SZ-Schulratgeber:Lernen und pendeln

SZ-Schulratgeber: Mit dem Bus oder der S-Bahn in die Schule: Für viele Jugendliche ist das Alltag, wie hier an der Realschule Ebersberg.

Mit dem Bus oder der S-Bahn in die Schule: Für viele Jugendliche ist das Alltag, wie hier an der Realschule Ebersberg.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mehr als 4000 Schüler fahren täglich in Realschulen und Gymnasien. Neben dem Erhalt von Freundschaften spielt vor allem die Fachrichtung bei der Schulwahl eine große Rolle

Von Carolin Fries, Ebersberg

Plötzlich ist sie da, die große Freiheit: Von der fünften Klasse an gibt es keinen Schulsprengel mehr, Schüler und Eltern haben die Wahl. Und zwar nicht nur zwischen Mittel-, Realschule und Gymnasium, sondern auch zwischen Näher und Weiter. Bewerber können laut Kultusministerium nur von einer Schule ablehnt werden, wenn aus Raum- oder Personalnot keine Kapazitäten mehr vorhanden sind. Im Landkreis ist das seit Jahren nicht der Fall - mit dem Bau des Gymnasiums in Kirchseeon vor sieben Jahren hat sich die Lage entspannt.

Doch bei vier Gymnasien und vier Realschulen in einem Flächenlandkreis wie Ebersberg gib es die gewünschte Schulform nicht immer um die Ecke, Tausende Kinder im Landkreis pendeln täglich viele Kilometer mit Bus und Bahn. Mehr als eine Viertelmillion Euro zahlt der Landkreis jedes Jahr allein für die Beförderung von Realschüler und Gymnasiasten.

Dabei trägt der Kreis lediglich die Fahrkosten zur nächstgelegenen öffentlichen und staatlich anerkannten Schule mit der gewünschten Fachrichtung beziehungsweise pädagogischen Eigenheit. Ein Vaterstettener Schüler, der unbedingt ein neusprachliches Gymnasium in München besuchen will, müsste die Fahrkosten selber zahlen, weil das Gymnasium am Ort die gleiche Fachrichtung anbietet. Legt der Schüler wiederum Wert darauf, ein musisches Gymnasium zu besuchen, zahlt der Landkreis auch für den Grafinger Schüler die Fahrtkosten bis nach München, weil es kein näher gelegenes Gymnasium mit dieser Ausrichtung gibt.

Wie viele Kinder zu weiter entfernten Schulen pendeln, hat der Landkreis nicht erfasst - allerdings jene, für die er zahlt. Zu den Gymnasien und Realschulen genießen 4324 Schüler Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulweges. Eine Fahrkarte von Zorneding nach Baldham kostet monatlich übrigens ebenso viel wie von Frauenneuharting nach Grafing: je nach Alter zwischen 36,10 Euro und 38,70 Euro.

Die freie Wahl der Schule ist für die ein oder andere Familie damit nicht mehr ganz so frei. Die Fahrkosten und damit verbundene längere Fahrzeiten sind bei der Wahl der Schule ein großes Thema. Gerhard Dittmann, Direktor am Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium, sagt: "Dass jemand freiwillig längere Fahrzeiten auf sich nimmt, ist die Ausnahme."

Doch auch bei ihm sitzen immer wieder Eltern und Kinder aus entfernter liegenden Gemeinden im Zimmer und lassen sich beraten. Dittmann gibt immer den Hinweis, auch zu bedenken, welche Freundeskreise dann entstehen. "Es ist ein Unterschied, ob ich mit dem Fahrrad zum Freund kann oder mit dem Auto gebracht werden muss", sagt er. Die Schule lege zu einem großen Teil auch die Struktur des sozialen Umfelds fest. Dittmann verteufelt den Besuch einer weiter entfernten Schule nicht, er sagt: "Das muss man wollen." Die 1171 Schüler in Markt Schwaben kommen überwiegend aus den umliegenden Gemeinden. Lediglich zwei Kirchheimer und ein Aschheimer Schüler hätten es näher an das Kirchheimer Gymnasium - Einzelfälle. "Familien aus München, die in der fünften Klasse in Markt Schwaben anmelden - das gibt es gar nicht mehr", sagt Dittmann. Wenn, dann wechseln Schüler nach ein paar Jahren die Schule und wagen damit aus privaten oder schulischen Gründen einen Neuanfang.

Gerhard Dittmann

Gerhard Dittmann rät Eltern, bei der Wahl zu bedenken, dass in Schulen Freundschaften entstehen.

(Foto: Christian Endt)

Die Markt Schwabener Schüler kommen zum Großteil aus der Marktgemeinde selbst (392 Schüler) und dem benachbarten Poing (229). 112 Schüler pendeln aus Pliening, aus Forstinning sind es 103 und aus Anzing 94. Die Anzinger Schüler haben laut Dittmann auch sehr gute Anbindungen nach Vaterstetten. Aus Finsing im Landkreis Erding fahren jeden Tag 73 Kinder mit dem Bus nach Markt Schwaben und zurück, aus Ottenhofen 51, Hohenlinden 43, Pastetten 25 und Forstern 21.

Meist wird der Weg zur Schule von der fünften Klasse an länger. Abgesehen von den Kosten stellt sich vielen Eltern die Frage, inwieweit die richtige Schule ihr Kind in seinen besonderen Fähigkeiten fördern soll, etwa musisch oder sprachlich - und ob es gerechtfertigt ist, dafür jeden Tag eine Stunde oder länger in Bus und Bahn zu sitzen.

Die Realschule in Baldham bietet seit drei Jahren einen musischen Zweig an, im sprachlichen Bereich kann man statt Französisch auch Spanisch in der siebten Klasse wählen. "Ein paar Schüler mehr" kommen deshalb laut stellvertretender Schulleiterin Margot Ostermayer nach Baldham, "doch nur, wenn die Verbindung gut ist". Aktuell treffe das auf einige Schüler aus Trudering und Haar zu, "die fahren lieber raus als rein". Die Mehrheit der Schüler aber richte sich weniger nach den angebotenen Wahlpflichtfächern als nach dem Freundeskreis aus.

Paul Schötz, Direktor am Grafinger Gymnasium, macht Mut, bei besonderer Interessenslage durchaus einen längeren Weg in Kauf zu nehmen. Über solche Schüler freue er sich jedenfalls sehr. Ihnen seien die Hürden schließlich bekannt, "das sind dann meist besonders Engagierte", sagt Schötz.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: