Steinhöring:Mit Posaunen und Trompeten

Das Projekt "Bläserbande", eine Kooperation von Musik- und Grundschulen, soll Kinder langfristig für ein Instrument begeistern. In Steinhöring ist derzeit vor allem Beethoven beliebt

Von Annalena Ehrlicher, Steinhöring

Stille bekommt eine völlig andere Bedeutung, hat man erst einige Minuten bei der Probe eines aus Kindern bestehenden Orchesters verbracht. Da tröten die Trompeten, es pusten die Posaunen, es trillern die Querflöten bis das Trommelfell ächzt. Unter Leitung von Paul Niedermaier ist an der Steinhöringer Grundschule ein kleines Blasorchester, die Bläserbande, entstanden, dessen Mitglieder die zweite Klasse besuchen und teilweise kaum größer als ihre Instrumente sind.

Steinhöring: Vitus und Sebastian (v.l.) spielen ihre Instrumente erst seit diesem Schuljahr.

Vitus und Sebastian (v.l.) spielen ihre Instrumente erst seit diesem Schuljahr.

(Foto: Christian Endt)

Montagmittag, 13 Uhr, Probe der Bläserbande in der Aula der Grundschule. Eigentlich sind es noch fünf Minuten bis zum offiziellen Beginn, doch die Kinder spielen sich bereits warm, während sie auf einige Nachzügler warten. Clementine und Luisa stimmen auf den Querflöten das Piratenlied an, während Vitus seine Posaune zusammensteckt. Das Instrument des Zweitklässlers ist auf dessen Körpergröße abgestimmt und reicht ihm dennoch bis knapp unters Brustbein. Wie er ausgerechnet darauf gekommen ist, Posaune zu spielen? "Die hat der Paul mir gegeben", sagt Vitus, während er am Griff des Instruments herumspielt - "und mir hat's sofort gefallen".

Steinhöring: Die Zweitklässlerin Paula ist fasziniert von Blasinstrumenten.

Die Zweitklässlerin Paula ist fasziniert von Blasinstrumenten.

(Foto: Christian Endt)

"Im Frühjahr gehen wir Lehrer von der Musikschule immer in die Grundschulen, um die Blasinstrumente erst einmal einfach vorzustellen", erklärt Niedermaier. Der zweite Schritt findet dann etwa vier Wochen später statt: Die Schüler, die sich vorstellen können, ein Blasinstrument zu erlernen - heuer waren es Rektorin Barbara Mäusl zufolge zirka 20 - haben dann die Gelegenheit, die Instrumente einmal auszuprobieren. "Durch dieses Prozedere lernen die Kinder ganz verschiedene Instrumente kennen und können sich dann ganz unbefangen entscheiden." Tipps geben die Musiklehrer nur, wenn ihnen auffällt, dass ein Kind intuitiv gut mit einem Instrument umgeht - und somit die Wahrscheinlichkeit größer ist, dass ihm das Lernen leichtfällt. "Wir wollen hier keinen schnellen Anreiz geben, vielmehr geht es um eine längerfristige Bindung", sagt Peter Pfaff, Leiter der Musikschule. Das sei zwar aufwendig, lohne sich jedoch: Die Zahlen zeigten, dass die Jugendorchester seit Beginn des Bläserbanden-Projektes - in Steinhöring wird derzeit die dritte Generation unterrichtet, in Glonn ist man schon im vierten Jahr - "florieren wie nie zuvor".

Steinhöring: Paul Niedermaier und seine "Bläserbande": Die Zweitklässler proben einmal pro Woche gemeinsam in der Aula der Grundschule Steinhöring.

Paul Niedermaier und seine "Bläserbande": Die Zweitklässler proben einmal pro Woche gemeinsam in der Aula der Grundschule Steinhöring.

(Foto: Christian Endt)

Während der Probe verursacht die Ankündigung, dass Beethovens "Ode an die Freude" gespielt wird, ähnlich große Begeisterung wie der Hinweis, dass sich jeder etwas Süßes nehmen darf. "Normalerweise bekommen wir nur was Süßes, wenn wir eine Woche lang jeden Tag geübt haben", erklärt Clementine später mit Verschwörermiene. In den Notenheften, die von der Steinhöringer Blasmusik mitfinanziert werden, können die Kinder ihre Übungszeiten notieren. In der vergangenen Woche hat Clementine zweimal 45 Minuten aufgeschrieben: ein Mal für die Probe mit der Bläserbande, das zweite Mal für den Instrumentalunterricht, den sie gemeinsam mit den anderen Kindern, die Querflöte spielen, hat. Und die weiteren Tage? "Manchmal übe ich nur fünf Minuten, aber ich übe jeden Tag", beteuert sie.

Etwas fällt an der Querflöte der Siebenjährigen auf: Sie hat ein gebogenes Kopfstück. Das liegt daran, dass die Arme des Mädchens noch nicht lang genug für die herkömmlichen Querflöten sind. "Außerdem spiele ich erst seit Dezember - Louisa hat schon im September angefangen und kann es schon besser", fügt Clementine mit einem Blick auf ihre Freundin hinzu.

Beim Musizieren sitzt der Einsatz der jungen Musiker bei einigen Liedern noch nicht ganz, in diesen Fällen lässt Niedermaier das Stück wiederholen. "Gib mir mal die erste Note", bittet er Sebastian, dessen Tenorhorn den Stücken eine Gravität verleiht, die im herrlichem Gegensatz zu den Kinderhänden steht, mit denen er das Instrument umklammert. Es folgen Vitus mit seiner Posaune und Filip mit dem Waldhorn. Als es währenddessen in der Ecke der Querflöten und Klarinetten unruhig wird, zückt Niedermaier seinen Taktstock wie einen Zauberstab und fixiert ihn zwischen seinen Handflächen. Die Wirkung ist, als hätte er tatsächlich ein magisches Utensil in Händen: das Kichern und Plaudern erstirbt. Doch nicht für lange: Nur einige Sekunden später werden Rufe nach einer Wiederholung der Ode an die Freude laut, und eine der Klarinettistinnen seufzt: "Ich liebe dieses Lied." Dass dermaßen leidenschaftlichen künstlerischen Neigungen in diesem Orchester nachgegeben wird, versteht sich von selbst.

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