Steinhöring:Marmelade für die Flüchtlinge

In Steinhöring leben zehn jugendliche, die allein nach Deutschland gekommen sind, in einer Doppelhaushälfte. Beim Grillfest mit Landrat und Nachbarn zeigt sich ein Beispiel für gelungene Integration

Von Christian Endt, Steinhöring

Zwischen Kirsch- und Apfelbaum spielen zwei Jungs Tennis mit einem Softball. Andere sitzen mit Apfelschorle und Uno-Karten am Biertisch. Eine dritte Gruppe tanzt zur iranischen Popmusik, die aus einer kleinen Stereoanlage kommt. Das Kreisjugendamt Ebersberg hat zum Grillfest in eine Unterkunft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geladen. Neben den zehn Jugendlichen, die hier in der Doppelhaushälfte in Steinhöring leben, sind etwa noch einmal so viele aus der Umgebung gekommen. Nachbarn sind da, Vertreter von Jugend- und Landratsamt und Bürgermeister Alois Hofstetter.

Landrat Robert Niedergesäß hat die Kontrolle am Grill übernommen. Mit hochgekrempelten Hemdsärmeln steht er im Rauch, wendet Putensteaks und Hähnchenschenkel. Niedergesäß redet wenig an diesem Abend, hört stattdessen viel zu, was die Fachleute zu sagen haben. Beeindruckt ist er bei einem Rundgang durchs Haus vor allem von den Deutschkenntnissen der jungen Flüchtlinge, die oft erst seit wenigen Monaten in Deutschland sind. "Zu einem habe ich ,Good Day' gesagt, darauf kam ein Servus zurück." Das Wort höre er hier häufiger als im Landratsamt.

Steinhöring: Landrat Robert Niedergesäß bestückt den Grill - assistiert von Mitarbeitern und jungen Flüchtlingen.

Landrat Robert Niedergesäß bestückt den Grill - assistiert von Mitarbeitern und jungen Flüchtlingen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dort sorgen Flüchtlinge seit Monaten für Überstunden. "Dienst nach Vorschrift funktioniert im Asylbereich nicht", sagt die zuständige Leiterin der Abteilung Soziales und Bildung, Stefanie Geisler. 66 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge leben derzeit im Landkreis, davon sieben Mädchen. Alle zwei Monate müssen Wohnplätze für etwa zehn weitere gefunden werden. Außerdem brauchen die Jugendlichen intensive Betreuung. Das Haus in Steinhöring ist meistens die erste Station im Landkreis Ebersberg. Sechs bis acht Wochen bleiben die meisten hier, werden rund um die Uhr betreut. In der Zeit schaue man, was die einzelnen Jugendlichen brauchen, erklärt Florian Robida, der sich als stellvertretender Leiter des Kreisjugendamts um die Einrichtungen kümmert. Dementsprechend werden die Flüchtlinge weiterverteilt.

In Steinhöring wohnen derzeit sechs Afghanen, drei Eritreer und ein Ghanaer. Sie sind zwischen 15 und 17 Jahre alt. Mit den meisten gebe es überhaupt keine Probleme, sagt Robida. Einer komme mit den Regeln nicht ganz klar, müsse eventuell nach München in eine Einrichtung mit intensiverer Betreuung. "Die sind teilweise 3000 Kilometer zu Fuß hierhergekommen. Manche waren zwei Jahre unterwegs. Und dann sagen wir: Du bist aber um halb acht daheim! Damit kommt nicht jeder klar." In den allermeisten Fällen funktioniere es aber trotzdem.

Steinhöring: In der Doppelhaushälfte in Steinhöring bleiben die jungen Flüchtlinge meistens sechs bis acht Wochen.

In der Doppelhaushälfte in Steinhöring bleiben die jungen Flüchtlinge meistens sechs bis acht Wochen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das sagen auch die Nachbarn in Steinhöring. Für ein gutes Zusammenleben spricht, dass fast alle direkten Anlieger der Einladung zum Grillen gefolgt sind. Eine Frau hat sogar vier große Gläser ihrer selbstgekochten Marmelade mitgebracht. Zum Einzug habe es auch schon frisch gebackene Zimtschnecken gegeben, erzählt eine Betreuerin. Bevor die ersten Jugendlichen kamen, ist das Jugendamt von Tür zu Tür gegangen, hat die Anwohner informiert und auch gesagt, wo man sich bei Problemen melden könne. Steinhörings Bürgermeister Hofstetter wohnt selbst schräg gegenüber. "Ich hätte nie gedacht, dass es so harmonisch läuft", sagt er über die neuen Nachbarn.

Das liegt sicher auch am Einsatz von Florian Robida und seinem Team. "Die sind jung, die greifen gescheit an", sagt er über seine Leute. Nach gescheit angreifen sieht auch Robida selbst aus: Der Sozialpädagoge ist groß und kräftig, trägt Vollbart und den Schriftzug "In God We Trust" als Tattoo auf dem linken Unterarm.

Robida vermittelt den Jugendlichen, dass sie von anständigem Verhalten selbst profitieren. Wer sich an die Regeln hält, darf in eine der kleineren Wohngemeinschaften umziehen. Die bestehen gewöhnlich aus zwei Einzel- und einem Doppelzimmer. In Steinhöring gibt es dagegen auch Räume mit drei Betten. Die sind noch dazu aus Stahl - in den kleinen Unterkünften stehen Holzbetten. Dort erhält auch jeder einen eigenen Schreibtisch. Statt Daueraufsicht ist nur 20 Stunden pro Woche ein Betreuer da. Am Wochenende treffen sich trotzdem die meisten in Steinhöring, gehen zusammen schwimmen oder Fußball spielen.

Alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Landkreis gehen zur Schule. Im Mittelpunkt steht intensiver Deutschunterricht, zugleich werden die Jugendlichen auf den Hauptschulabschluss vorbereitet. Für die Sommerferien hat sich das Jugendamt um Praktikumsplätze gekümmert. Zwei aus Steinhöring fangen bei dem Elektriker an, der in ihrer Unterkunft die Leitungen gelegt hat. Der suche seit Jahren einen Lehrling, erzählt Robida. "Und die Jungs hier kennt er schon."

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