Soziale Einrichtungen:Freiwilligenflaute im Landkreis Ebersberg

Seit der Zivildienst abgeschafft wurde, bleiben viele Stellen in sozialen Einrichtungen unbesetzt. Manche Träger mussten sogar das Leistungsangebot verkleinern.

Von Jan Linkersdörfer, Ebersberg

Der Bundesfreiwilligendienst wurde geschaffen, um die ehemaligen Zivildienstleistenden in sozialen Einrichtungen zu ersetzen. Doch dieses Konzept scheint vielerorts nicht aufgegangen zu sein: 2014 traten rund 12 000 Freiwillige weniger ihren Dienst an als noch im Vorjahr. Während es in einer Mitteilung der Initiative Jugendförderung Deutschland heißt, es gebe "unzählige Bewerber", aber kaum freie Stellen, hört man von den sozialen Einrichtungen im Landkreis Ebersberg andere Stimmen.

"Ich habe genügend freie Stellen, die ich gerne besetzen würde", sagt Sebastian Oberpriller von den Maltesern. "Wir haben kaum Bewerber und viele sind zu jung, um zum Beispiel unseren Fahrdienst zu bewältigen", erklärt er. In guten Zeiten haben bei den Maltesern in Erding und Ebersberg 20 Zivildienstleistende gearbeitet, so Oberpriller. Aktuell beschäftigen sie einen sogenannten "Bufdi". "In einigen Bereichen mussten wir unserer Angebot an Leistungen verkleinern oder mit 450-Euro-Jobs besetzten." Hin und wieder werbe man zwar für den Bundesfreiwilligendienst, in Zeitungen zum Beispiel, allerdings mit mäßigem Erfolg, erklärt Oberpriller.

Portrait Julian Nett

Julian Nett war vor Beginn seines Studiums der Wirtschaftspsychologie als "Bufdi" bei der Awo.

(Foto: Jan Linkersdörfer)

Ähnliches berichtet auch Elisabeth Seibl-Kinzlmaier vom Bayerischen Roten Kreuz. Zwar sei die Situation dort weniger drastisch, dennoch sei es schwer, die Zivildienstleistenden zu ersetzen: "Wir haben zurzeit zwei von vier Stellen mit Leuten besetzt, die ihren Bundesfreiwilligendienst ableisten. Früher hatten wir aber bedeutend mehr Zivis", erklärt sie. Wie auch die Malteser ersetzt das Rote Kreuz die fehlenden Stellen mit geringfügig Beschäftigten. "Die Bewerberzahlen dümpeln so vor sich hin, einen großen Ansturm gibt es nicht. Wir sind also froh über jeden Freiwilligen, den wir kriegen", sagt Seibl-Kinzlmaier.

"In den vergangenen drei Jahren hatten wir keine Bewerber für den Bundesfreiwilligendienst", sagt auch Martin Ellmaurer, Leiter der Personalabteilung in der Kreisklinik Ebersberg. "Wenn sich jemand für solch eine Arbeit interessiert, dann bieten wir ihnen Jahrespraktika an." Drei bis fünf dieser Stellen werden jedes Jahr an junge Menschen vergeben. So wolle man Jugendlichen eine "berufliche Orientierung" geben. Außerdem erleichtere ein Praktikum den Verwaltungsaufwand für das Krankenhaus, da die Praktikanten direkt angestellt werden, und nicht wie beim Bundesfreiwilligendienst beim Bund, erklärt Ellmaurer.

Bundesfreiwillige

Mit der Wehrpflicht wurde in Deutschland 2011 auch der Zivildienst abgeschafft. Um soziale Einrichtungen weiter mit freiwilligen Hilfskräften zu unterstützen, wurde der Bundesfreiwilligendienst geschaffen. Ähnlich wie beim Freiwilligen Sozialen Jahr werden die Freiwilligen hier in der Pflege, Betreuung und in Fahrdiensten eingesetzt. Während das Freiwillige Soziale Jahr sich an junge Menschen bis 27 Jahre richtet, können auch Ältere den Bundesfreiwilligendienst leisten. Seit der Einführung absolvierten etwa 160 000 Menschen einen Bundesfreiwilligendienst. Dabei gingen die Zahlen in den vergangenen Jahren zurück: Gab es 2013 über 50 000 Dienstantritte, so waren es 2014 noch etwa 37 000. Zu beobachten ist außerdem, dass es immer weniger männliche Freiwillige gibt. Aktuell sind circa 54 Prozent der Bundesfreiwilligendienstleistenden Frauen. jpl

Auch die Jugendhilfe Schloss Zinneberg berichtet über fehlende Bewerber: "Wir waren anerkannte Stelle für Zivildienstleistende. Seitdem der Bundesfreiwilligendienst eingeführt wurde, haben wir keine Bewerber mehr. Dabei wären Freiwillige immer willkommen", sagt Elisabeth Mayr. "Wir wissen auch nicht, woran das liegt."

Bei der Arbeiterwohlfahrt Ebersberg könne man hingegen über mangelnde Bewerber nicht klagen, berichtet Geschäftsführerin Ulrike Bittner. Zurzeit arbeiten hier drei Bufdis, bei fünf freien Stellen. "Die Welle an Bewerbern kommt meistens im Mai, wenn die Studienplätze vergeben sind. Diejenigen, die Absagen erhalten haben, entscheiden sich dann oft für den Bundesfreiwilligendienst", sagt sie. "Bisher hatten wir das Glück, dass wir meistens alle Stellen besetzen konnten." Bedauerlich sei jedoch, dass immer weniger junge Männer sich für den Bundesfreiwilligendienst entscheiden: "Es wird schwerer, jungen Männern unsere soziale Arbeit nahe zu bringen und sie für uns zu gewinnen", sagt Ulrike Bittner.

Julian Nett aus Markt Schwaben ist einer dieser jungen Männer, den die Awo für sich gewinnen konnte. Der 18-Jährige half ein halbes Jahr lang in der offenen Behindertenarbeit aus. "Ich habe in einer integrativen Kleinkindergruppe gearbeitet", erzählt Nett. "Ich wollte nach dem Abitur etwas Soziales machen und in soziale Bereiche hineinschnuppern", sagt er. "Mich hat die Arbeit mit behinderten Menschen gereizt, ich wollte wissen, wie man am besten mit ihnen umgehen kann."

Julian Nett begleitete unter anderem Gruppen auf Ferienfreizeiten, half bei Verwaltungsaufgaben und auch im Pflegebereich. "Das war körperlich schon anstrengend, zum Beispiel jemanden ins Bett zu bringen, der sich nicht bewegen kann." Letztendlich habe ihn der Bundesfreiwilligendienst vor allem menschlich weiter gebracht: "Es war toll zu sehen, wie man beim Spielen und Reden Vertrauen und eine Beziehung zu den Menschen aufbauen konnte."

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