SZ-Adventskalender:Zum Leben zu wenig

Immer mehr Rentner im Landkreis sind auf Grundsicherung angewiesen. Ihre finanzielle Lage bleibt prekär - und führt oft in die Einsamkeit

Von Johanna Feckl, Ebersberg

"Zum Sterben ist es noch zu viel, zum Leben aber zu wenig." Jutta Hommelsen vom Zentralen Sozialdienst im Landratsamt hält kurz inne, bevor sie mit sorgsam gewählten Worten weiterspricht. Und trotzdem mag es für viele Ohren nach einer abgegriffenen Phrase klingen, die sie da in den Mund nimmt. Wenn man aber hört, was Hommelsen über Menschen im Landkreis erzählt, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, dann wird aus der Phrase eine punktgenaue Zustandsbeschreibung.

Rentner, deren Bezüge aus dem gesetzlichen Rententopf oder aus einer Erwerbsunfähigkeitsrente so gering sind, dass es nicht zum Leben reicht, könnten Grundsicherung im Alter beantragen, erklärt Jutta Hommelsen. Grundsicherung heißt, dass ein Regelbedarf von monatlich höchstens 404 Euro gezahlt und maximal 610 Euro an Mietkosten übernommen werden. Seit einigen Jahren schon gibt es einen stetigen Anstieg an Betroffenen. Derzeit erhalten 308 Rentner im Landkreis eine Grundsicherung. Im vergangenen Jahr waren es knapp 20 Senioren weniger. Hommelsen gibt zu bedenken, dass diese Zahlen nicht zwingend die tatsächliche Lage aller Rentner im Landkreis abbilden. "Studien belegen, dass ungefähr jeder dritte Anspruchsberechtigte erst gar keine Grundsicherung beantragt", sagt sie. Versteckte Armut nennt man so etwas dann. Dass so viele Senioren keine Grundsicherung beantragen, mag recht unterschiedliche Gründe haben: Manche wissen womöglich gar nichts von ihrem Anspruch; bei anderen obsiegt die Scham, auf diese Hilfeleistung zurückgreifen zu müssen.

SZ-Adventskalender: Grundsicherung heißt 404 Euro im Monat für Lebensmittel, Strom, Kleidung, Verkehr, Medikamente und Hygieneartikel.

Grundsicherung heißt 404 Euro im Monat für Lebensmittel, Strom, Kleidung, Verkehr, Medikamente und Hygieneartikel.

(Foto: Catherina Hess)

Die 404 Euro Regelbedarf umfassen sämtliche Ausgaben für beispielsweise Lebensmittel, Hygiene- und Gesundheitsartikel, Kleidung, Strom oder Verkehr. "Im Grunde genommen soll der Betrag alles abdecken, was man für das tägliche Leben braucht", sagt Hommelsen. Der Regelbedarf ist in verschiedene Kategorien gegliedert, denen jeweils ein genauer Betrag zugeteilt ist. Für die Gesundheitspflege sind das höchstens 17,35 Euro. Und das bei einer Altersgruppe, bei denen die Kosten für Gesundheit stetig wachsen: Die benötigten Medikamente werden mehr. Die Zähne werden immer schlechter, sodass eigentlich Kronen, Brücken oder gar Prothesen erforderlich sind. Das Gehen fällt zunehmend schwerer und macht vielleicht eine Gehhilfe notwendig. Der Preis für eine solche liegt je nach Art der gesundheitlichen Probleme allerdings bei mindestens 100 Euro. Kann man sich diese Summe von den monatlich knapp 18 Euro nicht ansparen, die einem für solche Ausgaben zugestanden werden, bleibt nur noch das Verweilen in den eigenen vier Wänden. "So etwas schließt den Betroffenen aus der Gesellschaft völlig aus", so Hommelsens Fazit.

Es geht also sehr schnell, dass man nicht mehr nur von Altersarmut, sondern auch von Einsamkeit im Alter spricht. "Viele Menschen ziehen sich in solchen Situationen zurück." Oft kommt noch ein Schamgefühl hinzu, arm zu sein; eine Angst, von den Mitmenschen verurteilt und aktiv abgelehnt zu werden. Deshalb achten die meisten Rentner, die zu Hommelsen kommen, sehr darauf, dass man ihnen äußerlich ihre Armut nicht ansieht, sagt sie.

Was vielen Menschen aus der Einsamkeit helfen und ihnen dadurch Lebensqualität zurückbringen könnte, das wären laut Hommelsen Haustiere. "Die bringen Struktur in den Alltag!" Aus ihrer langjährigen Erfahrung weiß sie, wie wichtig das für die Betroffenen ist: Man kümmert sich um den Hund oder die Katze, man hat wieder eine Aufgabe. Aber die Kosten für ein solches Tier sind in den Regelbedarfssätzen der Grundsicherung nicht vorgesehen.

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Die prekäre finanzielle Lage, in der sich ältere Menschen oft befinden, hat aber neben der zunehmenden Isolation noch einen weiteren Aspekt, auf den Simone Rohrer, Einrichtungsleiterin des Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Markt Schwaben verweist. "Diejenigen, die bei uns einziehen, sind immer älter und immer kränker." Ein Heimplatz koste nun einmal sehr viel Geld. Viele nähmen deshalb lieber die vergleichsweise günstigen ambulanten Pflegedienste in Anspruch. Und das oftmals auch, wenn eine ausreichende Versorgung durch den Pflegedienst gar nicht mehr sichergestellt werden könne. Das ist beispielsweise bei einer sehr fortgeschrittenen Demenz der Fall. Rohrer betont, dass die unzureichende Betreuung meistens nicht auf mangelndes Interesse von Seiten der Familienangehörigen zurückzuführen sei, sondern auf einen Mangel an Geld. Um das Elend zumindest an manchen Stellen zu lindern, möchte der SZ-Adventskalender älteren Menschen, deren Alltag von Armut und Einsamkeit gezeichnet ist, mit Spenden helfen und sie gezielt unterstützen. Oft sind dafür schon Kleinigkeiten ausreichend. Jutta Hommelsen erzählt, dass viele Betroffene die Spenden zu einem großen Teil gar nicht für sich verwenden möchten - sondern für Weihnachtsgeschenke. "Für viele ist es sehr schlimm, wenn sie ihren Enkeln nicht einmal etwas Kleines zu Weihnachten schenken können."

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