Strafe für Altenpfleger: 88-Jährige missbraucht

Das Ebersberger Amtsgericht verurteilt einen 52-Jährigen, weil er eine 88-Jährige zu sexuellen Handlungen zwingt

Karin Kampwerth

- Wegen sexuellen Missbrauchs einer 88-jährigen Bewohnerin eines Seniorenheimes im Landkreis hat das Ebersberger Amtsgericht einen 52-jährigen Altenpfleger aus München am Mittwoch zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt, weil der Mann ein Geständnis abgelegt und die Tat vollumfänglich eingeräumt hat. Außerdem darf er für ein Jahr und zehn Monate seinen Beruf nicht ausüben, falls ihm dabei über 60-jährige Frauen anvertraut wären. Darüber hinaus wurde er zu 1400 Euro Geldbuße verurteilt, die er an eine gemeinnützige Organisation bezahlen muss.

Dunkelbraunes sorgfältig gebügeltes Hemd, ordentliche Jeans, schwarze Schuhe. Der 52-Jährige macht einen gepflegten Eindruck. Zu Beginn des Prozesses im Ebersberger Amtsgericht unter Vorsitz von Richterin Susanne Strubl wirkt er ruhig und gefasst. Im Verlauf der Verhandlung erzählt er, wie er seine Familie finanziell unterstützt, das Studium für die Nichte mit bezahlt und die Medikamente für die kranke Schwiegermutter kauft. Die abscheuliche Tat, die ihm später vorgeworfen wird und die er dann vollumfänglich durch seinen Verteidiger einräumen lässt, traut man ihm kaum zu. Er hat seine Ehefrau mitgebracht, die dem Verlauf der Verhandlung deutlich nervöser folgt. Während die Staatsanwältin die Anklageschrift verliest, blickt sie betroffen zu Boden, dreht immer wieder die Ringe an ihren Fingern. Was sie noch einmal im technischen Juristendeutsch zu hören bekommt, scheint für sie kaum erträglich. Kein Vergleich aber zu dem, was die 88-jährige Altenheimbewohnerin erdulden musste.

Irgendwann zwischen November 2010 und Dezember 2011, der genaue Tatzeitpunkt ließ sich weder durch die Aussagen des Opfers, dessen Tochter oder des Angeklagten klären, hat der 52-Jährige das Zimmer der alten Frau in dem Seniorenheim betreten, in dem der gelernte Krankenpfleger über eine Münchner Zeitarbeitsfirma beschäftigt war. Die 88-Jährige war ihm aufgrund ihrer körperlichen Gebrechlichkeit zur Pflege anvertraut. Er schlug die Bettdecke zurück und streichelte die Frau, die nur mit einem Nachthemd bekleidet war, im Genitalbereich, "um sich sexuell zu befriedigen", so die Anklage. Danach verließ er das Zimmer, kehrte aber nach kurzer Zeit wieder zurück, öffnete seine Hose und führte die Hand seines hilflosen Opfers an sein erigiertes Geschlechtsteil, um Bewegungen auszuführen, die erneut seiner Befriedigung dienten. Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass er die sexuellen Handlungen gegen den Willen der 88-Jährigen ausgeführt habe, sagte die Staatsanwältin. Sie plädierte wegen Missbrauchs einer Person in einem Betreuungsverhältnis für eine Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie ein Berufsverbot von zwei Jahren, das auf die Pflege von über 60-jährigen Frauen beschränkt werde.

Den Rahmen des Strafmaßes hatten Richterin, Staatsanwaltschaft und Verteidiger zuvor unter der Bedingung ausgehandelt, dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt. Den Kompromiss schien der 52-Jährige dann aber kippen zu wollen. Seiner Ehefrau raunte er zu, die Tat "auf keinen Fall" zugeben zu wollen. Letztlich konnte der Verteidiger seinen Mandanten davon überzeugen, dass die Strafe deutlich höher ausfallen könnte, falls Zeugen befragt werden müssen. Bis zu fünf Jahre Haft seien für die Tat laut Staatsanwältin möglich.

Dass Richterin Strubl in ihrem Urteil zwischen der Forderung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung - diese hatte neun Monate auf Bewährung und ein Berufsverbot von einem Jahr gefordert - geblieben ist, begründete sie mit dem Geständnis des Angeklagten. "Das hat Ihnen maßgebliche Pluspunkte gebracht", richtete sie ihre Worte an den 52-Jährigen. Damit habe er dem Opfer die Qual eines Prozesses erspart. Eine Freiheitsstrafe auszusprechen, sei für Strubl aber unerlässlich gewesen. "In einem Pflegeheim erwartet man Schutz und Behütung", sagte Strubl. Die 88-Jährige habe das genaue Gegenteil erleben müssen.

Zur Bewährung habe sie die Strafe nur ausgesetzt, weil der Angeklagte in geordneten Verhältnissen lebe und sogar von seiner Frau zur Verhandlung begleitet wurde, "was sicher nicht einfach war". Strubl wies den Angeklagten, der im Jahr 2ooo schon einmal wegen Missbrauchs kranker Menschen verurteilt worden war, daraufhin, dass ihn während der Bewährungszeit "jede Straftat ins Gefängnis bringt".

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