Schienenersatzverkehr in Grafing:Eine Stadt im Chaos

Schienenersatzverkehr in Grafing: Grafing beim Leonhardikircherl, Schüler warten auf den Bus

Grafing beim Leonhardikircherl, Schüler warten auf den Bus

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Aufgrund der Sperrung der Bahnübergänge in Grafing sind die Bauarbeiten an den Gleisen nicht nur für Pendler ein großes Problem, sondern auch für Autofahrer sowie für Schüler, die zu Fuß unterwegs sind

Von Sara Kreuter und Thorsten Rienth, Grafing

Dass die Sanierung der Bahnstrecke zwischen Grafing Stadt und Ebersberg allen Pendlern enorme Probleme bereiten würde, war absehbar. Nicht klar war hingegen, dass die ganze Stadt nun im Chaos versinkt. Das liegt - neben den zahllosen Bussen, die den Schienenverkehr ersetzen sollen, und der Baustelle in der Rotter Straße - auch an der Sperrung der Bahnübergänge. Die nämlich hat zur Folge, dass sich Unmengen von Autos durch Nadelöhre quetschen, und gilt außerdem - was bislang nicht bekannt war - auch für Fußgänger. Davon besonders betroffen: alle Schulkinder, die nördlich der Bahnlinie wohnen.

Am Dienstag herrscht Ausnahmezustand, denn die Sperrung des Schulwegs durch die Stadt trifft Kinder, Eltern und Schulen völlig unvorbereitet. In der Früh fährt deswegen der Hausmeister der Grundschule die geschlossenen Bahnübergänge ab, um gestrandete Kinder abzuholen. Eine Mutter, die eigentlich nur ihre eigenen Kinder begleiten will, sammelt letztendlich auf dem Weg 15 Kinder aus der Nachbarschaft ein: "Wie der Rattenfänger von Hameln. Es war für alle sehr verwirrend", sagt die Grafingerin. Ein Übergang, der morgens noch passierbar war, ist mittags dann plötzlich zu, so dass mehreren Kindern der Heimweg versperrt ist. Eine Zweitklässlerin sei deswegen mit einigen Kindern aus der Nachbarschaft beherzt in ihren früheren Kindergarten gegangen, erzählt eine andere Mutter. Von dort aus habe die Tochter sie anrufen und sich und ihre Freunde abholen lassen.

Schienenersatzverkehr in Grafing: Nicht alle Schüler halten sich an die Sperrung der Bahnübergänge - auch aus Not, weil sie nicht wissen, wie sie nach Hause kommen sollen.

Nicht alle Schüler halten sich an die Sperrung der Bahnübergänge - auch aus Not, weil sie nicht wissen, wie sie nach Hause kommen sollen.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Im Grafinger Stadtgebiet gibt es vier Bahnübergänge: einen direkt am Bahnhof in der Stadtmitte, einen an der Jahnstraße am Wertstoffhof sowie je einen in der Münchner Straße sowie in Wiesham. Beide Letztere sind laut Bahn-Pressestelle über die gesamte Bauzeit bis Anfang Juni gesperrt. Nur am Bahnhof und am Wertstoffhof soll es ab und an Durchkommen geben: Auf Wunsch der Stadt werde immer abwechselnd eine der beiden Stellen offen sein, erklärt der Bahnsprecher.

Diese müssen dann auch die Schüler und Schülerinnen überqueren, trotz Baustelle. Und das ist vor allem an der Jahnstraße kein Vergnügen: Zur Schranke südlich der Bahnhofstraße führt weder ein Gehsteig noch eine Ampel, die Straße jenseits der Gleise ist sehr schmal und hat ebenfalls keinen Fußgängerweg. Bleibt nur der Weg querfeldein über die Wiese, denn auf der Fahrbahn drängeln sich gerade morgens all jene Autos, die andernorts auch nicht mehr durchkommen.

Kein Wunder also, dass Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) erklärt, eine empfehlbare Schulwegalternative gebe es nicht: "Die Eltern werden gebeten, ihre Kinder in die Schule zu begleiten." Auch dass bei der Rathauschefin reichlich Ärger mitschwingt, ist verständlich. Schließlich geht es hier nicht um ein paar Tage, sondern um etwa sieben Wochen.

Schienenersatzverkehr in Grafing: Die Bürgermeisterin rät den Eltern, ihre Kinder die nächsten sieben Wochen zur Schule zu bringen, wie das am Dienstag schon manche beherzigt haben.

Die Bürgermeisterin rät den Eltern, ihre Kinder die nächsten sieben Wochen zur Schule zu bringen, wie das am Dienstag schon manche beherzigt haben.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Außerdem wollen weder Rathaus noch Grundschule davon gewusst haben, dass die Bahnübergänge auch für Fußgänger gesperrt sind. "Das wurde nie eindeutig kommuniziert, diverse Behörden wussten nichts davon", betont Obermayr. Grundschulrektorin Renate Schwarz-Reis bestätigt dies: "Leider hat man vergessen, die Schule darüber zu informieren, dass die Bauarbeiten auch Auswirkungen auf den Schulweg unserer Kinder haben." Tatsächlich werden die Fußgänger in keiner Pressemitteilung der Bahn erwähnt. Hier ist lediglich allgemein von "Bahnübergängen" die Rede. "Sperrung ist Sperrung", sagt der Pressesprecher dazu. Die Deutsche Bahn hätte diese beantragt, die Beschilderung sei Sache der Stadt.

Bei den Grafinger Eltern jedenfalls herrscht Frustration. "Das Ganze ist wirklich schlecht durchdacht und sehr ärgerlich", klagt eine Mutter. Die Grundschule empfiehlt in einem eilig erstellten Brief an die Eltern die Bildung von Laufgemeinschaften. Informationen darüber, welcher Übergang gerade begehbar ist, gibt es auf der Homepage der Stadt unter www.grafing.de.

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