Sicherheit im Internet:Spuren verwischen

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Wie man im Internet möglichst wenig von sich preisgibt, erklärt der Informatiker und Grünen-Politiker Markus Wutzke im Kastenwirt. (Foto: Christian Endt)

Grafinger Grüne laden zur Crypto-Party ein

Von Thorsten Rienth, Grafing

Es gibt Themen im Leben, über die sprechen Menschen nur ungern. Die Kopfläuse bei den Kindern zum Beispiel oder die Steuererklärung. Und: digitale Überwachung. "Wir wollen die Leute aber für das Thema sensibilisieren", sagt der Grafinger Grünen-Ortsvorsitzende Hermann Maier. Digitalisierung sei nämlich viel mehr sei als Breitbandausbau oder vernetzte Industrieproduktionen. "Im Internet hat sie gewaltige Auswirkung auf die Privatsphäre!"

45 Besucher sind in den "Kastenwirt" bekommen, bald doppelt so viele, wie der Ortsverband an Mitgliedern zählt. Auch ein paar Jugendliche haben sich auf den Weg gemacht. Bei lokalpolitischen Veranstaltungen ist das tatsächlich eine seltene Ausnahme. Statt Feierabend, Volksfest oder Fernseher gibt es am Dienstagabend eine Sitzung vor dem Laptop-Bildschirm.

Entstanden waren Crypto-Parties vor sechs Jahren in Australien. Ein neues Gesetz zur Cyberkriminalität sollte Ermittlungsbehörden weitreichenden Zugriff auf Nutzerdaten im Internet einräumen - was eine Datenschutzaktivistin ärgerte. Ob sich nicht mal jemand mit Verschlüsselungs-Ahnung mit Leuten ohne Verschlüsselungs-Ahnung unkompliziert zusammentun könnte? Daraus wurde eine Art Tupperware-Party für Kryptografie.

Der Mann, der in Grafing erklärt, wie man möglichst wenige Spuren im Netz hinterlässt, heißt Markus Wutzke. Zuerst bei der Piratenpartei aktiv wechselte der Informatiker zu den Grünen. Beruflich kümmert er sich bei einem Mittelständler für die Informationssicherheit. Die Leute, die vor ihm sitzen, eint das mehr oder weniger subtile Gefühl, im Internet überwacht zu werden. Sei es nun von der Polizei oder von Unternehmen.

"Zuerst einmal läuft alles auf Passwörter hinaus", fängt Wutzke an. Zwölf Ziffern empfiehlt er mindestens, Groß- und Kleinschreibung inklusive und am besten mit Sonderzeichen. Weit wichtiger wäre aber, nicht für jeden Dienst das gleiche Passwort zu verwenden. "Passwort-Manager schaffen gute Abhilfe." Sie verwalten alle Anmeldeinformationen und synchronisieren sie über mehrere Geräte hinweg. Wutzke verweist auf einen großen Überblick der Stiftung Warentest vom vergangenen Herbst.

"Als nächstes sollten Sie überlegen, ob Sie den Email-Anbieter wechseln." Weg von den kostenlosen Providern hin zu Bezahldiensten wie zum Beispiel posteo.de oder mailbox.org. "Die verdienen ihr Geld nicht mit Ihren Daten, sondern mit dem, was der Service kostet." Denn grundsätzlich solle man sich merken: "Wenn du nicht bezahlst, bist du nicht der Kunde, sondern das Produkt." Auch bei der Suche nach neuen Anbietern gelte: "Informieren Sie sich kritisch, wer dahintersteckt." Das bringt Wutzke zu Schritt Nummer drei. "Danach sollten Sie überlegen, mit welchem Browser Sie ins Internet gehen und welche Suchmaschine Sie verwenden." Alternativen zu Google seien eine Überlegung wert. Als Beispiele nennt der Informatiker startpage.com oder metager.de. Dann wäre die Zuordnung von Suchanfragen zu Nutzern nicht mehr so einfach. Dass Firmen Bewegungs-, Kauf- oder Interessensprofile erstellen könnten, würde deutlich erschwert.

Sei der ganze Aufwand nicht ein bisschen übertrieben, fragt jemand aus dem Publikum. "Wo ein Trog ist, gibt es auch Schweine", antwortet Wutzke. "Wenn ich einen Riesenberg von persönlichen Nutzerdaten habe, gibt es auch Leute, die sich dafür interessieren." Letzten Endes seien Nutzerdaten ein digitales Währungsmittel: "Stellen Sie sich vor, wie zum Beispiel Krankenkassen von den Fitnessuhr-Daten ihrer Versicherten profitieren könnten: Wer nicht fit ist, könnte höhere Beiträge bezahlen müssen." Ein solches Modell würde das Solidaritätsprinzip hinter der Krankenversicherung aushebeln.

Für Wutze schließt sich daran die nächste Stufe einer gesellschaftspolitischen Theorie an. Panoptismus heißt der Fachbegriff. "Wer nicht weiß oder nicht beeinflussen kann, welche Informationen über sein Verhalten gespeichert werden, der passt aus Vorsicht sein Verhalten an." Mit der individuellen Handlungsfreiheit sei es dahin. Deshalb sei staatliche Überwachung im Netz mehr Gesellschafts- als Sicherheitspolitik.

Dann fragt einer, ob Wutzke kurz über Email-Verschlüsselungen reden könnte. Tatsächlich bleibt das Thema lange außen vor. Da holt der Informatiker tief Luft und klagt: "Das schaffen wir jetzt nicht so einfach nebenbei." Und Grünen-Chef Maier sagt: "Wenn es genug Interessenten gibt, können wir ja einen eigenen Workshop dazu machen."

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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