Sozialverbände gegen Sparpaket:"Die Schwächsten trifft es zuerst"

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Berlin spart an der falschen Stelle, stänkern die Sozialverbände. Sie befürchten, dass die Armut massiv steigen könnte. Und auch die Kommunen sorgen sich.

Wieland Bögel

Fachleute und Sozialverbände im Landkreis äußern Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung. Kürzungen im Sozialbereich seien nicht nur unsolidarisch, sondern in einigen Fällen sogar kontraproduktiv. Einsparungen bei Leistungen wie dem Elterngeld könnten zu einem Anstieg der Hartz-IV-Empfänger führen.

Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler: Sozialverbände stänkern gegen das Sparprogamm der deutschen Regierung. (Foto: dpa)

"Im Sozialbereich wird immer zuerst gespart", ärgert sich VdK-Kreisgeschäftsführerin Irmi Kraus. Sie stört besonders, dass "es die Schwächsten zuerst trifft", wenn Einsparungen und Kürzungen beschlossen werden. Bereits die Diskussion um die Kopfpauschale habe gezeigt, dass die Politik sich immer mehr vom Solidaritätsgedanken verabschiede, beklagt Kraus.

Auch Marthe Glonner vom Verband berufstätiger Mütter fordert von der Politik beim Sparen die sozialen Folgen nicht aus den Augen zu verlieren. "Man sollte schon genau hinschauen, wen es trifft." Besonders bei der Kinderbetreuung und beim Elterngeld dürfe es keine Kürzungen geben. Glonner ist überzeugt, "dass Kinderbetreuung Wohlstand schafft". Dadurch entstünden nicht nur Arbeitsplätze im Erziehungsbereich, auch die Eltern könnten arbeiten und somit Steuern zahlen. "Ohne anständige Kinderbetreuung sind vor allem Alleinerziehende von Armut bedroht", befürchtet Glonner.

Die Gefahr des sozialen Abstieges von Eltern sieht die Familienbeauftragete des Landratsamtes Elfi Melbert auch für den Fall der Kürzung des Elterngeldes. Es dürfe nicht sein, "dass eine Frau plötzlich Sozialhilfe beantragen muss, nur weil sie jetzt ein Kind hat", mahnt Melbert. Auch die Streichung des Elterngeldes für Hartz IV-Empfänger sieht die Familienbeauftragte kritisch. Bereits heute seien die Sätze gerade für Familien eher knapp bemessen.

Zusätzliche soziale Einschnitte leht auch Konrad Schleißheimer von der Caritas ab. "Dadurch werden immer noch mehr Menschen in die Armut getrieben", ist er überzeugt. Schleißheimer berät Menschen mit Schuldenproblemen und hat beobachtet, dass private Überschuldung eine Folge solcher Sparmaßnahmen sein kann. Gebe es keine staatliche Unterstützung wie Mietzuschüsse oder Elterngeld mehr, seien viele Menschen gezwungen, Kredite aufzunehmen, die sie nie wieder zurückzahlen könnten, meint Schleißheimer.

Die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin Uschi Bittner (SPD) sieht durch die Einsparungen des Bundes neue Belastungen auf die Kommunen zukommen. Denn viele Leistungen müssten die Städte und Gemeinden erbringen, auch wenn es künftig weniger Geld aus Berlin gebe. "Etwa 90 Prozent aller kommunalen Ausgaben sind vom Gesetzgeber festgelegt", so Bittner.

Statt Sozialleistungen zu streichen sollten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, fordert Bittner. "Die meisten Hartz-IV-Empfänger wollen doch arbeiten", so Bittner. Deshalb lehnt sie Einschnitte bei den Hartz-IV-Leistungen ab, diese seien "mit der Würde des Menschen nicht vereinbar". Beim VdK sieht man das ähnlich, Kraus fordert, dass "im Sozialen nicht noch mehr gespart werden" dürfe, Kürzungen bei Hartz IV oder Nullrunden für Rentner lehne man darum ab. "Bei vielen Leuten geht schon jetzt nichts mehr", meint Schuldnerberater Schleißheimer. Er kann sich nicht vorstellen, wie er seinen Klienten klarmachen soll, dass sie künftig noch mehr sparen müssten.

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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