SZ-Adventskalender:Kein Platz für die Familie

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Wolde Mikael und Hiwot aus Eritrea müssen ihre Übergangswohnung räumen, obwohl das Paar im Februar sein drittes Kind erwartet

Von Karin Kampwerth, Zorneding

Im Treppenhaus hört man Aedn schon singen. "Oh Tannenbaum, oh Tannenbaum", dazu hüpft die Fünfjährige mit den Flechtzöpfchen wie ein kleiner Flummiball an der Reporterin hoch. Diese Unbeschwertheit, diese Fröhlichkeit, diese leuchtenden Kinderaugen - wenn das nicht der beste Grund für Aedns Eltern Wolde Mikael und Hiwot war, aus Eritrea zu fliehen, um die Familie, zu der noch die sechsjährige Tsion (alle Namen geändert) gehört, vor einem radikalen Regime in Sicherheit zu bringen. Der afrikanische Staat gilt bei ausländischen Beobachtern als repressiv, wenn nicht sogar als Diktatur.

Doch in dieser Geschichte soll es nicht um die Flucht gehen, sondern um das Ankommen. Was Wolde Mikael und seiner Familie schon recht gut gelungen ist, wenn da nicht die Angst vor der Obdachlosigkeit wäre. Ein Grund dafür, dass es das Paar schwer hat, eine Wohnung zu finden, sind Wolde Mikaels und Hiwots afrikanische Wurzeln. Eine Herkunft, die sich aufgrund ihrer Hautfarbe nicht leugnen lässt. "Das macht es nicht unbedingt leichter, einen Vermieter zu überzeugen, der Familie eine Wohnung zu geben", sagt Albert Burger vom Zornedinger Helferkreis, der Wolde Mikael von Beginn an betreut.

2015 war der 33-Jährige nach einer abenteuerlichen Flucht in Deutschland gelandet. Wolde Mikael war von 2002 bis 2012 beim eritreischen Militär zwangsverpflichtet. Weil er sich dem Regime nicht treu ergab, kam er ins Gefängnis. Nach vier Monaten und dank einer Revolte gelang es Wolde Mikael, zu fliehen. Zuerst nach Äthiopien und von da über den Sudan, bis er schließlich 2015 in Zorneding ein Zuhause und auch Arbeit fand.

Bis vor einem Jahr quälte Wolde Mikael die Sorge um seine Familie. Zehn Monate lang hatte er überhaupt keinen Kontakt zu seiner Frau. Die eritreische Regierung hatte auch Hiwot in Haft genommen, um den Aufenthaltsort ihres Mannes zu erpressen. Weil Hiwot im Gefängnis misshandelt und schwer krank wurde, entließ man die 26-Jährige schließlich. Die zierliche junge Mutter sah nur eine Chance, sie packte ihre zwei kleinen Mädchen und machte sich auf den Weg nach Äthiopien. Drei Tage und Nächte war Hiwot unterwegs, musste mit den Kindern zum Schlafen auf Bäume klettern, um nicht von Hyänen angefallen zu werden. Im Januar vor einem Jahr dann durften die drei endlich nach Deutschland reisen.

Im Frühjahr erwarten Wolde Mikael und Hiwot ihr drittes Kind und das Glück wäre perfekt, wäre da nicht diese Sorge, wo die Familie künftig leben soll. Denn das Zuhause in Zorneding ist nur auf Zeit. Die Gemeinde hat es an Wolde Mikael und Hiwot lediglich übergangsweise vermietet, das Haus wird im kommenden Jahr saniert. Eigentlich müsste die Wohnung schon Ende Dezember geräumt werden, doch Albert Burger konnte einen kleinen Aufschub erwirken. Seit Monaten sucht die Familie nach einer neuen Bleibe. Aber, so sagt Burger, bei den vielen Bewerbern, die auf eine Sozialwohnung kämen, habe es eine bald fünfköpfige Familie aus Eritrea besonders schwer. Allein in Zorneding gibt es zirka 100 Bewerbungen für eine Sozialwohnung.

Wolde Mikael bietet den Besuchern Tee an, Hiwot schenkt aus einem Plastik-Messbecher Wasser ein. Ein Teller mit Orangenschnitzen steht auf dem Tisch. Die Wohnung ist hell, aber winzig. Eine kleine Küche, in die zwei Erwachsene nicht gleichzeitig passen. Im Wohnzimmer steht eine Eckbank, ein Esstisch und ein Ikearegal mit den Küchenutensilien. Die senfgelbe Polstergarnitur stammt aus den 1960er-Jahren. Im kleinen Schlafzimmer stehen drei Betten für die ganze Familie. Dann gibt es noch ein winziges Bad.

Aedn und Tsion kommen ins Wohnzimmer gelaufen und zeigen Bilder, die sie gemalt haben. Tsion hat außerdem die Namen ihrer Eltern auf ein Blatt Papier geschrieben. Papa Wolde Mikael ist der Stolz auf seine kluge kleine Tochter, die nächstes Jahr in die Schule kommt, anzusehen. Kaum glauben kann er, dass seine beiden Mädchen inzwischen nahezu akzentfrei deutsch sprechen.

Gerne würde die Familie in Zorneding bleiben, weil Aedn und Tsion im Kindergarten Freundinnen gefunden haben und Jesu in einer Gastwirtschaft in der Küche angestellt ist. Dankbar wären er und seine Frau aber auch, wenn sie im S-Bahn-Bereich etwas fänden, weil Wolde Mikael oft auch bis spät abends arbeiten muss. Ideal wäre natürlich eine Dreizimmerwohnung, sagt Albert Burger. Und für Vermieter sei vielleicht positiv, dass die Miete vom Jobcenter gezahlt werde.

Was die Familie dann braucht, sind Möbel für die Kinder und was sonst noch bei einem Umzug anfällt. Hiwot schmiegt sich an ihren Mann, der bescheiden abwinkt. Am wichtigsten ist, wie er sagt, für die Familie ein Dach über dem Kopf, vielleicht schon im Januar. Dann wird das orthodoxe Weihnachtsfest gefeiert und Aedn und Tsion könnten im neuen Zuhause "Oh Tannenbaum" singen.

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