wir würden jedes Ikea-Quiz gewinnen", erzählt er grinsend. Mit seinen drei Kindern verbringt er schon mal die Wochenenden damit, in den Unterkünften Betten aufzubauen - "der 9-Jährige kann das schon alleine", erzählt er mit einem Anflug von Stolz.

"Ich denke, ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass wir wahnsinnig unterstützt werden- meine Frau schmeißt daheim den Laden ", so der 40-Jährige. Er "dürfe" auch mal länger arbeiten, weil sie ihm den Rücken frei halte - und damit sei er kein Einzelfall. "Ich bin bloß derjenige, der halt vorne dran steht - aber es sind ganz viele, die das möglich machen." Immer wieder betont Robida die Zusammenarbeit innerhalb des Jugendamtes. "Wir leben davon, dass wir einander zuhören und uns auch gegenseitig aushelfen", sagt er. Zusätzlich zu den eigenen Aufgaben springen Teammitglieder immer wieder ein, um "draußen zu helfen", wie er es formuliert.

Robida selbst fand erst auf Umwegen zum Jugendamt. Zunächst lernte er Industrieelektroniker, arbeitete bei BMW. Dann Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, Studium der Sozialpädagogik. Die Mitarbeit in einem katholischen Jugendverein hatte sein Interesse geweckt.

Die größte Belastung in seinem Job sei, "wenn wir mitbekommen, wie unsere Jugendlichen angefeindet werden". Übergriffe an S-Bahn-Stationen oder Extremfälle wie der Überfall in der Ebersberger Dönerbude. "Das ist die eigentliche Belastung - die zusätzlichen Stunden und das Aufbauen, das ist es nicht."

Der Gegenwind, der sich nicht wegleugnen lässt, sei aber nicht das einzige Problem, so Robida. Der "offiziell unterstützende Wind" sei nicht minder problematisch. Ein Beispiel: Wenn in der Einrichtung den minderjährigen Flüchtlingen eine gebrauchte Jacke angeboten wird und die Jugendlichen entrüstet ablehnen, so ist es wenig hilfreich, wenn Außenstehende diesen dann die gewünschte teure Jacke bezahlen und so das Bemühen der Betreuer konterkarieren. Das Mittelmaß zu finden, sei die große Herausforderung dabei: "Grenzen - darum geht es beim Elternsein", so Robida.

Als Vaterfigur sieht er sich nur bedingt, da er meist nur in die Einrichtungen gerufen werde, "wenn's brennt." Er ist immer in Rufbereitschaft, wenn sich nachts ein Problem ergibt, schaut vor Ort nach dem Rechten. "Die Jungs wissen das natürlich: Wenn ich komme, ist Schicht im Schacht." Hart aber herzlich lässt sich Robidas Auftreten beschreiben. Während er seine dritte Tasse starken, schwarzen Kaffee trinkt und die Probleme schildert, mit denen er und seine Mitarbeiter täglich zu kämpfen haben, fixiert er sein Gegenüber. Robida spricht langsam, bedacht und hält doch nicht hinterm Berg. "Wir machen hier keine abgefahrene Kuschelpädagogik", sagt er, "es geht darum, hinzulangen, fair und erdig."

Wichtig sei es, allen Beteiligten gegenüber ehrlich zu sein. "Es ist nicht immer lustig mit den Jungs und häufig geht es auch darum, ihnen zu zeigen, was etwas wert ist." Wenn den Jugendlichen von der Jugendhilfe alles in die Hände gelegt werde, stelle sich doch die Frage: Wofür arbeiten? "Wichtig ist auch, dass wir hier ein Angebot machen", erklärt er. Die Jugendlichen werden nicht in Hallen, sondern in Wohnungen untergebracht. Sie bekommen einen Schulplatz und dürfen sich innerhalb "gewisser Regeln" frei bewegen. "Ich erwarte nur das, was ich auch bringe", sagt er. Wer das nicht leisten wolle, sei im Zweifelsfall falsch in Ebersberg."

Die Hürden, mit denen sich Robida und sein Team herumschlagen müssen, sind vielfältig. Ob es darum geht, angemessene Wohnungen für minderjährige Jugendliche zu finden oder qualifiziertes Personal zu bekommen - häufig ist der bürokratische Aufwand immens hoch und erschwert die Arbeit. Beispielsweise bei der Suche nach Personal: Die Betriebserlaubnis für eine Einrichtung erlischt, wenn die Betreuer nicht zum klassischen Fachpersonal gehören. "Aber wenn ich anschaue, was aus den Unis und Schulen in München abgeht - das reicht nicht mal, um die Plätze in München abzudecken!" So kommt es, dass das Jugendamt mit eigenem Personal aushelfen muss.

"Ich glaube, wir im Landkreis machen es im Vergleich gut", sagt Robida. Und fügt zögernd hinzu: "Wir könnten es aber auch noch besser machen, einfach, indem wir klarer gegenüber allen Seiten sind." Realist zu bleiben, sei das Wichtigste - sowohl den Anwohnern als auch den Flüchtlingen gegenüber. "Wir bekommen hier einen Querschnitt der Bevölkerung - da sind super Leute dabei und da sind nicht so tolle Leute dabei", erklärt er. "Ich mag auch nicht alle Deutschen", fügt er mit einem breiten Grinsen hinzu. Natürlich werde es auch Reibereien und Ärger geben, das auszublenden wäre falsch. "Aber grundsätzlich sind die meisten schon in Ordnung", sagt Florian Robida bedächtig. "Ich bin guter Dinge, ich denke, das wird schon laufen."

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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