SZ-Porträtserie, Folge 6:Griechisches Öl gegen schlechte Stimmung

Katina Bogea - Griechin aus dem Landkreis.

Aus dem kleinen Dorf Itylon im Süden der Peloponnes-Halbinsel stammt Katina Bogea - von dort bezieht sie auch ihre Ware.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Griechin Katina Bogea lebt seit einem halben Jahrhundert in Deutschland. Spezialitäten aus ihrer Heimat kommen bei den Menschen gut an

Von Matthias Reinelt, Forstinning

Auf die Frage, ob sie etwas aus Griechenland vermisse, muss sie erst einmal überlegen. "Ich bin schon sehr eingebettet hier", sagt sie, allerdings fehle ihr manchmal, sich einfach in die weite Landschaft zu stellen und aufs Meer zu blicken. Oder sie denkt daran, in Ebersberg zu wohnen, um öfter einmal die Berge sehen zu können. In Forstinning sei immer der Wald im Weg. Katina Bogea lebt schon seit einem halben Jahrhundert in Deutschland. Ihr Vater kam 1961 als Gastarbeiter nach Deutschland. Zuerst nach München, dann über Marburg nach Sindelfingen. Die Mutter folgte ihrem Mann schon 1962 nach, die kleine Katina und ihr Bruder blieben noch bei der Großmutter in der Heimat. Erst 1965 kamen sie dann nach Deutschland, lebten also vier Jahre ohne Vater und drei Jahre ohne ihre Mutter.

Die ersten drei Jahre in der Grundschule tat sie sich sehr schwer. "Das Grundschulzeugnis sah furchtbar aus. Da waren lauter Sechser drin", berichtet Bogea und kann jetzt darüber lachen. Ihr Vater sei sehr dahinter gewesen, dass seine Kinder eine gute Ausbildung bekommen. Er selbst hatte diese durch Krieg und Bürgerkrieg verpasst. Die gebürtige Griechin sagt, er sei manchmal etwas zu streng gewesen, aber "es war ihm das Wichtigste, dass wir etwas lernen". Zusätzlich zur deutschen Grundschule ging sie damals in Sindelfingen nachmittags noch zur griechischen Schule, weshalb Zeit fürs Lernen fehlte. In dieser Zeit sei sie viel mit anderen Griechen zusammen gewesen. Sie beschreibt es als eine Art "Parallelgesellschaft", sagt aber auch: "Am Anfang braucht man seine eigenen Leute, bevor man dann seine Fühler ausstreckt."

Mit der Zeit kam sie aber auch mit der deutschen Sprache zurecht und schaffte den Übertritt ans Gymnasium und schließlich auch ihr Abitur. Danach folgte ein Biologiestudium in Konstanz am Bodensee. Anschließend arbeitete sie in Heidelberg für eine amerikanische Firma, die Geräte und Chemikalien an Biologen verkauft und bei der sie heute immer noch tätig ist, allerdings in München. Unter anderem deshalb kam sie 1993 gemeinsam mit ihrem Mann in den Landkreis, die ersten drei Jahre verbrachte das Paar in Pastetten. Ihren deutschen Pass bekam sie dann ein Jahr später. "Das erste Mal wählen zu dürfen, war wunderbar", sagt sie.

Seit 1996 leben die Eheleute gemeinsam in Forstinning. Die beiden hatten sich schon in Konstanz kennen gelernt. "Diese Wanderung haben wir zusammen gemacht", sagt sie. Seit letztem Jahr beziehen sie ihr eigenes griechisches Olivenöl und biozertifizierte Oliven aus Bogeas Heimat. Ihre Familie kommt aus dem kleinen Dorf Itylon in der Region Mani, einem Landstrich im Süden der Peloponnes-Halbinsel. Die Produkte stammen von ihren eigenen Bäumen, die sie von ihrem Vater geerbt hat. Bogeas Cousin kümmert sich um die Ernte und lässt die Spezialitäten mit Lastwagen und Fähre über Italien nach Deutschland importieren. Das Öl der Bäume wird nicht gefiltert, sondern setzt sich auf natürliche Weise ab, wie die 59-Jährige erklärt. Außerdem bieten die beiden eine ganz besondere Art Meersalz an, die es nur in bestimmten Regionen Europas gibt.

Zudem können sie manchmal kleine Mengen Oregano anbieten, der unter den Bäumen wächst. Das Ehepaar suchte nach einem Samstagsmarkt, um ihre Produkte zu verkaufen. Allerdings sei sie nicht auf Profit aus, das Ganze sei sowieso "kein Riesengeschäft". Es war mehr eine Gegenmaßnahme, um gegen die schlechte Stimmung vorzugehen, die aufgrund der Finanzkrise in Griechenland herrschte, und weshalb es die studierte Biologin dadurch hierzulande wieder schwerer hatte. Sie fragte bei Werner Karg vom Bund Naturschutz nach, und dieser lud die beiden zum "Schnuppern" auf den Grafinger Wochenmarkt ein. Dort wurden sie freundlich aufgenommen, eine Dame kam sogar zu ihnen und sagte, dass sie mit ihren Produkten eine Bereicherung für den Markt seien. Sie fühlten sich gleich wohl, es herrsche eine gute Stimmung unter den Marktleuten. Die Kunden suchen Produkte, die direkt vom Erzeuger stammen und "da sind wir genau die Richtigen", sagt Bogea. Außerdem gebe es hier Menschen, die gute Produkte wertschätzen und auch bereit sind, dafür etwas mehr auszugeben. Nach diesem ersten Eindruck durfte das Ehepaar entscheiden, ob sie ihren Stand regelmäßig auf dem Grafinger Wochenmarkt aufbauen wollen, der immer samstags Vormittag stattfindet.

In ihrer Zeit in Deutschland hat es allerdings auch viele Schattenseiten gegeben. "Ungefähr 30 Jahre lang, bis 1990, hatte man nie das Gefühl, dazuzugehören." In der Schule, in der Arbeit musste sie des Öfteren mit Anfeindungen zurecht kommen. Ihr Mann spricht sogar von Alltags-Rassismus. "Doch es gab auch einzelne Deutsche, die sehr gute Freunde wurden. Die haben das wieder wett gemacht", erzählt Bogea.

In sechs Jahren geht sie in Rente. Sie sagt, ihr Mann und sie werden wohl "wandern", also einen Teil des Jahres in Deutschland und in Griechenland leben. Die beiden gemeinsamen Kinder sind schon erwachsen. In ihrer Heimatregion habe ein deutscher Auswanderer Griechen überzeugt, Öl anzubauen. Es gebe sogar einige Deutsche, die dorthin ausgewandert seien und Öl verkaufen. Also der umgekehrte Fall. Diese Menschen sehe sie ein wenig als Vorbilder an. Sie will mit ihnen in Kontakt treten und sich austauschen.

Die Unterschiede zwischen den beiden Völkern: Den Deutschen, so Bogea, fehle manchmal eine gewisse Herzlichkeit und Spontaneität. In Griechenland sei noch nicht alles so "perfekt organisiert und effizient durchgetaktet", sagt sie. Allerdings hätte sie auch von deutscher Seite viel Herzlichkeit erlebt.

"Im Endeffekt", sagt die Griechin, "kann ich nach 50 Jahren mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede feststellen." Integration sei eben kein schneller Schritt. Man wandere nicht an einem Tag ein, sondern über mehrere Jahre hinweg, ist sie überzeugt. Das dauere ein bis zwei Generationen. "Alle müssten sich deshalb in Geduld üben."

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