Reisenthaler Hof in Glonn:Kaffee und Kuchen wie in Bullerbü

  • Mit 23 Jahren kam Julia Esterl auf den Bauernhof ihres Ehemannes Sebastian.
  • Für die Stallarbeit gab sie ihren Beruf bei BMW auf. Heute darf sie sich Bauernhofgastronomin nennen.
  • Im ehemaligen Kälberstall führt sie nun das Café "Die Reystalerin".

Von Daniela Gorgs, Glonn

Als der Bauernsohn Franz die Rosalie aus der Stadt heiraten will, stößt er bei seinen Eltern auf erbitterten Widerstand: Die Bauersleute sind außer sich über die Pläne ihres Sohnes mit einem "verwöhnten und arroganten Stadtmädchen". Eine "Madame Bäurin" soll ihnen nicht auf den Hof kommen. Auch Franz' Vorhaben, den Betrieb mit neuen Landmaschinen zu modernisieren, widerstrebt ihnen. In der Erzählung der Glonner Autorin Lena Christ aus dem Jahr 1919 prallen Stadt- und Landleben aufeinander.

"Madame Bäurin" ähnelt ein wenig der Geschichte von Julia und Sebastian Esterl. Der große Unterschied: Die Schwiegereltern hießen das "Stadtmädchen" willkommen. Mit ihrer unbekümmerten, hilfsbereiten Art eroberte Julia Esterl rasch die Herzen der Glonner Bauernfamilie. Die jüngste Tochter des Hofs freute sich besonders, weil sie ihre Mistgabel an Julia weitergeben durfte. Das Mädchen aus der Stadt übernahm mit Freude die Stallarbeit zusammen mit dem Bauernsohn.

Und doch, es war eine Herausforderung für Julia, als sie vor 15 Jahren auf den Reisenthaler Hof kam. In siebter Generation bewirtschaftet die Familie Esterl den Hof inmitten des Landschafts- und Naturschutzgebietes am Kupferbach. Ein schmaler Weg führt zu dem Einödhof, der sich an einen Waldeinschnitt im Tal schmiegt. Auf den Feuchtwiesen hinter dem Haus wächst das seltene und streng geschützte Löffelkraut. Vorne steht eine alte Holzbank. Wer dort sitzt, blickt ringsum auf grüne Hügel und hört den Bach plätschern.

Julia Esterl merkte rasch, dass sie hier im Kupferbachtal mit ihrem gelernten Beruf als Automobilkauffrau bei BMW nicht weit kommen würde. Also krempelte die damals 23-Jährige ihr Leben komplett um. Sie besuchte die Winterschule in Ebersberg und absolvierte die Gesellenprüfung zur Hauswirtschafterin.

Sechs Jahre später, als ihre Zwillinge zwei Jahre alt waren, nahm sie den Meisterbrief entgegen. Ihr Wissensdrang war damit noch nicht gestillt: Es folgte die Qualifizierung zur Erlebnisbäuerin, Anfang März überreichte ihr der damalige Landwirtschaftsminister Helmut Brunner eine weitere Urkunde. Julia Esterl, 38, darf sich jetzt auch Bauernhofgastronomin nennen.

Die Bäuerin zieht sich die Schürze über. Sie trägt Jeans, kurzärmlige Bluse unter der Trachtenweste. Im linken Ohr stecken drei Ohrringe, im rechten zwei. Ihre blonden, lockigen Haare sind kurz geschnitten. Die braunen Augen leuchten, als sie die ersten Wanderer in ihrem Bauernhofcafé "Die Reystalerin" begrüßt, das vor fünf Minuten geöffnet hat.

Neugierig sehen sich die Gäste um, bewundern die vielen Details an den liebevoll dekorierten Wänden. Die historischen Bilder der Familie, die langen hölzernen Ski vom Schwiegervater neben dem Hirschgeweih. Der Alt-Bauer übte sich früher auf dem Hügel vor dem Haus im Skisprung. Dort, wo jetzt das Rotwild der Esterls äst.

Das Café ist so groß wie ein Wohnzimmer. Das war es auch mal. Wohn- und Schlafzimmer. Als Julia Esterl in den Reisenthaler Hof einzog und es ihr in dem Zimmer zwischen den Schwiegereltern und der Oma zu eng wurde, führte ihr Mann sie in den ehemaligen Kälberstall. "Das wird unser neues Zuhause", sagte er.

Dann fuhr ihr Mann mit dem Minibagger rein

Julia Esterl schüttelt lachend den Kopf, als sie die Geschichte erzählt. Niemals habe sie geglaubt, dass es gelingen würde, den Stall umzubauen. Es war ein hartes Stück Arbeit. Zuerst musste der Mistkanal raus, dann fuhr ihr Mann mit dem Minibagger rein, um den Raum leer zu räumen, Wände und Decken wurden sandgestrahlt. Das Ehepaar lebte in dem Raum, bis die Eltern den Hof übergaben und ins benachbarte Austragshaus zogen. Jetzt haben Julia und Sebastian Esterl mit ihren drei Kindern und den zwei Lehrlingen Josefa und Anna mehr Platz. Und aus dem ehemaligen Kälberstall ist ein Café geworden.

"Wenn ich schon kaum mehr rauskomme, dann sollen halt die Leut' zu mir kommen", sagt Julia Esterl. Mehrmals in der Woche besuchen Kindergartenkinder, Schulklassen, integrative Gruppen oder Senioren den Reisenthaler Hof. Und dort dürfen sie mit der Erlebnisbäuerin erfahren, was Landwirtschaft bedeutet. Julia Esterl drückt ihnen Besen und Schaufel in die Hand, lässt sie eine Futterration für die Milchkühe zusammenstellen. Und dann wird Butter geschüttelt.

Die Bäuerin sieht sehr glücklich aus, wenn sie von ihrem Alltag erzählt, dem Leben auf dem Bauernhof, wo alle mitanpacken. Die Lehrlinge sowieso, der Schwiegervater, der bei der Stallarbeit hilft, und die Schwiegermutter, die Kuchen fürs Café backt. Am Samstag, wenn es dort recht zugeht, hilft auch ihr Mann Sebastian mit, der sich sonst vor allem um den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb kümmert.

Für Julia Esterl sind das besonders schöne Momente, wenn sie für die Gäste "Himmlische Torte" schneidet und "Strammen Max" vorbereitet und ihr Mann währenddessen die Spülmaschine einräumt und die Kaffeemaschine bedient. Ein Besuch bei der Reystalerin ist sehr zu empfehlen. Neben Kuchen und Brotzeiten gibt es selbstgemachte Limonaden und Liköre mit regionalen Zutaten. Die Reystalerin ist freitags und samstags von 11 bis 17 Uhr geöffnet.

Infos: www.reisenthalerhof.de

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