Serie:Ländliche Begeisterung

Die zweite Staffel der Horror-Webserie "Ebersberg" feiert in der Münchner Filmhochschule ihr Online-Release

Von Victor Sattler

Es schickt sich, am Tag des Triumphs mit einer kleinen Ansprache zurückzublicken auf eine Zeit, als man jung war und nichts Gutes für sich vorzeigen konnte, außer der reinen Leidenschaft. Nicht jeder macht es unbedingt so wie der Regisseur Manuel Weiss, der sagt, wenn er als 15-Jähriger geahnt hätte, dass es noch 20 Jahre dauern würde bis zum ersten Mal eines seiner Projekte mit einer Förderung bedacht wird, dann hätte er es wohl belassen mit dem Filmemachen und wäre Bankangestellter geworden. Alle, die am Samstagabend in der Münchner Filmhochschule zuhören, sind froh, dass Weiss das damals noch nicht wusste. Und jetzt da er es weiß, haben sich die 20 Jahre zum Glück ja gelohnt: Die zweite Staffel seiner Webserie "Ebersberg" über die Legende der Weißen Frau von der Hubertuskapelle steht ganz in der Gunst von Förderern, Pro-Bono-Schauspielern und dem Internetpublikum, das die vier neuen Folgen kurz nach der Münchner Premiere streamen können soll.

Durch den Überraschungserfolg der ersten Staffel mit angeblich einer halben Million Zuschauern und nachweislich 14 Festival-Slots waren die Förderer zum ersten Mal auf die Weiße Frau und den Weiss Manuel aufmerksam geworden. "Alle wollten plötzlich den Regisseur aus Haar kennenlernen", sagte Moderatorin Eva Nußhart am Abend. Dass der Filmfernsehfonds (FFF) Bayern ein großer Deal ist, wird manchen im Saal erst klar, als Nußhart "Ebersberg" jetzt in einem Atemzug mit anderen FFF-geförderten Projekten wie "Das Leben der Anderen" und "Fack Ju Göhte" nennen kann. Echtes Prestige also. Und das schlug sich in der Serie nieder in Form von "mehr Locations, mehr Blut und zwei Polizeiautos mehr", wie Manuel Weiss sagt; dem Geld danken sie aber auch die feinen Freiheiten beim Skript-Schreiben oder den Luxus eines professionellen Oberbeleuchters am Set. Das Projekt ist auf einem ganz anderen Level angekommen und da passt es auch, dass neu dazugestoßene Darsteller so schicke Dreigliedsnamen wie Felix Phönix Lehmann und Jolie Sarah Werner tragen.

Serie: Die Polizei ist ratlos: Wer oder was ist die unheimliche Weiße Frau, und ist sie wirklich für mysteriöse Todesfälle verantwortlich.

Die Polizei ist ratlos: Wer oder was ist die unheimliche Weiße Frau, und ist sie wirklich für mysteriöse Todesfälle verantwortlich.

(Foto: Christian Endt)

Handlungstechnisch war der Umbruch schon programmiert, weil Andreas, Protagonist der ersten Staffel, nicht mehr unter den Ebersbergern weilt. Damit verschob sich der Fokus vom Schocker-suchenden Youtube-Channel-Betreiber Andi auf das Ermittlerduo Moser (Reinhard Paul Seyer) und Pladl (Felix Phönix Lehmann). Dieses kommt ganz klassisch daher: Einer ist der Haupt-, der andere der Hiwi-Kommissar. Der ältere folgt seinem Bauchgefühl, der jüngere bleibt Skeptiker. Zumindest am Anfang, bis er einen blutigen Handabdruck auf dem Wadl seines Chefs erblickt, danach verfällt auch Pladl der Geisterjagd.

Auf dem Terrain des Fernsehkrimis kann Manuel Weiss natürlich weit weniger Neues liefern, als auf dem des Internetclips. An den Horror-Genreklassiker "Blair Witch Project" von 1999 darf man sich trotzdem noch zurückerinnern, denn Andis Material für seinen Channel wird gefunden und von den Ermittlern auseinandergenommen: Sein jähes Ende wurde von ihm selbst mit der Kamera dokumentiert - und Kommissar Moser verbringt bald seine Abende damit, den Videomarker immer wieder ein kleines Stück zurückzuschieben, um die Weiße Frau noch einmal deutlicher flüstern hören zu können. Großaufnahmen von Wortfetzen in alten Büchern zeigen, dass Moser auch fleißig recherchiert. Plötzliche "Jump-Scares" mit überlautem Ton stellen derweil sicher, dass sich kein Zuschauer aus der Handlung verabschiedet.

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Die Antwort auf die Fragen zur Weißen Frau gibt (vielleicht) die neue Staffel der Miniserie "Ebersberg".

(Foto: Manuel Weiss/OH)

Die Filmfonds sollten sich Manuel Weiss in jedem Fall warmhalten, weil er ein Filmemacher mit großem Talent zum Onlinehandel ist: Einer, der weiß, dass wenn man einen Kurzfilm in vier Folgen teilt, man diesen gleich als eine Serie vermarkten kann. Genau so medienaffin redet er auch: "Spreadet es", bittet Weiß das Publikum. "Danke, dass ihr uns mit Crowdfunding supportet habt", strahlt Produzent Stefan Dyrna. Auf Amazon Video, wo man nur wenige deutsche Serien findet, hat die erste Staffel "Ebersberg" ein stolzes Rating von 4,3 aus fünf Sternen. Einige Rezensenten müssen sich vor ihrem Lob für dieses rechtfertigen, weil sie ja normal nichts, das aus Deutschland kommt, auch nur mit der Beißzange anrühren würden - aber diesem Projekt wird sein lokaler Hintergrund nicht bloß verziehen, sondern zugutegehalten. "Umso besser, wenn man Ebersberg kennt", schreibt eine begeisterte Dame online.

Gage für die Schauspieler gab das Budget zwar diesmal immer noch nicht her, aber genau das macht ja die Coolness dieser Film-Familie aus: Dass sich alles, was nicht bezahlt werden konnte, einfach so ergeben hat. Den Moser-Darsteller Reinhard Paul Seyer, so ist zu erfahren, habe sich das Produzententeam um halb zwei Uhr früh vor einer Kneipe beim Rauchen aufgerissen und für das Thema Weiße Frau begeistern können. Monika Feldschmid aus Oberpframmern, welche die leibhaftige Weiße Frau auf der Leinwand zum Leben erweckt, war vormals für das leibliche Wohl zuständig und hielt das Filmteam mit kleinen Snacks am Leben. Und Maria-Arianna Fritz war für den Dreh im Ebersberger Forst mal eben kurz von einer Weltreise zurückgekehrt.

Filmprojekt Weisse Frau Weiße Frau, Cast and Crew bei Feier in der Filmhochschule

Die Macher der Serie "Ebersberg" wurden an der Münchner Filmhochschule gefeiert.

(Foto: Victor Sattler)

Die Ängste, denen sich Manuel Weiss' in seinem Film widmet, sind die eines Internet-Stöberers, eines typischen Klickers und Grüblers, der zwar gelernt hat, jede Info und ihre Quelle zu hinterfragen, aber trotzdem nicht aufhört, getrieben weiter zu graben. Was ist denn eigentlich schlimmer? Wenn der grausame Spuk wahr ist? Oder wenn man dumm und abergläubisch einem Hoax auf den Leim gegangen ist? Genau diese Bewusstseinssprünge macht auch die Geschichte: Sie nimmt einmal alles für bare Münze, sucht dann aber doch nach Erklärungsversuchen wie manipulierten Videos oder Kleinmädchen-Psychosen, oder sie schafft - mit ihren besseren Zeilen - sogar eine ironische Distanz zur Weißen Frau. Etwa, als ein junges Pärchen an der Hubertuskapelle im Scherz gegen Mosers Autofenster klopft und "Weiße Frau" brüllt, weil ihnen die Legende schon zu den Ohren rauskommt. Oder wenn Kommissar Moser, des Gruselns müde, sagt: "Das is' ja wie in 'nem schlechten Horrorfilm hier."

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