SZ-Adventskalender:Immer auf Abruf

Lea F. betreut ihre schwerstbehinderte Tochter rund um die Uhr. Ein Auto würde der kleinen Familie das Leben nicht nur erleichtern, es könnte im Zweifel sogar das Leben der zehnjährigen Sophie retten.

Von Annalena Ehrlicher

SZ-Adventskalender: Behinderungen von Kindern sind oft Folge von Geburtskomplikationen. Die zehnjährige Sophie erlitt eine schwere Gehirnblutung, als sie auf die Welt kam.

Behinderungen von Kindern sind oft Folge von Geburtskomplikationen. Die zehnjährige Sophie erlitt eine schwere Gehirnblutung, als sie auf die Welt kam.

(Foto: Catherina Hess)

Die gemütliche Atmosphäre ist das erste, was in Lea F.s (Name von der Redaktion geändert) Wohnung auffällt: Gedimmtes Licht, eine Kerze auf dem Küchentisch, der Geruch nach Rooibus-Tee. "Sophie kommt gleich von der Schule nach Hause", sagt sie, "da freut sie sich sicher, wenn Leute da sind." Sophie ist Leas zehnjährige Tochter - und ihr Vollzeit-Job: Bei Sophies Geburt erlitt diese eine schwere Hirnblutung und brauchte einen sogenannten Shunt, gewissermaßen eine Leitung ins Gehirn, da ihr Hirnwasser nicht richtig abfließen konnte - eine riskante Operation für ein Neugeborenes.

Doch Sophies Leidensgeschichte fing damit erst an: Es kam zu zahllosen Komplikationen, zu einer Entzündung des Shunts und einer daraus folgende Meningitis. Hinzu kommt, dass Sophie mit drei Jahren eine schwere Form von Epilepsie entwickelte. Seitdem bekommt sie starke Krämpfe, die zu Atemstillständen führen. Das kleine Mädchen läuft immer wieder blau an und droht zu ersticken. Das Ergebnis: Sophie ist schwerstbehindert und braucht dauerhafte Pflege.

Die Mutter ist rund um die Uhr auf Abruf

"Das kann sich keiner vorstellen", erzählt Lea F., während sie ihren einjährigen Sohn auf den Arm nimmt, "nicht mal diejenigen, die es täglich miterleben." Als sie ihren Sohn bekam, übernahmen ihr Freund und ein Student, der Sophie seit Jahren einmal die Woche betreut, für eine Weile den Haushalt. "Die waren so fertig, zwei erwachsene Männer", erinnert sie sich, "weil es einfach nie aufhört, man ist immer auf Abruf, die Nacht und den Tag, die Nacht und den Tag."

Da Sophie immer wieder epileptische Anfälle hat und ersticken könnte, ist ihre Mutter mit einem Ohr immer bei ihr. "Deshalb konnte ich auch nie längere Zeit einen Job behalten", erzählt sie. Denn das Wichtigste für Lea F. bleibt immer die Sorge um die Tochter.

Die ständige Verantwortung, der unterbrochene Schlaf, die finanziellen Sorgen - das alles hat Lea F. an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gebracht. "Und keiner hat sich zuständig gefühlt!", erzählt sie. "Egal ob ich beim Jugendamt war oder beim Bezirk: Alle hatten irgendwie Mitleid, aber helfen konnte uns keiner." Bis sie - durch Zufall - auf das Ambulante Kinderhospiz München gestoßen ist. "Gerade noch am Schopf aus dem Sumpf gezogen" habe sie die Mitarbeiterin der Stiftung.

Eine Familienbegleiterin unterstützt auch bei Notfällen

Gemeinsam erarbeiteten sie eine Liste mit Aufgaben - ganz oben stand: Entlastung suchen. Eine Kur in einem Kinderhospiz im Schwarzwald wurde organisiert, eine helfende Hand gereicht. Die größte Hilfe: Eine ehrenamtliche Familienbegleiterin, die Lea F. inzwischen einmal die Woche unter die Arme greift und für Notfälle die Ansprechpartnerin der Familie ist. "Das ist tatsächlich unbezahlbar", fasst Lea F. zusammen.

"Und für mich ist Sophie eine unglaubliche Bereicherung", wirft Familienbegleiterin Maria ein. Sobald Sophie in ihrem Rollstuhl in die Küche gerollt kommt und einen erstaunten Laut ausstößt, ist klar, was sie meint. Auch wenn sie nicht sprechen kann, reagiert sie doch auf ihre Umwelt, sie lacht und greift nach ihrem kleinen Bruder, der sich frech an Sophies Rollstuhl hochzieht und sich auf der Trittfläche positioniert. Im Hintergrund läuft leise Manu Chao - "das mag sie besonders gern", erklärt Lea F.

Ob sie mit ihrer Situation jetzt nicht mehr hadert? "Überhaupt nicht - es ist ja schon so lange so", antwortet sie. Über die Jahre seien sie zusammengewachsen, Sophie ist ihr Kind. "Würde ich aus dem Nichts heraus so einen großen ...", sie wendet sich an ihre Tochter, "'tschuldige, Sophie: behinderten Menschen bekommen, wäre ich natürlich überfordert", sagt sie - auch jetzt mit einem Lachen.

Trotz der Anstrengungen bleibt die Mutter optimistisch und fröhlich

Insgesamt lacht Lea F. viel, trotz der dunklen Augenringe von zahllosen schlaflosen Nächten, trotz der andauernden Sorge um ihre große Tochter. Dieser Grundoptimismus, den sie sich bewahrt hat, ist es, der sie in der Vergangenheit für manche Spendenaktion disqualifiziert hat. "Viele Leute sind abgestumpft und wollen einen aus dem Auge wuchernden Tumor sehen", bemerkt sie. "Wenn ich dann von unserer Situation erzähle, verursacht das zwar Mitleid - aber nicht mehr." Dabei streicht sie ihrer Tochter eine Haarsträhne aus dem Gesicht und räuspert sich. "Kinder wie Sophie ... sind meistens nicht so lang. Den richtigen Zeitpunkt dafür gibt es nie. Aber ich hadere nicht mehr."

So können Sie helfen

Hier können Sie sicher online spenden:

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Überweisungen sind auf folgendes Konto möglich:

Kreissparkasse

München Starnberg Ebersberg

IBAN: DE51 7025 0150 0950 0039 39

BIC: BYLADEM1KMS

Jede Spende wird ohne Abzug dem guten Zweck zugeführt. Alle Sach- und Verwaltungskosten, die entstehen, trägt der Süddeutsche Verlag.

Was ihr tägliches Leben erschwert, ist wie sie manchmal behandelt wird: "Wenn ich beim Jobcenter bin und jeden Cent, jede Packung Windeln, die mein Freund mir mitbringt, angeben muss und dann noch als die arbeitslose Mutti abgestempelt werde", sagt sie ärgerlich, "das ist einfach unmöglich." Und so ist auch das Geld knapp: Urlaub? "Hatte ich seit zehn Jahren nicht mehr." Ein Auto? Kann sich die Familie nicht leisten. Nicht nur Ausflüge werden für alle zur Belastung, wenn mit Rollstuhl, Kinderwagen und Ausrüstung die Öffentlichen genutzt werden müssen - auch in Notfallsituationen steht die Familie alleine da.

Erst vor kurzem kam es zu einer solchen Situation: Lea stellte abends eine stark erhöhte Temperatur bei ihrer Tochter fest, dazu kam Erbrechen. "Als ich gemerkt habe, dass ihre Atmung immer schwerer ging, habe ich einen Arzt gerufen", erzählt sie. Dieser leitete sie aber direkt an ein Krankenhaus weiter.

Die Spenden sind ein erster Schritt in Richtung eigenes Auto

Die Familie wartete zwei Stunden auf einen Krankenwagen, der Sophie dann in eine Klinik brachte, in der man sie nicht kennt - nur um sie von dort aus erst spätnachts wieder nach Hause zu schicken, nachdem Sophies Zustand nicht als lebensbedrohlich eingestuft wurde. "Sonst hätte ich jetzt wieder täglich mit dem Kleinen zum Krankenhaus und zurück pendeln müssen", sagt Lea F.. "Dann ist es daheim doch besser."

Mit Spenden aus dem SZ-Adventskalender Kalender könnte die Familie einen ersten Schritt in Richtung eines eigenen Autos machen - das in Notfällen vielleicht Sophies Leben retten oder ihr an guten Tagen einen Ausflug ermöglichen würde.

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