Schach-Schau:Spiel mit dem Spiel

SZ Schachausstellung Aufbau

Von Konkurrenz keine Spur: Die Fotografen und Künstler der Ausstellung zum Thema Schach in der Galerie der SZ Ebersberg hängen gemeinsam ihre Arbeiten auf.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

In der Galerie der SZ Ebersberg sind faszinierende künstlerische Fotografien zum Thema Schach zu sehen. Die Arbeiten waren bereits Teil einer Ausstellung der Kulturstiftung G.H.S. aus Baldham

Von Rita Baedeker, Ebersberg

Schach ist nicht nur ein Spiel für Schlauköpfe und strategische Denker. Schach hat eine über den Sport hinaus tiefe kulturelle Bedeutung, ist seit altersher Spiegelbild des Lebens und Sinnbild für Kampf, Politik und (Klassen-)Gesellschaft. "Die Natur hat uns das Schachbrett gegeben, aus dem wir nicht hinauswirken können, noch wollen", schrieb Goethe mit philosophischem Fingerzeig.

Schachbrett-Motive in Lyrik und Fotografie lautete das Thema einer Ausstellung der Schach- und Kulturstiftung G.H.S. aus Baldham Ende vergangenen Jahres in Bad Aibling. Einen Teil der Arbeiten jener acht Fotografen, die damals teilgenommen haben, kann man nun in der Galerie der SZ Ebersberg betrachten und so einen neuen, ästhetisch-poetischen oder auch philosophischen Zugang zu dem Spiel der Könige finden. Im Flur der SZ-Redaktion finden die Darstellungen viel Gefallen. Vielleicht kramt jetzt der eine oder andere zuhause nach Betrachtung der Bilder sein Schachspiel heraus und freut sich an der Schönheit der Figuren, der geometrischen Klarheit des Musters. Vernissage ist am Freitag, 5. Mai, um 19 Uhr.

Gewöhnlich findet man auf den Sportseiten der Zeitungen und Magazine Fotos von bekannten Meistern, einander gegenübersitzend, eine Hand am Kinn, die andere bereit zum Zug, der den Gegner mattsetzen wird. Bei dieser Ausstellung jedoch stehen Brett und Figuren sowie deren Symbolik und die Möglichkeiten der Inszenierung und Verfremdung im Mittelpunkt.

Etwa bei Martin Weiand, Fotograf aus Rosenheim und Mitglied im Kunstverein Ebersberg. Seine drei Arbeiten zeigen ein auf Stoff gedrucktes Schachbrettmuster. Darüber "materialisieren" sich von Weiand kunstvoll verschüttete Wassertropfen im Augenblick der Aufnahme zu spektakulären, an Läufer, Dame und König erinnernde Figuren, so als habe ein Bildhauer vom Schlage eines Joan Miró sie entworfen.

Bewegung ist auch das charakteristische Merkmal der vier großformatigen Motive von Heidi Schmidinger aus Wasserburg. Im Gegensatz zu Weiand, der Flüssiges in feste Körper verwandelt hat, hat sie ein festes Motiv - die auf dem Schachbrett aufgereihten Figuren - in einen sich von Bild zu Bild steigernden Tanz versetzt, der sich schließlich in geisterhafte Schemen auflöst. Getanzt hat dabei die Fotografin mit ihrer Kamera. Die so entstandene Dynamik wirkt wie die reizvolle Antithese zu einem Spiel, in dem es mitunter quälend lange dauert, bis eine Figur gezogen wird.

Die Geschichte der Welt, die das Schachspiel in sich birgt, erzählt die Ebersberger Grafikerin Ottilie Gaigl in ihren Arbeiten "Ausgangsposition" und Regelverstoß" aus der Serie "Politische Schachzüge". Mit Ausgangsposition meint sie nicht die übliche Aufstellung vor einer Partie. Auf ihrem Brett tummeln sich inmitten der schwarzen Steine hölzerne Tierfiguren. "Das erste Motiv zeigt eine friedliche Welt, in der noch alles funktioniert", sagt sie. Auf dem Foto daneben hat sie eine bewaffnete Auseinandersetzung inszeniert, sichtbar an der Zahl der "gefallenen" Figuren.

Thomas Hümmler, Fotograf, Journalist und Designer, konzentrierte sich bei seiner Interpretation des Themas auf das Ziel des Kampfes - das Mattsetzen des Gegners - und stellte auf zwei in Zentralperspektive aufgenommenen Schachbrettern zwei spektakuläre Züge der Schachgeschichte nach: "The next Move". Die Partie Botvinnik gegen Capablanca 1938 in Rotterdam und daneben die von Levitsky gegen Marshall 1912 in Breslau. Vom Ende dieser Partie, so schreibt Hümmler dazu, seien die Zuschauer so begeistert gewesen, dass sie Goldmünzen aufs Brett warfen.

Eine "Fünf-Minuten-Blitzpartie" mit Doppelbelichtung und sechs Tageslichtfolien, die als kreisförmige Linien auf dem Bild ihre Spuren hinterlassen haben, hat SZ-Fotograf Christian Endt geschaffen. Der Holztisch mit Lesebrille sowie die Arme der Spieler und der hölzerne Fußboden gehen nebelartig ineinander über. Nur das von oben fotografierte Schachbrett leuchtet heraus, als würde es schweben. Das Bild entstand während eines Trainings der Schachunion Grafing-Ebersberg.

Kollege Peter Hinz-Rosin bediente sich eines Schachspiels aus der Sammlung von Walter Rädler, Vorstand des Schachclubs Vaterstetten-Grasbrunn. Die Figuren sind aus Plexiglas, das Brett aus verspiegeltem Glas. Auch Hinz-Rosin begab sich auf die Suche nach einer berühmten Stellung - und wurde in Stanley Kubricks Epos "2001, Odyssee im Weltraum" fündig. Das Herzstück der Mission, die da zum Jupiter reist, ist der Großcomputer HAL. Bevor der Kampf zwischen ihm und Pilot Frank Poole eskaliert, messen sich die beiden im Schachspiel. Die im Film gezeigte Aufstellung ist historisch: Es ist jene in der Partie Rösch versus Schlage aus dem Jahr 1910, 15. Zug, kurz vor dem Matt. "Ich habe bewusst eine konkrete existierende Stellung gewählt, die für einen Kenner nachvollziehbar ist", sagt Hinz-Rosin. Aufgenommen hat er die Figuren im Licht einer LED-Taschenlampe, welche die Szenerie von hinten beleuchtete, durchsichtige Projektionsfolie, eine Art "Butterbrotpapier", ließ die Konturen weicher erscheinen und Schatten und Überschneidungen entstehen. Das tiefe Blau des Motivs erreichte der Fotograf durch eine Veränderung der Farbtemperatur hin zu "kaltem Licht".

Ein Spiel mit dem Spiel betrieb der Fotograf Bjarne Geiges. "Mein Blick bleibt an den kleinen unscheinbaren Dingen und Momenten hängen", schreibt er im Katalog zur damaligen Ausstellung. "Ich entdecke Merk-Würdiges und bringe es zum Vorschein." Drei kleinformatige Motive laden den Besucher ein, solchen Merk-Würdigkeiten nachzuspüren. Das "Pokal" betitelte Foto zeigt eine Schachblume. Diese violett gefärbte Pflanze gibt es tatsächlich, sie wird auch Schachbrettblume oder, aufgrund der Musterung, Kiebitzei genannt und stammt aus der Familie der Liliengewächse. In der Schwarzweiß-Optik erkennt man die eher runden Gevierte gut. Noch verspielter ist das Motiv "König". Nach längerem Hinsehen erkennt man das Denkmal Ludwigs I. am Odeonsplatz, scherenschnittartig im Gegenlicht fotografiert. Auf der Spitze seines Zepters balanciert Seine Majestät ein Schachbrett, Attribut geistiger Macht. Auf Bild drei mit dem Titel "Matt" hat Geiges das geometrische Brettmuster reizvoll durcheinandergewirbelt. So als habe ein erzürnter Verlierer kurzen Prozess mit Brett und Regelwerk gemacht. Schach ist eben nicht nur Strategie, sondern auch Emotion.

Eröffnung der Ausstellung "Schach und Fotografie" in der SZ-Galerie Ebersberg, Ulrichstraße 1, ist am Freitag, 5. Mai, um 19 Uhr. Sie dauert bis 9. Juni, geöffnet Montag bis Freitag, 10 bis 18, Sonn- und feiertags 11 bis 17 Uhr, samstags und an Tagen vor einem Feiertag ist geschlossen. Es liegt ein Katalog zum Durchblättern aus. Er kann über die Schach- und Kulturstiftung GHS unter www.ghs-schachundkulturstiftung.de käuflich erworben werden. Zur Einführung spricht der Vorsitzende der Stiftung, Georg Schweiger.

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