Schloss Egmating:Wie aus einem Schloss ein Golfplatz wurde

Schloss Egmating: Heute parken Golfwagen vor dem Schloss - früher wurden hier vielleicht Bierfässer geschleppt.

Heute parken Golfwagen vor dem Schloss - früher wurden hier vielleicht Bierfässer geschleppt.

(Foto: Christian Endt)
  • Im Südosten Münchens, zwischen Aying und Zorneding, befindet sich das Schloss Egmating.
  • Früher war es das Schloss des Adelsgeschlechts der Schrencks, zwischendurch auch eine Brauerei. Heute parken dort Golfwagen.

Von Rita Baedeker, Egmating

Bis auf das Gezwitscher in den Bäumen ist es still an diesem sonnigen Junimorgen. Auf dem Platz vor dem Empfangsgebäude des Golfclubs Schloss Egmating stehen die offenen Wägelchen, welche die Spieler tagaus tagein leise summend zu Putting Green und Driving Range transportieren, adrett in Reih und Glied. Oleanderbüsche säumen den Eingang.

Überall leuchtet grüner Rasen. Es riecht nach Idylle. Aber ein Schloss? Ein wenig adelige Eleganz vermittelt immerhin die kühle, helle Bibliothek unter dem herrlichen Kreuzgewölbe. Hier, sagt Sportdirektor Felix Leib, waren früher die Stallungen. Dieser Gebäudeteil ist das einzige, was vom ehemaligen Schlossgeviert übrig geblieben ist. Auch einen Speicher mit altem Gebälk gibt es noch. Dort lagern ausrangierte Golfsäcke und Schaufensterpuppen aus dem Laden für Golfmode im Erdgeschoss.

Polohemd und Shorts statt Mieder und Wams

Felix Leib lächelt entschuldigend: "Mehr Schloss haben wir nicht zu bieten!" Keine Ölgemälde, kein Porzellan, keine Rüstung, kein Familienwappen. Der Adel, der sich hier die Ehre gibt, trägt Polohemd, Shorts und Kappe statt Mieder, Wams und Barett. Entlang der Hauptstraße erstreckt sich die weiße Schlossmauer, an einer Stelle baut eine kleine Spinne gerade ihr Netzchen, auf Efeu, wilden Wein und rankende Rosen als Schutz kann sie nicht zählen. Keinen romantischen Innenhof, nicht mal ein Geheimnis birgt das Anwesen. Oder doch?

Schloss Egmating, Kupferstich Wening, Chronik Egmating

Das Schloss, wie es Michael Wening 1701 darstellte.

(Foto: Ortschronik)

Alles mögliche ist dieses Schloss gewesen: Erbmasse, Brauerei, Spekulationsobjekt. Wann genau es erbaut wurde, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich, so vermutet Alois Beham in seiner Chronik "1200 Jahre Egmating", wurde der Besitz erst im 16. Jahrhundert, als Egmating zur Hofmark, also einem geschlossenen Herrschaftsbezirk mit Gerichtsbarkeit, Jagd-, Holz- und Fischereirechten, erhoben wurde, zu einer schlossähnlichen Anlage ausgebaut.

Der Kupferstecher Michael Wening liefert 1701 den ersten bildlichen Nachweis in seiner "Historico-Topographica Decriptio": Übersetzt ins heutige Deutsch, schreibt er: "Das Schloss ist mit einer Kapelle, vielen Fenstern und in der Mitte mit einem großen Schlosshof versehen; es hat viel schöne ordentlich neu erbaute Zimmer, wobei ein langer Saal und Stallungen samt einem großen Garten vorhanden sind. . . " Zwei seiner Stiche sind erhalten. Sie zeigen nicht nur das ehemalige Schlossgeviert mit großem Innenhof, Schlossgarten samt Ziersträuchern und Teichanlage, sondern auch Kirche und Gasthof.

Möglicherweise existierte zu dieser Zeit bereits eine Art Wasserleitung, "Deichelgraben" genannt, die ins Schloss führte. Der ehemalige Kreisheimatpfleger Heinrich Kastner fand heraus, dass die etwa zwei Kilometer lange Leitung Wasser aus den Wäldern im Süden ins Schloss führte. Das Grabensystem sei so angelegt gewesen, dass Steigungen umgangen wurden. Da das Wasserreservoir höher gelegen war als das Schloss, habe das Wasser ganz ohne Pumpen in die Anlage fließen können. "Das Ganze ist ein imposanter mittelalterlicher Aquädukt, dessen Ausmaße Bewunderung verdienen", so Kastner 1973.

Ein bisschen Schummeln beim Adelstitel

Den Titel einer Hofmark erlangt Egmating mit dem aus Meißen "zuagroasten" Adelsgeschlecht der Schrencks, welche das Hofgut an Kinder, Geschwister und Neffen vererben, bis die Linie ausstirbt. Die Schrencks sind eine sehr ehrgeizige Familie. Ihre 1492 begonnene Familienchronik, verfasst von einem Octavian Schrenck, weicht allerdings, so Helmuth Stahleder in einer 2003 erschienenen Publikation des Historischen Vereins Oberbayerns, in wesentlichen Punkten von den offiziellen Quellen ab. Anders gesagt: Sie unternehmen alles, um besser dazustehen. Zum Beispiel verpassen sie sich den Namenszusatz "von Notzing" - einem Besitz der Schrencks im Landkreis Erding - zu einer Zeit, als Notzing ihnen noch gar nicht gehört hat. Aber "von Notzing zu Egmating" klingt halt noch besser als ein popeliges "zu Egmating".

Tatsache ist, dass 1443 einem Schrenck zwei Höfe in Egmating gehören. Dessen Sohn, Bartholomäus III, hat dort seinen festen Wohnsitz und ist offenbar ein wichtiger Mann und Politiker. Von 1483 an, das ist verbürgt, wird mehrfach ein Bote aus München nach Egmating gesandt, um ihn in seiner Eigenschaft als Stadtrat zu konsultieren. Auch dass sein Sohn Kaspar 1505 in Egmating heiratet und laut Familienchronik 14 Jahre später bei der Hasenjagd stirbt, erzählen die nicht immer eindeutigen Quellen. Sie bestätigen allerdings nicht Wenings Bericht, dass Egmating bereits 1336 durch Heirat mit einer Tochter der nicht minder einflussreichen Familie Impler an die Schrencks gekommen sei. 1595 jedenfalls bekommt ein Johann Schrenck durch Herzog Wilhelm V. die erwünschte erbliche Edelmannsfreiheit zuerkannt. Nun haben sie es geschafft.

Das Schloss überlebt die Familie

1694 stirbt die Familie der Schrencks in der männlichen Linie aus, die letzten beiden Erben gehen ins Kloster. Die Schwester, Maria Johanna Petronella Schrenck, heiratet den Freiherrn Veit von Wolframstorff, einen wie es heißt "gewesenen Obristen zu Pferd". Da die Söhne des Paars früh sterben, erbt Tochter Regina. Sie heiratet Sigmund Graf Haimhausen, den späteren ersten Präsidenten der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Gründer der Münchner Porzellanmanufaktur.

Dann geht es Schlag auf Schlag. 1817 stirbt der letzte Freiherr von Hornstein, der Egmating von den Grafen Haimhausen geerbt hatte. Das Schloss wird versteigert, 1842 kauft es Leopoldine, Erzherzogin von Österreich, und Gattin von Graf Arco von Zinneberg - als "Spekulationsobjekt", wie die Chronik verrät. Nur fünf Jahre später erwirbt der Marquis Pallavicini das Schloss, der später beim Besteigen des Großglockners tödlich verunglückt. Nach ihm ist dort eine Eisrinne benannt. Er hat die Güter Zinneberg und Egmating "zertrümmert", wie Beham schreibt.

Wie das Schloss zur Brauerei wurde

1868 erwirbt Geheimrat Friedrich Wilhelm Scanzoni von Lichtenfels, königlicher Universitätsprofessor in Würzburg, beide Güter. Nach seinem Tod tritt 1890 der Spekulant Adolf Büssing von Orville, Fabrikbesitzer zu Offenbach, auf den Plan. Er baut das Schloss zu einer Brauerei um. 1927 verkauft er das Anwesen für etwa eine Million Mark an die Paulaner AG. Die legt die Brauerei still, Grund und Schloss werden verpachtet. Die Firma MBB nutzt einen Großteil des Schlosses als Lager, in einem anderen Trakt befinden sich Wohnungen und ein Bräustüberl.

Schloss Egmating: Unter dem historischen Gewölbe waren Stallungen, heute ist hier die Bibliothek.

Unter dem historischen Gewölbe waren Stallungen, heute ist hier die Bibliothek.

(Foto: Christian Endt)

1954 wird dort immerhin noch eine Mälzerei betrieben. Bier wird hier indes schon viel länger gebraut. Spätestens im 17. Jahrhundert hat der Hofmarksherr Schrenck in Egmating eine Brauerei eingerichtet. 1820, so die Chronik, seien 200 Hektoliter Sommerbier und 264 Hektoliter Winterbier produziert worden. Sommerbier enthält aus Gründen der Haltbarkeit mehr Alkohol als Winterbier. Ein Liter davon kostet denn auch einen Kreuzer und drei Pfennige mehr. Der Keller zur Kühlung des Sommerbiers liegt auf einem Feld in Richtung Neuorthofen. Beim Bau kommt es zu einem tödlichen Unfall: Vier Arbeiter werden durch eine einsinkende Kieswand verschüttet.

Streik trotz Freibier

Nicht das einzige ungewöhnliche Ereignis in der Geschichte der Brauerei. Zwar erhält das Personal Freibier, dennoch kommt es 1911 zum Streik: Ziel des Arbeitskampfes ist Braumeister Michael Lang, der, so die Quellen, die Arbeiter mit seltener Brutalität schikaniert und drangsaliert. Mit Kraftausdrücken wie "Dreckhammel", "Saukerl dreckiger" und "Misthaufenknecht" beleidigt er die Belegschaft.

Die Arbeiter wollen sich mit den Mühlenarbeitern zusammenschließen. Doch Büssing duldet das nicht. In einem Flugblatt wird daraufhin zum Boykott des Egmatinger Bieres aufgefordert. Wie der Streik ausgeht, ist nicht überliefert. Im selben Jahr im August bricht in der Schlossbrauerei ein Großfeuer aus, "nachts um dreiviertelzwölf Uhr". Weil zu wenig Wasser zum Löschen da ist, muss, so die Chronik mit Jauche gelöscht werden. Man geht von Brandstiftung aus.

Im November 1933 werden 200 aus Österreich geflüchtete Nationalsozialisten im Brauereigebäude des Schlosses einquartiert. Streitigkeiten zwischen den österreichischen Legionären und heimischen Burschen seien an der Tagesordnung gewesen, berichtet die Chronik.

Schloss Egmating: Längst Geschichte ist auch die Zeit, als hier Bier gebraut wurde.

Längst Geschichte ist auch die Zeit, als hier Bier gebraut wurde.

(Foto: privat)

Im Herbst 1986 wird erstmals über den Bau eines Golfplatzes durch die Paulaner AG diskutiert. Bei einer außerordentlichen Bürgerversammlung 1987 stellt Rudolf Heiler, von 1980 bis 1996 Bürgermeister von Egmating, die Pläne vor. Daraufhin stimmt im Oktober desselben Jahres der Gemeinderat zu. Einwände einer Bürgerinitiative gegen den Golfplatz werden laut Ortschronik zurückgewiesen. "Es gab damals keine nennenswerten Proteste", erinnert Heiler sich. "Das Schloss befand sich in einem katastrophalen Zustand. Der ganze nördliche Teil war ein lange ungenutzter und unansehnlicher Industriebau.

Ein Golfplatz mit Mythos

Nur der südliche Teil wurde daher unter Denkmalschutz gestellt", sagt Heiler. Eine Zeitlang sei der Brauereisaal als Veranstaltungsraum in Besitz der Gemeinde gewesen. "Aber da waren viele Mängel, überall Modergeruch; das zu restaurieren war sinnlos." Im April 1990 wird mit dem Bau der 80 Hektar großen Anlage begonnen. Am 16. Mai 1992 ist Eröffnung. Betreiber ist die Bavaria Sport & Freizeit GmbH, eine Schörghuber-Tochter. Im Clubhaus ansässig ist eine Konzert- und Künstleragentur. Haben die Mitarbeiter das Gefühl, in einem Schloss zu weilen? Die Antwort: "Wir haben einen tollen Blick aus dem Fenster". Fehlt das Geheimnis!

Felix Leib kennt eines. Es gebe einen unterirdischen Gang bis nach Glonn - oder wenigstens Kastenseeon, sagt er. Entdeckt habe man den Ende der 90er Jahre beim Bau der Eigentumswohnungen. Dieter Ahlborn, der Erdställe erforscht, dämpft die Freude. "Es gibt kaum ein Schloss ohne eine solche Sage", erklärt er. Von Zinneberg und Hirschbichl erzähle man sich Ähnliches. Er glaube, dass es sich bei den geheimnisvollen Gängen meist um den Ablauf eines Eiskellers gehandelt habe. "Menschen, die so was entdecken, trauen sich zwar nicht hinein, spekulieren aber gerne."

Bernhard Schäfer, Vorsitzender des Historischen Vereins des Landkreises, pflichtet ihm bei: "Einen solchen Gang auf eine längere Distanz zu graben, ist im Falle Egmatings topografisch unmöglich. Das Ganze ist ein Mythos." Auch gut. Wenn es schon kein Schloss mehr gibt, dann eben einen Mythos.

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