Rettungshunde-Staffel:Vier Pfoten, schwindelfrei

Rettungshunde-Staffel: Fest umklammert Anke Boysen ihren Aqim. Foto: Christian Endt

Fest umklammert Anke Boysen ihren Aqim. Foto: Christian Endt

Um für den Ernstfall zu trainieren, haben sich die Teams einer Rettungshunde-Staffel aus München vom Ebersberger Aussichtsturm abgeseilt.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Neugierig streckt Picasso seine Schnauze aus dem Kofferraum von Stefanie Tschyschewskys Kleinwagen, sie streichelt ihm aufmunternd über den Rücken, "das kriegen wir hin!". Eine halbe Stunde später hängen Tschyschewsky - die lieber Steffi genannt werden will, und ihr Hund dann auch schon im Seil, rund 15 Meter baumeln sie über dem Boden, langsam werden die beiden nach unten abgeseilt. "Da kriegt man jedes mal wieder Angst", sagt Steffi, nachdem sie und Labrador Picasso etwas unsanft auf den Kies unter dem Aussichtsturm am Waldrand des Ebersberger Forstes geplumpst sind.

Trainiert wird hier an diesem Mittwochabend für den Ernstfall: Steffi und ihr Hund Picasso sind Teil des Rettungshundeteams des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) in München. Immer auf Abruf für den Ernstfall. Doch der komme glücklicherweise nicht so oft vor, wie Anke Boysen, Leiterin des Rettungsteams erklärt. Boysens Team war auch dabei, als vor rund zehn Jahren die Eissporthalle in Bad Reichenhall einstürzte, 15 Menschen verloren bei dem Unglück ihr Leben.

Rund 700 Rettungskräfte waren in Bad Reichenhall beteiligt, die Suchhunde halfen dabei, die unter den Trümmern begrabenen Menschen zu finden und zu bergen. Behindert wurden sie durch starken Schneefall. Die Hundestaffel des ASB muss deshalb auf jedes Wetter vorbereitet sein, "auch das hier ist einsatzrelevant", sagt die Kirchseeonerin Boysen, schaut in den wolkenverhangenen Himmel und zieht sich die Kapuze tiefer ins Gesicht.

Der Moment, in dem man loslässt

Den Hunden ist der Regen ohnehin egal, Aqim, der Hund der Staffelleiterin schüttelt sich kurz, seine eisblauen Augen wandern am Turm entlang nach oben. Als Thomas Pompe von der deutschen Erdbebenrettung ihn am Seil einhängt, fängt Aqim kurz an zu winseln, "du machst das gut", beruhigt ihn Boysen.

Thomas Pompe trifft sich einmal im Jahr mit dem Münchner Rettungshundeteams, um das Abseilen zu trainieren. Am Ebersberger Aussichtsturm üben sie an diesem Abend zum ersten Mal, "normalerweise seilen wir uns von Feuerwehrtürmen ab", erklärt Staffelleiterin Boysen.

Der schwierigste Moment sei der, in dem man loslasse, sagt Steffi. Sie schnauft einige Sekunden durch, als sie an der Balustrade eines Zwischengeschosses des Aussichtsturmes steht. Hinter ihr geht es rund 20 Meter nach unten, jetzt muss sie sich auf das Seil verlassen. Steffi lässt das Treppengeländer los und kippt nach hinten. Es macht einen Ruck und sie hängt im Seil, fest umklammert sie Picasso. Elf Teams, also elf mal Hund plus Mensch, werden an diesem Abend vom Ebersberger Aussichtsturm abgeseilt. Teil der Rettungshundestaffel werden kann jeder - dazu braucht es nur einen Hund und etwas Mut. Und natürlich Zeit: Zwei mal pro Woche treffen sich die Mitglieder der Rettungshundestaffel, um zu trainieren.

Nicht jeder Einsatz rettet Leben

Bei der Vermisstensuche seien die Hunde unersetzlich, erklärt Anke Boysen. "Diese Nase kann kein technisches Gerät der Welt ersetzen." Und so kommen die Hunde nicht nur bei der Suche nach Verschütteten in eingestürzten Gebäuden zum Einsatz, sondern auch bei der Vermisstensuche im Wald. Den letzten größeren Einsatz hatten drei der Münchner ASB-Hunde Mitte April in Mehring bei Altötting.

Dort war eine 79-jährige Frau spurlos verschwunden. Am nächsten Tag wurde die Frau in einem Nachbarort gefunden. Freilich gehen nicht alle Einsätze der Münchner Rettungshundeteams so glimpflich aus: Ende Januar wurde in einem Waldgebiet in der Nähe von Freilassing ein 73-jähriger Mann vermisst. Nach vielen Stunden der Ungewissheit schlug ein Hund aus Boysens Staffel schließlich an, doch da war der Rentner bereits tot.

Die Hundehalter, die an den Suchaktionen beteiligt sind, machen ihren Job ehrenamtlich. "Weil es gut tut, etwas für die Gesellschaft zu tun", sagt Steffi, sie und Picasso sind bereits seit fünf Jahren beim ASB aktiv. Picasso hechelt und wedelt mit dem Schwanz. "Und außerdem tut es dem Hund gut, da ist er ausgelastet."

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