Rührendes Gedenken:Grafinger verabschieden sich von Mamadou Diouf

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Zur Trauerfeier für den verstorbenen Asylbewerber kommen fast 100 Menschen in den örtlichen Jugendtreff.

Von Thorsten Rienth

Wie bewegend wäre es wohl für die Familie von Mamadou Diouf gewesen, hätte sie diese Bilder sehen können: Fast 100 Grafinger haben am Freitagabend im Grafinger Jugendtreff Abschied genommen von dem 32-Jährigen Asylbewerber aus dem Senegal, der Anfang des Jahres an einer Hirnblutung gestorben war. "Ich hoffe, dass er nicht als Gast, sondern als Mitbürger, als Freund, als Grafinger in Erinnerung bleibt", sagte die Vorsitzende der Jugendinitiative Grafing (JIG), Kiki Behmer. "Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass wir alle miterleben durften, wie toll er und seine Freunde in unserer Stadt aufgenommen worden sind."

Rastalocken neben Anzug und Krawatte, Schwarz neben Weiß, Alt neben Jung. Ein so buntes Miteinander gab es im JIG - wenn überhaupt einmal - schon lange nicht mehr. Freilich hätten sich Jugendliche, Erwachsene und Grafinger Asylbewerber in dieser Konstellation lieber zu einem anderen Anlass getroffen. Die JIG-Vorsitzende fand in ihrer Rede zumindest etwas Trost: "Wenigstens beruhigt uns, dass ihm die Hirnblutung überall auf der Welt hätte passieren können und dass es leider überall auf der Welt so ausgegangen wäre."

Nicht nur wegen seiner "wahnsinnig lebensfrohen Art" könne der junge Mann für viele Menschen ein Vorbild sein, sagte sie. "Er war neu in Grafing, er hat sich nur mit Gestik verständigen können und ist trotzdem einfach zu uns gekommen", erzählte die 19-Jährige. "Wir müssen uns einmal vorstellen, wie schwer es für uns wäre, so über unseren Schatten zu springen und uns in einem fremden Land so wie er zu verhalten." Eine Grafingerin schrieb dem Senegalesen ein Gedicht und las es vor. "Was ich von Mamadou gelernt habe", lautet der Titel. Hilfsbereitschaft und Mut gehörten dazu sowie die Erkenntnis, "anders sein zu dürfen, ohne Verunsicherung".

Wie sehr der junge Mann schon nach wenigen Monaten dazu gehörte, war unübersehbar. Links auf der Bühne hatten die Jugendlichen einen kleinen Tisch aufgebaut, in dessen Mitte ein Foto des jungen Mannes gestellt, daneben und davor weiße und rote Rosen gelegt. An die Seite stellten sie eine Spendenbox. Sie ist Teil der Aktion der beiden Grafinger Kirchen, die sich zum Ziel gesetzt haben, die Überführung in den Senegal zu finanzieren. Amelie Krug und Thomas Feuchter, die beide viele Jahre am Grafinger Gymnasium Französisch gelernt haben, fungierten als Übersetzer. Alle Gäste sollten auch wirklich alles verstehen können.

Roman Schütze, einer der Aktiven aus der Grafinger Gambia-Hilfe, ordnete Dioufs Zeit in Deutschland in einen breiteren Kontext ein. "Auch wenn Mamadou für den Gesetzgeber ein Asylbewerber ist, so wollen wir festhalten, dass Asylbewerber doch zuallererst einmal Menschen sind", rief er. Schicksale wie eben dieses würden eine Notwendigkeit ganz besonders zeigen: "Dass jeder, der zu uns kommt, von einer Gemeinschaft aufgefangen werden muss - also genau das, was Grafing in den letzten Monaten gezeigt hat, noch viel öfters passiert."

Wohl auch wegen diesem Grafinger Hintergrund war bei den Asylbewerbern von Distanz oder Scheu keine Spur. Auch Freunde von Diouf aus Afrika trauten sich auf die Bühne. "Es ist nicht nur ein Senegalese gestorben, es ist auch ein Grafinger gestorben", sagte etwa Abba Diedtriou. "Ich möchte mich bedanken, dass wir in Grafing alle so gemeinschaftlich aufgenommen worden sind." Dioufs Onkel, der ebenfalls im Landkreis Ebersberg wohnt, sagte mit bebender Stimme: "Ich liebe diese Stadt, danke für alles!" Derzeit beherbergt Grafing etwa 100 Flüchtlinge, mehr als jede andere Kommune im Landkreis. Die meisten von ihnen leben in zwei größeren Unterkünften in der Stadt.

© SZ vom 13.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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