Steinhöring:Das Brummen ist kein Hirngespinst

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Die Ergebnisse von Messungen bestätigen die Wahrnehmungen von Bürgern. Bis zum Spätherbst wollen Landratsamt und Gemeinde nun klären, wer der Verursacher ist

Von Carolin Fries, Steinhöring

Mehr als drei Jahre lang haben sie kaum geschlafen, Kopfschmerzen und andere physische Qualen ertragen. Noch viel schlimmer aber für die etwa 40 Steinhöringer, die sich offen dazu bekennen, einen Brummton in ihrem Haus und Garten wahrzunehmen, waren die psychischen Belastungen. Oftmals hat man sie belächelt, für Spinner gehalten, zum Arzt geschickt. Nun belegen Messungen im Gemeindegebiet zweifelsfrei, dass es den Brummton gibt. Landrat Robert Niedergesäß (CSU) will nun bis zum Herbst klären lassen, wer als Verursacher des Brummens in Betracht kommt.

Drei Wochen lang hat ein Expertenbüro aus München versucht, dem mysteriösen Geräusch auf die Spur zu kommen. An drei Standorten im Gemeindegebiet wurden dauerhaft Luftschall- und Schwingungsemissionen aufgezeichnet. Das Ergebnis der Untersuchungen, deren Kosten in Höhe von 2000 Euro sich Gemeinde und Landkreis teilen: ständig vorherrschende tieffrequente Geräusche und Vibrationen in den Innenräumen der Wohngebäude.

Henning Böhm ist erleichtert. Der 45 Jahre alte IT-Spezialist hört seit drei Jahren nahezu jeden Tag das Geräusch, dass ihn an das Summen eines Kühlschrankes erinnert, nur tiefer. Körperlich beansprucht es ihn derart, als stünde er vor einer Bass-Box. Er freut sich über die Messungen, die der Landkreis zusammen mit der Gemeinde in Auftrag gegeben hat: "Das ist eine Bestätigung, dass wir nicht spinnen."

Während die Wahrnehmungen der Bürger sowohl in Berg, Zaißing und Sensau mit Tieffrequenzen im Bereich von 40 bis 50 Hertz bestätigt wurden, überschreiten sie in einem Wohngebäude in Zaißing die Anhaltswerte der geltenden DIN 45680 für tieffrequente Geräusche. In dem Norm-Entwurf heißt es: "Im Frequenzbereich von 20 bis etwa 60 Hertz sind die Geräusche bei entsprechenden Pegeln hörbar, jedoch ist die Tonhöhenempfindung nur sehr schwach ausgeprägt. Vielfach sind Fluktuationen (Schwebungen) wahrzunehmen. Die Betroffenen klagen oft über ein im Kopf auftretendes Dröhn-, Schwingungs- oder Druckgefühl, das nur bedingt von der Lautstärke abhängig ist und bei stationären Geräuschimmissionen zu starken Belästigungen führt." Steinhörings Bürgermeister Alois Hofstetter (CSU) fasst die Ergebnisse in einem Satz zusammen: "Jetzt weiß man wenigstens, dass es da ist."

Aufgrund des Zeitverlaufs und der gemessenen Pegel ist laut Landratsamt "als Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit von Vibrationen technischer Anlagen auszugehen, die durch das Erdreich auf die Gebäude übertragen werden". Noch ließen die Ergebnisse keine Rückschlüsse über die möglichen Verursacher zu, eine natürliche Ursache könne allerdings "nahezu ausgeschlossen" werden. Mit konkreten Ergebnissen der neuen Untersuchungen rechne man frühestens im Spätherbst. Diese sollen ohne Bekanntwerden in der Öffentlichkeit realisiert werden. Denn: Im Zeitraum der jüngsten Messungen ließ das Brummen deutlich spürbar nach, nach Abschluss der Untersuchungen war es wie gewohnt stark spürbar. "Dennoch reichen die gemessenen Werte, um die Existenz nachzuweisen", betont Evelyn Schwaiger, Pressesprecherin im Landratsamt.

Henning Böhm will niemanden beschuldigen, doch für ihn erscheint es immer wahrscheinlicher, dass die Rohre der Transalpinen Oelleitung GmbH (TAL) die Vibrationen verursachen. Seit bald 50 Jahren pumpt das Unternehmen den zähflüssige Rohstoff aus dem Triester Hafen nach Karlsruhe. Über das "Brummtonforum", ein Netzwerk Betroffener im Internet, hat Böhm zuletzt erfahren, dass in Reith bei Kitzbühel ein Bauantrag wegen diverser Beschwerden zurückgestellt worden sein soll.

Dieter Strack, technischer Leiter der TAL, sieht derweil keinen Zusammenhang mit dem Brummen in Steinhöring und der Pipeline. "Das passt auch alles gar nicht zusammen", stellte er bereits im Frühjahr klar, als der Landrat zur Klärung des Brummtons einen Runden Tisch einrichtete. So sei die Pipeline gar nicht dauerhaft in Betrieb, sondern durchschnittlich nur etwa zwei Stunden pro Tag - und dass auch nicht überwiegend abends oder nachts. Auch beim Mineralölkonzern OMV, der von Steinhöring aus eine Pipeline nach Burghausen betreibt, schließt man aus, Verursacher des Problems zu sein. Ganz gleich, woher das Brummen kommt, für Alois Hofstetter steht fest: "Es muss weg."

© SZ vom 08.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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